Einigungen des Koalitionsausschusses: Von Lohngleichheit bis Kinderzuschlag
Der Koalitionsgipfel hat viele strittige Vorhaben geklärt – auch den Unterhaltsvorschuss. Nur über Seehofer wurde nicht geredet. Was alles beschlossen wurde.
Die Gelegenheit wäre günstig gewesen, aber beim Koalitionsgipfel am Donnerstag hat doch wieder keiner an Horst Seehofer die Frage gestellt, wie er das denn schon wieder gemeint hat. Das waren ein paar Sätze, die bei einem Gespräch mit CSU-Bezirksvorsitzenden fielen und die der Münchner „Merkur“ jetzt öffentlich machte: Der künftige CSU-Chef, befand der jetzige CSU-Chef, müsse in Berlin am Kabinettstisch sitzen, als Daueraufsicht für die Kanzlerin.
Ganz neu ist die Idee nicht; Seehofer hat sie ähnlich schon bei der Klausur der CSU-Landtagsfraktion im Kloster Banz vorgetragen. Anders als offenbar bei den Bezirksfürsten wurde dort auch deutlich, auf wen das Gedankenspiel zielte: auf Markus Söder, den Mann, der Seehofer beerben will. So verstanden jedenfalls die Abgeordneten den Hinweis des Parteichefs, die CSU müsse in die Bundestagswahl und die nächste Regierung mit „Alphatieren“ gehen – zumal Seehofer dort betonte, er meine nicht sich selbst.
Damit schien die Stoßrichtung klar. Der CSU-Chef will den ungeliebten Nachfolge-Kandidaten vor eine unangenehme Wahl stellen: Parteichef in Berlin oder Ministerpräsident in München – auf keinen Fall also die ganze Macht. Söder findet den Gedanken naturgemäß wenig attraktiv. Aber bisher ist nicht erkennbar, wie er diese Art der Abdrängung verhindern könnte, zumal Seehofers Sätze immer auch Raum für die Drohung lassen, dass er notfalls selbst als Spitzenkandidat für 2017 antritt und dann mit Berliner Kabinettsrang als Parteichef weitermacht.
In der Koalitionsrunde, wie gesagt, alles kein Thema. „Wir haben über die Aufgaben der jetzigen Koalition gesprochen“, bescheidet Unionsfraktionschef Volker Kauder ein wenig spitz einen Nachfrager, als er nach fünf Stunden gemeinsam mit den Kollegen von SPD und CSU die Ergebnisse der Runde vorstellt. Die bilden einen bunten Strauß von Rente bis Majestätsbeleidigung.
Einiges davon wird aufgeschoben – in der Rentenpolitik soll bis Ende Oktober oder Anfang November geklärt werden, was die große Koalition sich noch zutraut. Noch etwas warten muss auch eine Reihe von geplanten Sicherheitsgesetzen. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und Justizminister Heiko Maas (SPD) sollen darüber erst mit den Ländern reden. Das Paket reicht von schärferen Vorschriften zur Terrorabwehr bis zu schärferen Strafen für Einbruch und für Angriffe auf Polizei und Rettungskräfte.
Einen echten Durchbruch vermelden konnte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann für seine Seite: Beim Entgeltgleichheitgesetz ist ein Kompromiss erzielt. Er sieht vor, dass Firmen mit mehr als 500 Beschäftigten die Lohnniveaus von Frauen und Männern in ihrem Betrieb dokumentieren müssen, sofern dort nicht ohnehin ein Tarifvertrag gilt. Ab 200 Beschäftigten erhalten Mitarbeiter ein Recht auf Auskunft. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt betonte, dass dies dem Koalitionsvertrag entspreche und nicht darüber hinausgehe.
Kindergeld wird erhöht
Die Koalitionäre wollen ferner den Unterhaltsvorschuss für Alleinerziehende bis zum 18. Lebensjahr des Kindes ausweiten. Die bisherige Beschränkung auf sechs Jahre soll dafür fallen. Der Vorschuss soll verhindern, dass Alleinerziehende – also in der Regel Mütter – von zahlungsunwilligen Vätern finanziell schikaniert werden können.
Begrenzt werden sollen hingegen die Sonderleistungen für unbegleitete Minderjährige, und zwar in der Regel bis zum 18. Lebensjahr. Danach müsse ein „begründeter Ausnahmefall“ vorliegen, sagte Hasselfeldt. Außerdem sollten die Länder ein Mitspracherecht über Inhalt und Umfang der Leistung bekommen.
Einig waren sich die drei Parteien schließlich darüber, dass die Beleidigung ausländischer Würdenträger aus dem Strafgesetzbuch verschwinden soll – spätestens im Januar soll das Kabinett das Aufhebungsgesetz verabschieden.
Ein weiterer Streitpunkt war schon vor der Koalitionsrunde aus der Welt geschafft worden: Der Kinderzuschlag für Geringverdiener soll zum Jahreswechsel um weitere zehn auf bis zu 170 Euro im Monat steigen. Darauf verständigten sich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) bereits vor dem Spitzentreffen der Koalition am Donnerstag. Auch die von Schäuble angekündigte Erhöhung des Kindergelds um zwei Euro sowie eine leichte Anhebung von Grundfreibetrag und Kinderfreibetrag soll kommen.
Insgesamt also, fanden die Beteiligten, ein erfolgreicher Tag. „Das beste Mittel gegen schlechte Stimmung im Land ist eine Regierung, die gute Entscheidungen trifft“, resümierte Oppermann und versicherte: „Wir wollen jetzt noch nicht Wahlkampf machen.“ Vielleicht hat deshalb ja keiner bei Seehofer angefragt. Aber es hat ja auch keiner das heikle Thema „Wer wird der nächste Bundespräsident?“ auf den Tisch gelegt. „Daran haben wir immer gedacht“, frotzelte Oppermann, „aber zu keinem Zeitpunkt darüber gesprochen.“