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Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen am Mittwoch in Illkirch.
© AFP

Bundeswehr: Von der Leyen hat das Fundament der Streitkräfte nicht gesichert

Die Verteidigungsministerin ist isoliert und die Führung der 180.000 Soldaten lässt zu wünschen übrig. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Eine Affäre ist es ohne Zweifel, die die Verteidigungsministerin gerade durchzustehen hat. Und was für eine! Ein Terrornetzwerk, rechtsnational, rechtsradikal, in der Bundeswehr – das liest sich nur schon monströs. Noch ist es nicht sicher, ob das stimmt. Aber allein, dass mehr als ein Oberleutnant im Visier der Aufklärer ist, weckt Befürchtungen. Steht es um das demokratische Denken der Soldaten nicht zum Besten?

Der Militärische Abschirmdienst ermittelt in 280 Fällen wegen rechtsradikalen Gedankenguts. Das sind weniger als zwei Prozent aller Berufs- und Zeitsoldaten, wie ein früherer deutscher Nato-General zur Verteidigung der Truppe einwendet, und die sieht er darin als Spiegelbild der Gesellschaft. Richtig ist: Ein Generalverdacht wäre zum jetzigen Zeitpunkt nicht gerecht. Überall wird jetzt ermittelt, ein Urteil ist noch nicht gesprochen. Aber richtig ist auch: Wehret den Anfängen, immer wieder. Schon gar in einer Armee.

Es ist ein zufälliges zeitliches Zusammentreffen, doch erinnert eine Meldung des Tages daran, unter welchem Druck die Bundeswehr heutzutage steht. Dieser Druck besteht im Wettbewerb mit der freien Wirtschaft um die jungen Frauen und Männer auf dem Arbeitsmarkt. Nun ist die Arbeitslosigkeit gegenwärtig auf einem Rekordtief, es gibt gute Jobs. Wer will da schon zu einem Arbeitgeber, der nicht großartig zahlt, aber extreme Leistung verlangt; eine, bei der man in der Not sogar sein Leben geben muss? Attraktivität lässt sich hier nicht einfach erkaufen, zumal der Nachschub von staatlichem Geld auch gar nicht ausreichend vorhanden wäre.

Besorgniserregender Zustand

Jetzt zeigt sich der Fluch der schlechten Tat. Mit der Wehrpflicht war die Bundeswehr tief, jedenfalls tiefer als heute, in der Gesellschaft verankert. Gerade vor diesem Hintergrund werden alle die Versäumnisse und Fehler der vergangenen Jahre deutlich. Nicht nur in den dreieinhalb Jahren der Ursula von der Leyen.

Der Status der Armee ist in jeder Hinsicht besorgniserregend. Nach immer wieder veränderten Bundeswehrplänen – die stets aufs Neue erhebliche Unruhe ins ohnehin schon beunruhigte Umfeld gebracht haben – ist es so: Beim Material fährt, fliegt und schwimmt zu vieles nicht. Bei der Munition drohen Engpässe. Und dann müssen die Streitkräfte auch noch um jeden halbwegs Willigen kämpfen.

Fragen drängen sich auf, die Leyen im Zuge der Affäre wird mitbeantworten müssen. Eine herausragende lautet: Warum hat sie, nach Beurteilung der Lage, nicht von Anfang an das Konzept der Inneren Führung gestärkt? Es ist das attraktivste, das eine deutsche Armee je hatte. Und es ist wie kein anderes geeignet, ja mehr denn je notwendig, die jungen Menschen, die zur Armee kommen, für ihren Dienst zu ertüchtigen. Die müssen doch gerade jetzt noch viel, viel mehr geschult werden, Pflichten und Rechte des „Staatsbürgers in Uniform“ wahrzunehmen.

Die Ministerin hat das Fundament der Streitkräfte nicht gesichert, wie es ihr Auftrag ist. Die Führung der 180.000 Soldaten und 70.000 Zivilangestellten, der ihr anvertrauten Menschen, lässt zu wünschen übrig. Nach allem, was man hört, ist Ursula von der Leyen isoliert, hat sie sich eingebunkert. Um sich zu schützen? Nur ist sie nicht Selbstverteidigungsministerin, sondern „IBuK“, Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt, und hat alle Möglichkeiten einzugreifen.

Noch vier Monate.

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