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Sind das die Mächtigen der Welt? Nein, nicht ganz.
© dpa

G-7-Gipfel in Elmau: Wachstum, Geld und Macht

Amerika ist zurück, Europa stagniert, China kriselt, Russland steigt ab: So ist die Momentaufnahme im Juni 2015. Die G 7 haben sie im Blick. Ihre Kritiker auch? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Man nennt sie Weltwirtschaftsgipfel. Aber was die treibenden Kräfte der globalen Ökonomie sind, welche Regionen aufsteigen und welche zurückfallen, davon ist in Deutschland wenig die Rede. Dabei entscheiden die volkswirtschaftlichen Ressourcen, welche ihrer Ziele die G 7 wie schnell umsetzen können und ob sie die Runde womöglich erweitern müssen.

Mit mehr als einem Fünftel der globalen Wirtschaftsleistung ist die EU der größte integrierte Wirtschaftsraum der Erde. Sie setzt aber wenig globale Impulse. Von der Finanzkrise hat sie sich noch immer nicht erholt. Das Wachstum ist gering und wird von den Kosten der Krisen aufgefressen: Griechenland, Ukrainekrieg, Flüchtlingsströme, alternde Gesellschaft. Mehrere EU-Staaten sind von Rezession bedroht. Ein brennender Ehrgeiz, die Spitzenposition gegen aufstrebende Konkurrenten zu verteidigen, ist in Europa nicht zu spüren.

Die Ambition, Nr. 1 zu sein, verfolgen die USA und China. Amerika liegt in der Wirtschaftskraft knapp hinter der EU. China muss noch aufholen, freilich nur, wenn man in absoluten Zahlen misst. Rechnet man in Kaufkraftparität, hat China die USA eingeholt. In ihrer inneren Dynamik haben sie allerdings die Plätze getauscht. In den USA wachsen neuerdings die Chancen und sinken die Risiken. In China ist es umgekehrt.

Vor fünf Jahren waren die USA in einer tiefen Krise, sowohl ökonomisch als auch in ihrem Selbstvertrauen. Abgesänge auf die Weltmacht hatten mal wieder Konjunktur. Inzwischen wächst die Wirtschaft; für 2015 werden 3,5 Prozent erwartet. Es sind mehr Menschen in Arbeit als je zuvor. In der digitalen Wirtschaft, der Zukunftsbranche schlechthin, ist Amerika unangefochten Spitze. Die teuren Kriege mit hoher Truppenpräsenz im Irak und in Afghanistan sind beendet; nur ein Bruchteil des Militärs ist dort heute noch im Einsatz. Amerika setzt seine Ressourcen wieder stärker zur Modernisierung im Inland ein. Energie ist billig dank Fracking. Für Strom zahlen Verbraucher ein Drittel der deutschen Tarife. Wie schon so oft in ihrer Geschichte haben die USA ihre Fähigkeit zur Korrektur bewiesen. Barack Obama wird ein ökonomisch gesünderes Land hinterlassen, als er 2008 vorfand.

In China sind die Boomzeiten vorbei

Chinas Führung betreibt weiter eine kluge und vorsichtige Politik. In Wirtschaftsfragen hat Pragmatismus meist Vorrang vor Ideologie. Doch viele Probleme drücken: soziale Spannungen aufgrund des Stadt-Land-Gegensatzes und der Einkommensschere, Umweltschäden, demografische Ungleichgewichte infolge der langen Ein-Kind-Politik, ethnische und religiöse Konflikte wie im Falle Tibets oder der muslimischen Uiguren, Auseinandersetzungen um nationale Einheit (Taiwan) und Demokratisierung (Hongkong).

Pauschal gesagt benötigt China mindestens sieben Prozent Wachstum, um eine Politik zu finanzieren, die verhindert, dass solche Konflikte sich disruptiv entladen. Die Boomzeiten sind jedoch vorbei, die Raten drohen unter sieben Prozent zu sinken. Dadurch sinkt auch die Anziehungskraft auf ausländische Investoren, auf deren Know-how China weiter angewiesen ist. Für sie wird das Klima härter, der Protektionismus nimmt zu. China bewegt sich in eine neue Phase, in der der Wettlauf mit sich selbst wohl wichtiger wird als der Wettbewerb mit anderen Mächten. Die Kernfrage lautet, was schneller wächst – die Probleme oder die Problemlösungen?

Im Kontrast zu Amerikas Comeback und Chinas Modernisierung wird Russlands Abstieg unter Wladimir Putin umso sichtbarer. Ökonomisch lebt er vom Verkauf der Bodenschätze, aber da er die Erlöse nicht ausreichend in eine Modernisierung investiert, diese nicht vorankommt und er das Geld für das Militär und Prestigeprojekte wie die Olympischen Spiele oder die WM ausgibt, fällt das Land immer weiter zurück. Rezession, Bankenkrise, Kapitalflucht und Sanktionen wegen des Ukrainekriegs addieren sich zu einer gefährlichen Mischung.

Wirtschaftlich ist Russland sieben Mal schwächer als die EU, die USA oder China. Sein Anspruch, zu den G 8 zu gehören, und beleidigte Drohungen, ein Bündnis mit China oder den BRIC (Brasilien, Russland, Indien, China) seien eine Alternative für Moskau, klingen da wie Fantasien. Ökonomisch wäre Russland ein Vasall Chinas, das zeigte das Gas-Pipeline-Geschäft. Es ist auch schwächer als Indien und Brasilien.

Amerika ist zurück, Europa stagniert, China kriselt, Russland steigt ab: So ist die Momentaufnahme im Juni 2015. Die G 7 haben sie im Blick. Ihre Kritiker auch?

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