Homosexualität: „Vom Galgen bis zum Standesamt“
Homosexualität spaltet Länder und Kulturen. Wie es Schwulen, Lesben und Transgendern in ihrem Alltag wirklich geht, entscheidet nicht nur die jeweilige gesetzliche Lage. Diskriminierung ist ein engmaschiges Geflecht von Gesellschaft, Religion und Recht.
Eine kleine Menschentraube demonstriert in der georgischen Hauptstadt Tiflis gegen Homophobie. Plötzlich marschieren tausende Gegendemonstranten auf, angeführt von orthodoxen Priestern, und beginnen, Steine auf die Demonstranten der Parade zu werfen. Die Polizei ist überfordert, versucht die Aktivisten in einen Bus zu zerren, um sie in Sicherheit zu bringen. Die Angreifer lassen nicht locker, zerschießen mit Steinen die Scheiben und bringen den Bus ins Wanken. Viele Menschen bluten und sind verletzt. Es herrscht Chaos. Nur mit Mühe können die Schwulenaktivisten in Sicherheit gebracht werden. Diese Szene in Georgien ereignete sich am 17. Mai, dem internationalen Tag gegen Homo- und Transphobie und ist nur eines von vielen Beispielen für die Diskriminierung von Schwulen und Lesben.
In der südrussischen Stadt Wolgograd haben vor zwei Wochen mehrere Männer einen 23-Jährigen schwer misshandelt und daraufhin getötet, berichten örtliche Medien. Offenbar hatte der Mann bei einem Gespräch gesagt, dass er schwul sei, daraufhin prügelte die Gruppe auf ihn ein. Homosexuelle werden in Russland immer wieder Opfer von Gewalt. Jüngst hat die Regierung ein Gesetz verabschiedet, das „homosexuelle Propaganda“ verbietet. Dazu zählen Schwulen-Paraden oder Gespräche über Homosexualität in der Öffentlichkeit.
Rechtliche Rückschritte gibt es auch in der Ukraine. Dort hat das Parlament die Abstimmung über ein Gesetz gegen die Diskriminierung Homosexueller auf unbestimmte Zeit verschoben. Kommunistische und nationalistische Abgeordnete lehnten den Entwurf der Regierung von Präsident Viktor Janukowitsch ab. In dem Entwurf sollte es Arbeitgebern künftig verboten werden, Bewerber aufgrund ihrer sexuellen Orientierung abzulehnen.
„Ein Blick auf die Welt zeigt ein sehr buntes Muster mit vielen Formen der Ungleichheit“, sagt Renate Rampf, Leiterin des Hauptstadtbüros des deutschen Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD), „Homophobie und Transphobie ist ein weltweites Problem. Die Gesetze reichen vom Galgen bis zum Standesamt.“ Die toleranteste und weltweit beste modernste Verfassung gegenüber Lesben, Schwulen und Transgendern habe Südafrika, erklärt Rampf. Hier ist ein Diskriminierungsverbot aufgrund der sexuellen Orientierung festgeschrieben, seit 2006 ist die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare erlaubt. „Man kann also nicht sagen, dass die EU die tolerantesten Gesetze zur Gleichstellung hat“, sagt Rampf, „dennoch gibt es auch in Südafrika Orte, wo Schwule und Lesben um ihr Leben fürchten müssen.“
Argentinien ist beispielsweise vorbildlich wenn es speziell um die Gleichstellung von Transsexuellen geht. Hier können Transgender in einem unkomplizierten Verfahren das Geschlecht wählen, dem sie sich zugehörig fühlen. „Da ist Deutschland noch weit entfernt“, sagt Rampf.
Neben der Diskriminierung auf der gesetzlichen Ebene, gibt es auch die gesellschaftliche Missachtung. „Das hat zu einer Migration von Homosexuellen geführt“, erklärt Rampf. Schwule und Lesben seien nach wie vor in Großstädten demokratischer Länder am sichersten und dort würden sie auch am häufigsten hinziehen. In Deutschland sei Berlin der Spitzenreiter bei den Zielländern für Schwule und Lesben, erklärt Rampf. Der Gay-Travel-Index 2013 zeigt, in welchen Ländern es für Schwule und Lesben gefährlich ist und wo sie ungestört reisen können. Die Erstplazierten sind Schweden, Belgien und Frankreich. Die Schlusslichter bilden der Iran, die Vereinigten Arabischen Emirate und Russland.
Sowohl in Europa als auch im Ausland sind homophobe Ressentiments vor allem im religiösen Milieus verankert, „und zwar von allen drei Buchreligionen gleichermaßen“. Treibende Kräfte homosexuellenfeindlicher Auswüchse sind häufig auch nationalistische Kreise. Vor allem wenn sie in dem jeweiligen Land einen großen Einfluss genießen. "Sie arbeiten oft mit dem Argument, dass ihnen westliche Werte übergestülpt werden, die nicht zu ihnen passen", erklärt Rampf.
Weltweit zählt der Schwulen- und Lesbenverband 76 Staaten mit homophobem Strafrecht. In Ländern wie Iran, Sudan, Jemen, Mauretanien und den Vereinigten Arabischen Emiraten wird auf Homosexualität die Todesstrafe verhängt. Die Menschen werden öffentlich am Galgen hingerichtet oder gesteinigt. In 115 Staaten gibt es laut LSVD kein homophobes Strafrecht, darunter sind 16 afrikanische und 21 asiatische Staaten. In 14 Ländern weltweit können Schwule und Lesben heiraten und sind im Familienrecht gleichgestellt mit heterosexuellen Paaren. Jüngster Fortschritt in der europäischen Gleichstellung für Schwule und Lesben ist Frankreich: Auch hier können künftig gleichgeschlechtliche Paare heiraten. Die erste Trauung soll am 29. Mai vollzogen werden.
In Deutschland dürfen Paare nicht heiraten, es gibt aber seit 13 Jahren die Form der eingetragenen Lebenspartnerschaft. Auch das ist ein Anfang, so Rampf: „Ob Stadt oder Land, immer mehr Menschen kennen Personen, die in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben. Sie bauen Vorurteile ab, sind bei der Zeremonie dabei und merken, dass das nette Menschen sind, am Land vielleicht auch nette Gartennachbarn. Durch den persönlichen Kontakt bauen die Menschen am ehesten ihre Vorurteile ab.“ (mit dpa)
Manuela Tomic
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