Piratenpartei: Von Fall zu Fall
Die Piratenpartei ist gegen klassische Koalitionen. In Schleswig-Holstein kann sie sich aber vorstellen, eine Dänen-Ampel zu stützen.
Schleswig-Holsteins sechs Piraten-Abgeordnete sitzen auf gepackten Kisten. Wenn die Linke ihre Büros im Landtag geräumt hat, können die Newcomer sie übernehmen. Auch wenn sie sich im Detail noch im Parlamentarismus und in den Fluren des Kieler Landeshauses zurechtfinden müssen, ist ihnen klar, dass sie im nächsten Monat einen Ministerpräsidenten wählen sollen. SPD-Anwärter Torsten Albig sei in der Fraktion zur Vorstellung willkommen, hieß es am Montag in Kiel, was aber noch kein Freibrief für eine etwaige Wahl sei, erläuterte Spitzenkandidat Torge Schmidt.
Er kündigte an, dass man „den Kandidaten“ bei solch einem Fraktionsbesuch dann befragen und auf inhaltliche Übereinstimmungen abklopfen werde. Piratenintern bezeichnet man solche Fragerunden auch als „Grillen“. Die Piraten lehnen beispielsweise die Vorratsdatenspeicherung strikt ab. Soll heißen: Je mehr Gemeinsamkeiten es gibt, desto eher kann der SPD-Kandidat auf Piraten-Stimmen hoffen.
Ansonsten wolle man sich weder in ein Regierungs- noch in ein Oppositionslager einzwängen lassen und immer in der Sache entscheiden, und das ganz ohne einen Fraktionszwang, betonten die Nord-Piraten. In Berlin sagte Johannes Ponader, politischer Geschäftsführer der Piraten, seine Partei wolle noch nicht in Regierungsverantwortung, sei aber bereit, durch themenorientierte Zusammenarbeit für „Regierungsfähigkeit“ einer möglichen Dänen-Ampel zu sorgen. Aus Sicht der Piraten würden Regierungskoalitionen ohnehin wie ein „Modell der Achtziger“ erscheinen und seien nicht mehr zeitgemäß.
Mit den Piraten zieht in Kiel auch ein bekanntes Gesicht in den Landtag ein: Angelika Beer, frühere grüne Spitzenpolitikerin und seit 2009 Mitglied der Piraten. Unter deren sechs Parlamentariern ist sie die einzige Frau – und hat als Einzige Erfahrung als professionelle Politikerin.
Mit der Landtagsverwaltung und den anderen Parteien werden sich die politischen Freibeuter offenbar gleich von Anfang an anlegen. So kündigte der Innen- und Rechtsexperte Patrick Breyer, einer der sechs neuen Abgeordneten, an, den Verzicht auf finanzielle Zulagen für parlamentarische Geschäftsführer durchsetzen zu wollen. Ansonsten drohten die Parlamentsneulinge schon mal mit dem Gang vor das Landesverfassungsgericht nach Schleswig. Ferner wolle man sich für das fraktionsübergreifende Gruppenantragsrecht stark machen. Bisher konnten nur Fraktionen Anträge in den Landtag einbringen.
Der Piraten-Bundesvorsitzende Bernd Schlömer genoss unterdessen einmal mehr den Medienrummel um seine Partei. Das Ergebnis in Schleswig-Holstein, wo er zuletzt sogar selbst aktiver Wahlhelfer war, werde eine Signalwirkung für die Wahl am nächsten Sonntag in Nordrhein-Westfalen haben, sagte der 41-Jährige. Grundsätzlich gehe es um fünf Prozent plus x, aber die in Schleswig-Holstein erreichte Marke sei ein Gradmesser, fügte er hinzu.
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