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Patrioten sind sie nicht, nur weil Pegida-Anhänger das Wort im Namen ihrer Bewegung tragen.
© Tobias Schwarz/AFP

Deutschland in der Flüchtlingskrise: Wahre Patrioten kämpfen gegen Nationalisten

Wer sich hinter AfD und Pegida sammelt, ist gewiss kein Patriot. Einwanderung ist Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Geben wir denen, die Deutsche werden wollen, eine Chance. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Immer Patriot, nie Nationalist, das war das Motto, unter dem Johannes Rau Bundespräsident wurde. Gewissermaßen seine Losung in der Nachfolge des Bürgerpräsidenten Gustav Heinemann und des Großbürgers Richard von Weizsäcker. In diesem Sinn wäre es jetzt ein Kampf, den die Patrioten kämpfen müssten: gegen die Nationalisten. Die sind es, die die Stimmung vergiften. Die geistig Brand stiften, der dann die Flüchtlingsheime erreicht.

Patrioten, das sind gewiss nicht die, die sich in der AfD sammeln oder bei Pegida. Das sind nur die, die das Wort laut im Mund führen, aber zugleich davon sprechen, dass die Flüchtlinge, die kommen, ja immer noch ihre Heimat hätten, in die sie zurückkehren könnten. Während die Deutschen, die hier zu Hause seien, hier bleiben müssten und nichts mehr von ihrem Land hätten, wenn so viele kommen. Lüge! Denn der Patriot weiß: Der Nationalstaat ist irrational, ist „ein Traum von Naturalismus und kollektivistischer Stammeszugehörigkeit“, wie Karl Popper schrieb, der Lieblingsphilosoph von Helmut Schmidt. Und der ist ganz gewiss ein Patriot.

Überhaupt: Was soll so was bedeuten – dass die Deutschen alles verlieren? Ja, wer sind denn die Deutschen heute? Sie heißen: Colonna, Akkaynak, Bircan, Maina, Vujinovic, Cyriacks, Ferati, Kyeremateng. Keine Deutschen? Klingt so ausländisch? Nun, das sind Namen derer, die für Deutschland spielen in der Fußball-Nationalmannschaft der Unter-17-Jährigen. Sie sind die Zukunft – und schon die Gegenwart.

Turkodeutsche. Grecodeutsche. Italodeutsche. Serbodeutsche. Sie sind die Müllers, Maiers, Schulzes der kommenden Jahrhunderte – und das ist gut so. Denn ohne sie: kein Deutschland. Mehr noch: überhaupt kein Deutschland mehr. Das Deutschland, das die Gestrigen meinen, stürbe aus.

Der Verfassungspatriotismus ist noch lange nicht überholt

Deutschland muss vielmehr, besser: vielen mehr, die Chance bieten, sich hier heimisch zu fühlen. In einem Rechtsstaat, der dem Einzelnen die Möglichkeit gibt, sich frei zu entfalten. Auch in dem er und sie versteht, worauf diese Entfaltung beruht. Das Wort vom Verfassungspatriotismus ist nicht deshalb überholt, weil es lange nicht verwendet worden ist. Gerade jetzt kann es neue Aktualität erlangen – bei allen, die sich Deutsche nennen oder werden wollen.

Pegida pervertiert den Patriotismus-Begriff, vergiftet ihn nationalistisch und völkisch. Das darf man denen nicht durchgehen lassen. 

schreibt NutzerIn mic13353

Ach ja: Viele, die jetzt hierherkommen, wollen gar nicht auf Dauer bleiben. Zwei Drittel wollen zurück, wenn das Land, aus dem sie vor Leid und Verfolgung unter Entbehrungen geflüchtet sind, befriedet ist. Das könnte man nun umgekehrt auch als Argument verwenden. Gegen die Attraktivität unseres Landes. Aber auch das stimmte ja nicht.

Was die Angst vor dem sozialen Abstieg betrifft, weil doch der Staat so viel Geld für die Integration bereithalten muss: Die Milliarden Euro werden – was nicht zuletzt die deutsche Wirtschaft weiß – hierzulande wirken wie ein Konjunkturprogramm. Es wird investiert werden in das neue Deutschland mit verändertem Gesicht, man könnte auch sagen: mit sozialem Antlitz, ohne die ökonomische Grundlage des Bestehenden zu gefährden, sondern sie zu stärken.

Die Hugenotten waren nicht weniger fremd als die Syrer

Die Angst vor dem Fremden ist nicht neu. Das Toleranzedikt des Großen Kurfürsten von 1685: Die Hugenotten kamen, und sie waren den hier Lebenden nicht weniger fremd als die Syrer. Heute stellt niemand infrage, dass, sagen wir, Thomas de Maizière ein Deutscher ist.

Immer Patriot, nie Nationalist. „Jeder erbärmliche Tropf, der nichts in der Welt hat, darauf er stolz sein könnte, ergreift das letzte Mittel, auf die Nation, der er gerade angehört, stolz zu sein: hieran erholt er sich und ist nun dankbarlich bereit alle Fehler und Torheiten, die ihr eigen sind, mit Händen und Füßen zu verteidigen.“ Schrieb Schopenhauer 1851. Die erbärmlichen Tröpfe von heute haben verdient, dass ihnen die Patrioten den Rücken kehren. Bei der nächsten Kundgebung, der nächsten Wahl. Es leben in Deutschland ja nicht nur Biedermänner.

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