Rechtsstreit um Briefwahl: Wann und unter welchen Umständen Trump vor Gericht ziehen könnte
Die noch nicht ausgewerteten Briefwahlstimmen können Joe Biden zum Sieg verhelfen. Welche legalen Möglichkeiten zum Einspruch hat der Präsident?
Ob der nächste Präsident Joe Biden oder erneut Donald Trump heißt, hängt nun im Wesentlichen von der Auszählung der Briefwahlstimmen in drei Industriestaaten an den Großen Seen ab: Michigan, Pennsylvania und Wisconsin.
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Trump hatte sich in der Nacht zu Mittwoch zum Sieger erklärt und verlangt, die weitere Auszählung von Stimmen müsse gestoppt werden. Er werde sich mit dieser Forderung an die Gerichte wenden. Trump erweckte den Eindruck, dass die noch nicht gezählten Briefwahlstimmen erst nach Schließung der Wahllokale ausgefüllt worden seien und deshalb nicht berücksichtigt werden dürften.
Tatsächlich handelt es sich in den drei Staaten um Stimmzettel, die am Wahltag oder früher ausgefüllt und auf den Postweg gebracht wurden. In Pennsylvania sind auch Briefwahlunterlagen gültig, die bis zu drei Tage später in den Auszählungszentralen eintreffen. Maßgeblich ist der Poststempel.
Briefwahlstimmen sind nach allgemeiner Erwartung in der großen Mehrheit Stimmen von Anhängern der Demokraten. Sie nutzen die Möglichkeit zur Briefwahl. Republikaner tendieren dazu, die Stimme persönlich im Wahllokal abzugeben. Deshalb können die Briefwahlstimmen in der Summe Joe Biden in jedem der drei Staaten zur Mehrheit verhelfen. Wenn er zwei der drei Staaten gewinnt, wäre er Präsident. Umgekehrt kann auch Trump durch einen Sieg in zwei der drei Staaten die Wahl gewinnen.
Jeder Staat macht eigene Vorgaben
Seit Trumps Ankündigung, die Auszählung durch Gerichte stoppen zu lassen, rätseln Beobachter, wie das gehen soll. Und mit welcher Begründung. Die Abläufe der Wahl und der Auszählung bestimmt jeder der 50 Bundesstaaten selbst. Um vor Gericht zu ziehen, müssten Trumps Anwälte einen Verstoß gegen die jeweiligen Regeln nachweisen. In aller Regel geht das erst nach Verkündung des offiziellen Ergebnisses in dem Staat. Eine Unterbrechung der Auszählung ist so eher nicht zu erreichen.
Die Vorgaben in den drei Staaten sind unterschiedlich. In Michigan werden nur Stimmen gezählt, die am Wahltag oder zuvor eintreffen. Wegen der hohen Zahl kann die Auswertung aber ein, zwei Tage dauern. Im Lauf des Mittwoch Nachmittag ging Biden dort nach Auszählung von 90 Prozent der Stimmen in Führung. Zuvor führte Trump. Am Abend war der Vorsprung bei Auszählung von 94 Prozent auf 50.000 Stimmen gewachsen. Der Wechsel war vor allem auf die Auszählung der Briefwahlstimmen zurückzuführen.
In Pennsylvania dürfen Briefwahlzettel bis Freitag, 6. November eintreffen und werden gezählt, sofern der Poststempel nachweist, dass sie am Wahltag oder früher eingeworfen wurden. Dort führte Trump am Mittwochabend nach Auszählung von 80 Prozent der Stimmen mit rund 469.430 Stimmen – auch diesen Vorsprung kann Biden durch Auszählung der Briefwahlstimmen wettmachen, da mehr als eine Million Stimmen noch nicht ausgezählt sind.
Viele Beobachter und Juristen stehen zum Einspruch bereit
In Wisconsin werden nur Stimmen gezählt, die am Wahltag oder früher eingetroffen sind. In vielen Wahlbezirken werden die persönlich abgegebenen Stimmen zuerst ausgezählt, danach die Briefwahlstimmen. So verwandelte sich ein anfänglicher Vorsprung für Trump im Laufe des Mittwoch nach Auszählung von 98 Prozent in einen knappen Vorsprung für Biden von 20.500 Stimmen.
Trump hatte bereits vor einigen Tagen vor Gericht beantragt, die nach dem Wahltag eintreffenden Briefwahlstimmen in Pennsylvania nicht zu berücksichtigen. Der Supreme Court lehnte den Eilantrag ab mit der Begründung, das könne auch später noch entschieden werden.
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In vielen Staaten waren Wahlbeobachter beider Lager und ihre Anwälte zugegen, um Unregelmäßigkeiten früh zu protokollieren und gegebenenfalls Einspruch einzulegen. Die formalen Anforderungen an eine korrekte Briefwahl sind nicht allen Wählern bekannt, da viele diese Form der Stimmabgabe 2020 wegen Corona erstmals nutzen.
Experten rechnen mit fehlerhaft abgegebenen Briefwahlstimmen
Der ausgefüllte Wahlzettel muss in einen dafür vorgesehenen Umschlag getan werden; und dieser muss mit einer Erklärung, wer den Stimmzettel ausgefüllt hat, in einen weiteren Vorschlag gesteckt werden. Wird dies nicht befolgt, kann die Stimme als ungültig gewertet werden. Experten rechneten damit, dass einige Wähler diese Anforderungen nicht korrekt erfüllen.
Je knapper der Abstand zwischen den Stimmen für Biden und Trump, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass Ergebnisse angefochten und Nachzählungen beantragt werden. Zunächst müssen solche Anträge im jeweiligen Staat gestellt werden. Die Verfahren können dann aber durch die Instanzen zum Supreme Court gehen.
Demokraten warnen regelmäßig, dort gebe es nun eine stabile konservative Mehrheit, nachdem erst kürzlich die von Trump nominierte Richterin Amy Coney Barrett vom Senat bestätigt worden war. Andere Beobachter sagen, Verfassungsrichter urteilten nicht nach weltanschaulichen Vorlieben, sondern auf Basis der Gesetze und der Verfassung.
[Erläuterung zu unseren Zahlen zur US-Wahl: Bei den Wahlentscheidungen in den einzelnen Bundesstaaten nutzen die US-Medien unterschiedliche Berechnungsmodelle, bevor sie einen Call veröffentlichen, also die Wahlleute des Staates einem Kandidaten zurechnen. Je nach der Quelle, auf die sich aktuelle Grafiken und Karten beziehen, sind die Zahlen auch in den deutschen Medien unterschiedlich. Beim Tagesspiegel nutzen wir für unsere Live-Daten Angaben der Deutschen Presse-Agentur dpa, die sich wiederum auf Zahlen des US-Senders CNN stützt.]