Pkw-Maut nur für Ausländer?: Wahlkampf: Horst Seehofer auf Stammtisch-Kurs
CSU-Chef Seehofer will eine Pkw-Maut nur für Ausländer – und stört sich kaum daran, dass eine derartige Diskriminierung nach EU-Recht gar nicht möglich ist.
Bekanntlich sind Horst Seehofer und Peter Ramsauer nicht die innigsten Freunde. Doch diesmal, so scheint es, ziehen CSU-Chef und Verkehrsminister an einem Strang. Auch wenn sich Ramsauer zu Seehofers Drohung, ohne Festlegung auf eine Pkw-Maut keinen Koalitionsvertrag zu unterschreiben, lieber nicht äußern mag: dass er eine Nutzerabgabe bei gleichzeitiger Kompensation für deutsche Autofahrer „sinnvoll und notwendig“ findet, hat der Minister oft genug kundgetan.
Allerdings gibt es einen wichtigen Unterschied. Für Ramsauer geht es bei der Pkw-Maut, so hat er stets betont, ums Geld, er will eine zusätzliche und verlässliche Einnahmequelle für den Erhalt der Infrastruktur. Gut sieben Milliarden Euro sind laut Experten für die Fernstraßen pro Jahr nötig, derzeit stehen keine fünf Milliarden zur Verfügung. Die Pkw-Maut müsse kommen, sagt Ramsauer – „es sei denn, der Verkehrshaushalt wird dauerhaft aufgestockt“.
Für den Wahlkämpfer Seehofer dagegen hat das Thema ganz anderes Potenzial. Es eignet sich auch für Bauchgefühle, zum Punkten am Stammtisch. Die Maut sei nicht bloß ein Finanzierungsinstrument, stellte er klar. Es gehe um Gerechtigkeit. Schließlich müssten die deutschen Autofahrer im Ausland ja auch zahlen.
„Alle anderen Parteien wollen die Gratisfahrten für Ausländer auf unseren Autobahnen weiter hinnehmen. Wir nicht.“ Gegen solche Stimmungsmache, am Montag sicherheitshalber noch mal verbreitet durch CSU-General Alexander Dobrindt, ist schwer anzukommen. Selbst für den mächtigen ADAC, der dem Ministerpräsidenten „blanken Populismus“ vorwirft. Gerade 5,2 Prozent des Pkw-Verkehrs auf deutschen Autobahnen werden durch Ausländer verursacht, erinnert der Automobilklub in seinen eigens veröffentlichten „Maut-Mythen“. Und da ausländische Pkw-Fahrer meist in Deutschland tankten, erbrächten sie über die Mineralölsteuer schon jetzt 195 Prozent der auf sie entfallenden Infrastrukturkosten.
Auch der massive Widerstand aus Koalition und Schwesterpartei scheint die Bayern nicht zu beeindrucken. CDU-Experten bis hinauf zum Generalsekretär erinnerten an die rechtliche Unmöglichkeit eines derart einseitigen Abkassierens. „Eine Pkw-Maut nur für Ausländer ist undenkbar, weil sie das EU-Diskriminierungsverbot verletzen würde“, sagte der verkehrspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Dirk Fischer. Und eine Sprecherin der EU- Kommission bestätigte am Montag, dass eine ausschließlich für Ausländer vorgesehene Pkw-Maut mit dem EU-Recht unvereinbar sei. Seit der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft 1957 sei es ein „fundamentales Prinzip der EU-Gesetzgebung“, dass EU-Bürger wegen ihrer Staatsangehörigkeit nicht benachteiligt werden dürften. „Eine Diskriminierung bei der Maut oder in irgendeiner anderen Form ist nicht möglich.“ So eröffnete die EU-Kommission im Oktober 2008 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Slowenien, da Autobahnbenutzer dort nur zwischen Jahres- und Halbjahres-Vignetten wählen konnten. Dadurch würden Ausländer benachteiligt, die das Autobahnnetz des Landes nur kurze Zeit nutzen. Daraufhin führte Slowenien für Pkw zusätzlich Wochen- und Monatsvignetten ein.
Im Verkehrsministerium betonen sie, dass die europarechtlichen Rahmenbedingungen zu beachten seien. Doch es gibt Hintertürchen. Man könne etwa allen eine Maut abverlangen und die Einwohner Deutschlands per Kfz-Steuer dann wieder entlasten. Darauf habe der Bund schließlich seit 2009 Zugriff. Aus der EU-Kommission hieß es dazu, dass es Deutschland grundsätzlich freistehe, die Steuersätze zu ändern – sofern dabei kein Ausländer diskriminiert werde.
Gemessen am Protest aus der CDU hielt sich Angela Merkel mit Kritik auffällig zurück. Es seien sich „alle einig“, sagte Vize-Regierungssprecher Georg Streiter, dass der Straßenbau in der nächsten Legislatur „ein Schwerpunkt“ sein werde. „Welcher Weg dann genau zum Ziel führt, das wird sich weisen.“ Womöglich lässt sich bei der Wahl von Seehofers Populismus ja mitprofitieren. Auch wenn es am Ende doch nichts wird mit der Maut.