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Frankreichs Präsident Hollande bei seiner Erklärung im Elysée-Palast am Freitag.
© dpa

Hollande und der Terror: Wahlkampf, Lügen und ein Video

Nach dem Attentat von Nizza ruft Frankreichs Präsident Hollande seine Landsleute zur Einheit auf. Doch der Kampf unter den Parteien um seine Nachfolge ist längst entbrannt.

François Hollande wählte einen feierlichen Rahmen, um aus der politischen Defensive zu kommen. Im „Salon Napoléon III“ des Elysée-Palastes wandte sich Frankreichs Präsident am Freitagmittag an die Nation und verkündete acht Tage nach dem Terroranschlag von Nizza: „Der Islamismus, der Fundamentalismus ist unser Feind.“ Gleichzeitig betonte Hollande, dass der Islam zu Frankreich gehöre, und appellierte an seine Landsleute, sich nicht von den Dschihadisten auseinanderdividieren zu lassen. Der Präsident, der noch einmal eine ausführliche Bilanz seiner Anti-Terror-Politik in den vergangenen Jahren zog, kündigte an, dass Frankreich der irakischen Armee im Kampf gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) Artilleriegeschütze zur Verfügung stellen werde. Einen Einsatz von französischen Bodentruppen schloss Hollande aber aus.

Hollande ist unter Druck - von links und von rechts

Die Erklärung, die Hollande nach einer neuerlichen Sitzung des Sicherheitskabinetts abgab, sollte offenbar auch ein deutliches Zeichen an seine Kritiker sein: Sowohl die linksgerichtete Zeitung „Libération“ als auch die Gegner im rechten politischen Lager werfen der sozialistischen Regierung ein Versagen angesichts des Attentats von Nizza vor. Im Zentrum der Kritik steht Innenminister Bernard Cazeneuve, dem das Blatt „Libération“ vorgehalten hatte, die Franzosen belogen zu haben. Cazeneuve hatte erklärt, dass die Strandpromenade von Nizza am 14. Juli ausreichend gesichert worden sei. Dort hatte der Attentäter, der 31-jährige Tunesier Mohamed Lahouaiej Bouhlel, am Abend des französischen Nationalfeiertages 84 Menschen getötet. Nach den Angaben von „Libération“ war die „Promenade des Anglais“ lediglich durch ein Polizeiauto abgesperrt gewesen. Hollande erklärte am Freitag trotzdem, dass Cazeneuve sein volles Vertrauen habe.

Verantwortliche in Nizza wollen Videoaufnahmen nicht löschen

Zuvor hatte der Präsident der Region Provence-Alpes-Côte d’Azur (PACA), Christian Estrosi, von einer "Staatslüge" gesprochen und den französischen Innenminister beschuldigt, am Nationalfeiertag nicht die zugesagten Sicherheitskräfte zur Verfügung gestellt zu haben. Ob die Sicherheitskräfte in Nizza am 14. Juli tatsächlich versagten, soll nun eine polizeiliche Untersuchung klären. Zusätzlich angeheizt wurde die Kontroverse durch die Weigerung des Bürgermeisters von Nizza, die Aufzeichnungen der Überwachungskameras an der "Promenade des Anglais" während des Attentats zu vernichten. Die Staatsanwaltschaft in Paris, die über eine Kopie der Aufzeichnungen verfügt, hatte die Vernichtung der Daten verlangt – unter anderem mit der Begründung, dass die Bilder ansonsten von Dschihadisten zu Propagandazwecken missbraucht werden könnten. Die Verantwortlichen in Nizza wandten hingegen ein, sie wollten sich nicht an einer „Zerstörung von Beweisen“ beteiligen.

Region um Nizza gehört zu Hochburgen des Front National

Der Streit um die Aufarbeitung des Attentats von Nizza hat indes auch einen politischen Hintergrund. Die Region PACA gehört zu den Hochburgen der oppositionellen konservativen Partei „Les Républicains“ unter der Führung von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy. Zudem ist der rechtsextreme Front National (FN) von Marine Le Pen in der Region stark vertreten. Sarkozy und Marine Le Pen, die beide bei der Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr antreten wollen, haben nach dem Anschlag von Nizza den politischen Druck auf die Regierung von Hollande noch erhöht. Sarkozy hatte Hollande vorgeworfen, den Terroristen mit „zitternder Hand“ zu begegnen. Marine Le Pen warf der Regierung in Paris vor, bei der Terrorbekämpfung versagt zu haben.

Hollande hat offiziell noch nicht angekündigt, ob er bei der Präsidentschaftswahl noch einmal antritt. Allerdings ist er nach einer am Dienstag veröffentlichten Umfrage noch unbeliebter als Sarkozy und Le Pen: Während 73 Prozent der Franzosen sich gegen eine Wiederwahl Hollandes aussprachen, erklärten 66 Prozent, sie wollten Sarkozy kein zweites Mal im Elysée-Palast sehen. 63 Prozent gaben an, sie würden im kommenden Frühjahr auf keinen Fall für Marine Le Pen stimmen.

Attentäter hatte regen SMS-Kontakt mit verdächtigem Franko-Tunesier Walid G.

Derweil verdichteten sich auch am Freitag die Hinweise, dass sich der Attentäter von Nizza keinesfalls innerhalb kurzer Zeit radikalisiert hat, wie noch am vergangenen Wochenende Innenminister Cazeneuve behauptet hatte. Zu den Festgenommenen, die einer Mittäterschaft beim Attentat vom 14. Juli beschuldigt werden, gehörte auch der Franko-Tunesier Walid G., der wie drei weitere der fünf Verdächtigen nicht polizeibekannt war. Im Verlauf eines Jahres wurden 1278 SMS zwischen dem Attentäter von Nizza und Walid G. registriert. Am 10. Januar 2015, nach dem Anschlag auf die Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“, schrieb Walid G. die Textnachricht: „Ich bin nicht Charlie... Ich bin zufrieden. Sie haben die Soldaten von Allah gebracht, um die Arbeit zu Ende zu führen.“

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