Spitzenkandidatin: Warum Alice Weidel gut zur homophoben AfD passt
Die Gruppe ablehnen, den Einzelnen mögen - und wenn er nützlich ist, umso besser! Die homosexuelle Alice Weidel als Spitzenkandidatin ist nur auf den ersten Blick kurios. Ein Kommentar.
Am Sonntag hat der AfD-Bundesparteitag in Köln Alexander Gauland und Alice Weidel zum Spitzenduo für die Bundestagswahl gekürt. Damit steht nun neben dem erzkonservativen CDU-Dissidenten eine lesbische Frau an der Spitze einer homophoben Partei. Das ist kurios, einerseits. Es ist, andererseits, Bestandteil ganz banaler Ausgrenzungslogiken. Und es zeigt, drittens, subtilere Stereotpye weit über die AfD hinaus. Aber der Reihe nach.
Die Familienpolitik der AfD ist rassistisch und homophob
Im Leitantrag für ein Bundestagswahlprogramm der AfD (Pdf) spielt die Familienpolitik eine herausragende Rolle. Die AfD sieht die Familie aus Vater, Mutter und Kindern als „Keimzelle der Gesellschaft“. Sie beklagt die „dramatische Zunahme der Ehe- und Kinderlosigkeit“ und will mit ihrer Familienpolitik der „Schrumpfung unserer angestammten Bevölkerung“ entgegenwirken.
Die Gleichstellung homosexueller Partnerschaften und die Gleichheit von Mann und Frau sieht die AfD als „Gender-Ideologie“, die „naturgegebene Unterschiede zwischen den Geschlechtern“ marginalisiere. „Wir lehnen alle Versuche ab“, heißt es, „den Sinn des Wortes ,Familie‘ im Grundgesetz auf andere Gemeinschaften auszudehnen und der Familie auf diesem Wege den besonderen staatlichen Schutz zu entziehen.“
Gerne wäre ich dabei gewesen, als Frau Weidel ihrer Partnerin erklärte, warum sie jetzt gegen die staatliche Anerkennung der eigenen Beziehung kämpft.
schreibt NutzerIn Bantmut
Familienpolitik ist für die AfD Teil ihrer „nationalen Bevölkerungspolitik“ – oder anders gesagt: Sie betrachtet die Familie als „Keimzelle“ im wahrsten Sinne des Wortes. In der Familie sollen möglichst viele schöne, neue, echte, wahre Deutsche zur Verteidigung des Abendlandes entstehen. Die Partei vertritt in der Familienpolitik eine kaum kaschierte rassistische und homophobe Ideologie.
Weidels Kandidatur kann man auch als Emanzipation sehen
Warum wählt sie dann Alice Weidel an die Spitze – die mit ihrer Partnerin und zwei kleinen Kindern zusammenlebt?
Die Wahl Weidels ist Ausdruck der Ur-Heuchelei jeder Diskriminierung: Den einzelnen Menschen, egal was seine Hautfarbe, seine sexuelle Vorliebe oder sein Lebensmodell ist, finden auch Rassisten, Homophobe und Chauvinisten total nett, wenn sie ihn denn kennenlernen, und besonders natürlich, wenn sie ihn – wie Alice Weidel – auch noch brauchen können. Als Teil einer Gruppe aber wird der Mensch abstrakt. Er wird ein Stück weit entmenschlicht und ist so leicht zu diskriminieren.
Man geht der Logik der Diskriminierung aber auch ein Stück weit auf den Leim, wenn man sich nun über Weidels Entscheidung wundert, wenn man in ihr vor allem die lesbische Frau sieht. Man unterstellt, das müsse doch ihre Identität bestimmen, mehr als ihre politischen Einstellungen. Weidel galt zunächst als Wirtschaftsliberale, zunehmend hat sie auch islamkritische und türkeikritische Positionen bezogen.
Das fällt der Mehrheitsgesellschaft fast noch schwerer zu akzeptieren als die Regenbogenfamilie selbst: Von Menschen, die zu Gruppen gehören, die diskriminiert werden, erwarten wir immer, dass sie selbst besonders aufgeklärt sind. Man sieht sie als Opfer, die sich bitteschön auch als solche zu verhalten haben. Insofern ist Alice Weidels Beteiligung am Kampf der AfD gegen die Rechte von Frauen, Muslimen und Homosexuellen in Deutschland auch eine Art Emanzipation. Sie selbst sagte der „FAZ“ über ihr AfD-Engagement im März: „Ich mache das auch für meine Kinder.“
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