Die GroKo und die Schuldenpolitik: Wann kippt die schwarze Null?
Die Stimmen mehren sich, die neue Kredite und sogar eine Lockerung der Schuldenbremse verlangen. Noch stemmen sich Merkel und Scholz dagegen.
Lange war sie ein Aushängeschild der großen Koalition: die schwarze Null. Aber die Konjunktur schwächelt, das Wort Rezession taucht plötzlich wieder in den Schlagzeilen auf. Die Zeit der Haushaltsüberschüsse scheint erst einmal vorbei zu sein, die Rücklagen im Bundesetat werden schon zum Löcherstopfen verwendet. Denn der Koalitionsvertrag ist ein bisschen teurer ausgefallen und die Ausgabenwünsche der Regierungsfraktionen tendieren eher nach oben.
Die Klimarettung verlangt mehr oder weniger große Summen, das ist jedenfalls im breiten politischen Mainstream unstrittig. Und jetzt sucht die SPD auch noch nach einer neuen Führung, in der einige Kandidaten die Forderung nach verstärktem Geldausgeben zur Profilierung nutzen. Zum Beispiel Fraktionsvize Karl Lauterbach, der sogar eine Lockerung der seit 2009 geltenden Schuldenbremse im Grundgesetz ins Gespräch brachte. Kommt nach zehn Jahren nun das Ende der aus den Erfahrungen der Finanzkrise geborenen deutschen Schuldenbegrenzungspolitik?
Finanzminister Olaf Scholz, grundsätzlich zum Führen der Partei bereit, hält vorerst an Schuldenbremse und schwarzer Null fest. Wie auch die Kanzlerin. Beide glauben, dass haushaltspolitische Disziplin ihren Parteien beim Wähler hilft. Scholz betrachtet das Verschuldungsverbot in normalen Zeiten als Sicherung gegen Steuersenkungen für Reiche. Angela Merkel wiederum sieht darin einen Stabilitätsanker, also eine konservative Vorkehrung gegen Geldverschwendung.
Ausnahmen sind erlaubt
Allerdings erlaubt die Schuldenbremse im Grundgesetz auch Ausnahmen, und das nicht nur bei Naturkatastrophen und Finanzkrisen, wenn eine schwarze Null – der Haushaltsausgleich ohne neue Schulden – ohnehin nicht zu halten wäre. Wenn die Wirtschaft in eine Rezession fällt, sind durchaus mehr Schulden erlaubt. Und selbst in normalen Wirtschaftslagen, wenn Wachstum herrscht, kann der Bund immerhin Kredite in Höhe von bis zu 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufnehmen.
Aktuell wären das mehr als zehn Milliarden Euro. Im Haushaltsabschluss für 2017 schon fand sich eine Neuverschuldung von 2,7 Milliarden Euro – das waren 0,09 Prozent der Wirtschaftsleistung. Ein bisschen neue Schulden sind also möglich, auch in eine schwächelnde Konjunktur hinein.
Aber manchen reicht das nicht. Nicht nur linke Ökonomen verlangen eine Lockerung der Vorgaben der Schuldenbremse, auch mit dem Argument, dass in Zeiten von Nullzinsen eine Nullschuldenpolitik wirtschaftlich abträglich sei. Wenn man Kredite extrem billig bekomme, so die Logik, warum solle man da nicht zugreifen und ordentlich Investitionen auf Pump voranbringen. Oder eben in Klimapolitik hineinbuttern.
Ein Klimafonds ist neuerdings im Gespräch – allerdings gibt es schon seit Jahren einen, aus dem die Mittel allerdings nicht immer sehr geschwind abfließen. Doch die Front der Befürworter einer stärkeren Verschuldung wird immer breiter. Zuletzt hat sich sogar der Bundesverband der deutschen Industrie dafür ausgesprochen, mindestens den Spielraum der Schuldenbremse zu nutzen.
Grüne und Linke machen Druck
Die Opposition links der Mitte macht ohnehin Druck. Der Grünen-Haushaltspolitiker Sven-Christian Kindler wirft Merkel und Scholz grobe Fahrlässigkeit vor, wenn sie sich „weiter an den Fetisch der schwarzen Null klammern“. Öffentliche Investitionen in den Klimaschutz reizten auch viele private Investitionen an, was die Konjunktur nachhaltig stärke. „Es ist nicht nachzuvollziehen, dass der Bund mit zusätzlichen Bundesanleihen sogar Geld verdienen würde und trotzdem mit der schwarzen Null auf der Investitionsbremse steht.“
Fabio de Masi von den Linken hält angesichts einer drohenden Rezession öffentliche Investitionen für dringend notwendig, um die Binnenkonjunktur anzukurbeln. „Die Schuldenbremse ist eine gefährliche ökonomische Dummheit, für die Deutschland in die Geschichtsbücher eingehen wird.“
Union und FDP bleiben skeptisch
Doch in der Union will man sich von der wachsenden Aufregung nicht anstecken lassen – ein wenig wohl nach Helmut Kohls berühmtem Motto, dass die Karawane weiterzieht, auch wenn die Hunde bellen. Fraktionsvize Andreas Jung lehnt vor allem eine Aufweichung der Schuldenbremse ab. „Wenn der Geist der Neuverschuldung erst aus der Flasche ist, dann gibt es kein Halten mehr“, sagte der CDU-Politiker dem Tagesspiegel. Die schwarze Null sei ein Ausdruck von Nachhaltigkeit und stehe für Generationengerechtigkeit.
Höhere Ausgaben will er erst einmal im Rahmen des Etats finanzieren. „Wir haben einerseits Steuereinnahmen in Rekordhöhe, andererseits umfassenden Investitionsbedarf. Mit klaren Prioritäten muss beides ohne neue Schulden zusammengebracht werden.“ Die FDP hat die Union auf ihrer Seite. Otto Fricke, Chefhaushälter der Freien Demokraten, sagte dem Tagesspiegel: „Bei den aktuell niedrigen Zinsen kann es ökonomisch klug sein, neue Schulden zu machen, politisch ist es das aber nicht. Denn die Politik tilgt ihre Schulden nicht, und durch die fortwährende Anschlussfinanzierung ächzt der Haushalt bei steigenden Zinsen unter diesen Altlasten.“ Fricke nennt das Konjunkturpaket II, mit dem die damalige Groko 2009 die Finanzkrise bekämpfte, als Beispiel.
Rund 19 Milliarden Euro Schulden daraus seien trotz aller Versprechungen und Tilgungspläne „in den zuletzt fetten Jahren nicht getilgt“ worden. Investitionen in den Klimaschutz seien wichtig, „sie dürfen aber nicht auf Kosten einer generationenungerechten Haushaltspolitik erfolgen“. Frickes Fazit: „Die Debatte um die schwarze Null und eine Aufweichung der Schuldenbremse ist nichts anderes als die Feigheit vor Strukturreformen und dem Streichen unnötiger Ausgaben und Subventionen.“