Wer war noch mal 16 Jahre Kanzlerin?: Vor lauter SPD-Bashing wird Merkel ganz vergessen
Ja, die SPD pflegte eine gefährliche Nähe zu Moskau. Ignoriert wird dabei: Verantwortlich für die Russland-Politik war eine CDU-Kanzlerin. Ein Kommentar.
Wer hat doch gleich Deutschland 16 Jahre regiert? Wer hatte in der Bundesregierung über diese lange, lange Zeit die Richtlinienkompetenz inne? Für den Fall, dass es der eine oder die andere vergessen haben sollte: Angela Merkel hieß die Bundeskanzlerin.
Daran ist zu erinnern, weil gegenwärtig alles, was im Verhältnis zu Russland kritikwürdig ist, an der Sozialdemokratie abgemacht wird.
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Ja, richtig, Frank-Walter Steinmeier war für die SPD Außenminister; aber er war es nicht 16 lange Jahre. Und, außerdem richtig: Das Kanzleramt war unter Merkel selbstbewusst genug, in Konkurrenz zum Außenamt zu treten, wenn es um die großen außenpolitischen Entscheidungen ging.
Das „Normandie-Format“ beispielsweise, die Länderkombination, in der über Frieden für die Ukraine gesprochen wurde – als es noch opportun erschien, nahm das Kanzleramt für Merkel in Anspruch, das Format erfunden zu haben. Nicht Steinmeier, sollte das heißen.
Wer war noch mal Kanzlerin...
Doch auch weitere Rückblicke zeigen: Wer heute den Eindruck zu erwecken versucht, die Genossen seien gleichsam die Fünfte Kolonne Moskaus gewesen, wie man früher sagte, sollte vorsichtig sein.
Gerade aus der CDU, der Partei, der Merkel früher einmal nahestand. Deren Aufklärungswille ist im Hinblick auf ihre Kanzlerin nicht eben ausgeprägt.
Gustav Heinemann, erst CDU, dann SPD, ehedem Bundespräsident, pflegte gern zu warnen: Wer mit dem einen Finger auf andere zeigt, sollte wissen, dass drei Finger derselben Hand auf ihn zurückweisen. Oder auf sie.
Wer war Kanzlerin, als Russland in Georgien Krieg führte (2008)? Wer war Kanzlerin, als Russland die Krim annektierte (2014)? Wer war Kanzlerin, als Nord Stream 2 zum privatwirtschaftlichen Projekt erklärt und ins Werk gesetzt wurde? Wer hat überhaupt Mal um Mal mit Russlands Präsident Wladimir Putin gesprochen und verhandelt, notfalls auf Russisch? Wer galt weltweit als die eigentliche Putin-Versteherin? Angela Merkel.
Sage keiner, dass sie sich nur der SPD beugte, sich ihr für den Koalitionsfrieden beugen musste. Natürlich sind Sozialdemokraten bei ihr vorstellig geworden, Regierungs- und Nichtregierungsmitglieder.
Nach Butscha wollte Merkel nicht
Aber in Mecklenburg-Vorpommern, wo das Erdgas aus Russland aus der Pipeline Nord Stream 2 anlanden sollte, regierte die CDU lange mit; die Partei, deren Bundesvorsitzende Merkel 18 Jahre lang war. Sie hätte anders reagieren, regieren können.
Und heute? Lässt sie sich so vernehmen: „Bundeskanzlerin a.D. Dr. Angela Merkel steht zu ihren Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Nato-Gipfel 2008 in Bukarest", teilte eine Sprecherin Merkels der Nachrichtenagentur dpa mit.
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Das war alles zur harten Kritik des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj daran, dass sein Land auch wegen Merkels Einspruch nicht in die Atlantische Allianz aufgenommen wurde.
Mehr Distanz geht nicht. Oder doch?
Steinmeier bekennt seinen Irrtum wenigstens
„Angesichts der in Butscha und anderen Orten der Ukraine sichtbar werdenden Gräueltaten finden alle Anstrengungen der Bundesregierung und der internationalen Staatengemeinschaft, der Ukraine zur Seite zu stehen und der Barbarei und dem Krieg Russlands gegen die Ukraine ein Ende zu bereiten, die volle Unterstützung der Bundeskanzlerin a.D.“, erklärte die Sprecherin. Ein Satz.
Die Einladung Selenskyjs, sich am Ort in Butscha einen Eindruck zu verschaffen, war für Merkel kein Thema. Die Kanzlerin a.D. schaute sich stattdessen lieber im malerischen Florenz um.
Bundespräsident und Außenminister a.D. Steinmeier hat im Blick auf Putin, die Ukraine und den Krieg seinen Irrtum eingestanden. Eine falsche Einschätzung, „wie viele andere auch“. Wie Merkel, möchte man meinen. Die schweigt dazu, seit Beginn des Krieges.
Wer war noch mal Kanzlerin über 16 Jahre? Vielleicht sollte der Bundestag das genauer untersuchen.