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Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un.
© dpa

Kim Jong Uns Angebot an Südkorea: Von Tauwetter zu reden, wäre verfrüht

Kim Jong Un bietet dem Süden überraschend Gespräche an. Was will Nordkoreas Machthaber erreichen? Eine Analyse.

Die Neujahrserklärung von Nordkoreas Führer Kim Jong Un zeigte, dass sich der Diktator gekonnt auf dem diplomatischen Parkett zu bewegen weiß. Selbstbewusst sprach Kim vom Atomknopf, der immer auf seinem Arbeitstisch sei. In der gleichen Rede eröffnete er auch die neue Strategie, direkte Kontakte mit Südkorea aufzunehmen, offenbar in der Hoffnung, damit einen Keil in die Allianz zwischen Seoul und Washington zu treiben. Südkorea reagierte prompt und schlug Pjöngjang Gespräche schon am 9. Januar vor.

Von einem Tauwetter auf der koreanischen Halbinsel zu sprechen, wäre verfrüht. Die Zeichen deuten jedoch in Richtung Deeskalation, bei der die USA keine Rolle spielen könnten. Kim wünschte den Beginn des Dialogs noch vor der Eröffnung der Olympischen Winterspiele nächsten Monat im südkoreanischen Pyeongchang.

Der nordkoreanische Führer will auch, dass Nordkoreas Wintersportler an den Spielen teilnehmen, was Südkoreas Präsident Moon Jae In letztes Jahr offerierte. Nördliche Olympioniken im Süden, das wäre der deutlichste Annäherungsversuch seit dem Ende der von Friedensnobelpreisträger Kim Dae Jung begründeten Sonnenscheinpolitik. Mit der Teilnahme Nordkoreas an den Olympischen Winterspielen würde Südkorea auch sicherstellen, dass Pjöngjang den Anlass nicht mit Raketentests oder sonstigen Provokationen zu stören versucht.

Südkorea fordert seit Monaten Gespräche

Südkoreas Präsident Moon, ein Liberaler, fordert seit Monaten die wirtschaftliche und diplomatische Annäherung an den Norden, während die USA unter Präsident Donald Trump eine Abschottungspolitik mit verschärften Sanktionen forcieren. Moon rechnet jetzt wohl damit, dass US-Präsident Donald Trump nicht in der Lage sein wird, größeren Druck auf Nordkorea auszuüben. Er setzt sich über Bedingungen Trumps hinweg, sich erst an den Tisch zu setzen, wenn Nordkorea deutlich macht, dass es seine Atom- und Raketentests aufgibt und dass das Endziel der Verhandlungen eine vollständige und nachprüfbare Demontage von Nordkoreas Nuklearpotenzial ist. Kims Neujahrsansprache wiederum zeigte erstmals gewissen Respekt für Moon, den nordkoreanische Medien bislang als rückgratlosen Lakaien der USA dargestellt haben.

Wenn es einen Gewinner der Eskalationsstrategie gibt, dann ist es Nordkorea. Kim scheint seine Ziele zu erreichen. Der Beweis steht zwar noch aus, dass Nordkorea tatsächlich die Technologie nuklearer Waffen beherrscht und eine Trägerrakete den Wiedereintritt in die Erdatmosphäre übersteht.

Doch Kim sagt unmissverständlich: Das Nuklearprogramm ist unaufhaltsam. Sollte es zu Gesprächen kommen, wird Nordkorea auf große Zugeständnisse und Hilfe wie Geldzahlungen pochen, auf die Aufhebung der Sanktionen sowie den Abbau der US-Militärpräsenz auf der koreanischen Halbinsel. Auf sein Nukleararsenal verzichten wird Kim nicht, er wird es höchstens einfrieren. Nordkorea hat von den gestürzten Regimes im Irak und in Libyen gelernt, was es bedeutet, sein Abschreckungspotenzial aufzugeben.

Daniel Kestenholz

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