Polizei gegen ZDF-Reporter in Dresden: „Vorgänge wirklich besorgniserregend“ – Pegida-Demonstrant ist LKA-Mann
Der Mann, der sich beim Merkel-Besuch in Dresden gegen Aufnahmen von "Frontal 21" gewehrt hatte, arbeitet im Staatsdienst. Justizministerin Barley setzt Sachsens Behörden unter Druck.
Bundesjustizministerin Katarina Barley hat nach Bekanntwerden brisanter Details zum Vorgehen gegen ZDF-Reporter am Rande einer rechtspopulistischen Demonstration in Dresden rasche und lückenlose Aufklärung gefordert. „Die Vorgänge in Sachsen sind wirklich besorgniserregend und müssen dringend und umfassend durch die sächsischen Behörden aufgeklärt werden“, sagte die SPD-Politikerin der dpa.
Zuvor war bekannt geworden, dass der vielkritisierte Einsatz der Polizei gegen ZDF-Reporter in Dresden vor einer Woche von einem Mitarbeiter des Landeskriminalamts Sachsen ausgelöst worden war. Der mit einem Deutschlandhut bekleidete Mann hatte sich am vergangenen Donnerstag beim Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Dresden an einer Demonstration der AfD und der islam- und ausländerfeindlichen Pegida-Bewegung beteiligt und sich verbal heftig gegen Filmaufnahmen für das ZDF-Politikmagazin „Frontal 21“ gewehrt. Daraufhin kontrollierte die Polizei das ZDF-Team und hielt es so etwa eine Dreiviertelstunde fest. Das löste scharfe Kritik aus, den Einsatzkräften wurde unter anderem Behinderung der Pressefreiheit vorgeworfen.
Wie Sachsens Innenministerium am Mittwochabend mitteilte, informierte das LKA darüber, dass es sich um einen Tarifbeschäftigten des eigenen Hauses handelt. Er sei bei dem Geschehen nicht im Dienst gewesen, sondern habe als Privatperson an der Versammlung teilgenommen und befinde sich derzeit im Urlaub. „Über mögliche Konsequenzen wird das LKA entscheiden, wenn der Vorgang geklärt und der Betroffene zu den Vorkommnissen angehört wurde“, hieß es. Näheres zu seiner Position innerhalb des LKA gab das Ministerium nicht bekannt.
„Selbstverständlich gilt für jeden Bürger in unserem Land das Recht auf freie Meinungsäußerung. Allerdings erwarte ich von allen Bediensteten meines Ressorts jederzeit, auch wenn sie sich privat in der Öffentlichkeit aufhalten und äußern, ein korrektes Auftreten“, erklärte Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) in einer ersten Reaktion.
Dresdens Polizeisprecher Thomas Geither sagte dem NDR-Medienmagazin Zapp am Mittwoch zu dem Vorfall: „Ob wir jetzt alles richtig gemacht haben, würde ich nicht unbedingt sagen. Vielleicht hätte man auch fünf Minuten schneller sein können.“ Den Vorwurf, Sachsens Polizei wirke an der Unterbindung der Pressearbeit aktiv mit, wies er zurück. Geithner räumte aber ein, dass auch einige Polizeibeamte mit Pegida sympathisieren könnten: „Am Ende ist die Polizei ein Querschnitt der Gesellschaft. Bei uns gibt's alle politischen Strömungen.“
Der grüne Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir sagte der „Welt“: „Wer für den Schutz unseres Grundgesetzes zuständig ist, hat bei Organisationen und Parteien, die gegen unsere Verfassung kämpfen, nichts verloren, auch nicht in der Freizeit.“ Er erwarte nun „endlich Klartext“ vom sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer. Der CDU-Politiker hatte am Wochenende Aufklärung in dem Fall angekündigt, aber auch getwittert: „Die einzigen Personen, die in diesem Video seriös auftreten, sind Polizisten.“
ZDF-Chefredakteur Peter Frey hatte das Vorgehen der Polizei als „klare Einschränkung der freien Berichterstattung“ bezeichnet. Wöller und Dresdens Polizeipräsident Horst Kretzschmar wiesen Vorwürfe der Behinderung von Reportern und einer Kooperation der Polizei mit Pegida-Demonstranten zurück. Bei der Generalstaatsanwaltschaft in Dresden soll inzwischen eine Anzeige gegen die Polizei vorliegen. Am Freitag gibt es ein Gespräch zwischen ZDF-Reportern und der Polizei.
Vorgehen der Polizei führt zu Konflikt in Sachsens Koalition
Das Vorgehen der Polizisten in Dresden hat inzwischen auch zu einem Konflikt in der großen Koalition in Sachsen geführt. „Die einzigen Personen, die in diesem Video seriös auftreten, sind Polizisten“, hatte CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer die Aufnahmen unmittelbar nach Bekanntwerden des Vorfalls kommentiert.
Sein Stellvertreter von der SPD, Martin Dulig, nahm das ZDF-Team hingegen am Dienstag in Schutz. „Selbstverständlich gelten auch für Journalistinnen und Journalisten unsere Gesetze, dennoch muss es ihnen möglich sein, auch von schwierigen Situationen und Demonstrationen frei berichten zu können“, schrieb er in einem Facebook-Eintrag. „Aufgabe der Polizei ist es auch, diese Pressefreiheit zu schützen.“ Es sei eine „gezielte Strategie rechter Aktivisten“, kritische Journalisten „mittels haltloser Strafanzeigen“ zu kriminalisieren. Sicherheitsbehörden und Politik müssten „einen souveränen Umgang“ damit finden, die Polizisten sollten dafür geschult werden.
Am Mittwoch trendete bei Twitter der Hashtag #Pegizei. Er halte diesen Begriff für „unverantwortlich“ schrieb Ministerpräsident Kretschmer am Nachmittag in einer Reaktion auf einen Tweet des Deutschen Journalisten-Verbandes. Die Aufarbeitung des Vorfalls durch die Polizei zeige die „Ordnungsmäßigkeit des Einsatzes“. Kretschmer: „Ich bin ein überzeugter Verteidiger der Pressefreiheit und eines sachlichen Meinungsstreits.“ Zwei Stunden später gab das Innenministerium bekannt, dass das Landeskriminalamt den Pegida-Demonstranten beschäftigt. (mit dpa)