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Helmut Kohl im Dezember 2014 in Dresden.
© dpa

Helmut Kohl wird 85: Viel Geschichte - und ein bisschen Tragödie

Angela Merkel hat Helmut Kohl zum 85. Geburtstag an diesem Freitag "von Herzen" gratuliert. Doch Kohls Verhältnis zu Merkel und der CDU bleibt distanziert.

Er wird jetzt langsam zur historischen Figur. Man erkennt das unter anderem daran, dass die CDU in Rheinland-Pfalz beschlossen hat, ihre Parteizentrale in Mainz nach Helmut Kohl zu benennen. Das Helmut-Kohl-Haus ist ein Geschenk zum 85. Geburtstag, den der frühere Bundeskanzler an diesem Freitag feiert. Man habe sich überlegt, was man einem Mann, „der alles hat“, denn so schenken könne, sagte die Landesvorsitzende Julia Klöckner. Und da sei man eben auf die Idee mit der Namensgebung für die Landesgeschäftsstelle gekommen. So wird Kohl, einst der schwarze Riese aus der Pfalz genannt, nun in seiner Heimat sozusagen parteipolitisch verewigt. Ansonsten wird Klöckner bei Kohl auch selbst vorbeischauen, sie dürfte ein gern gesehener Gast sein, schickt sie sich doch an, bei der Landtagswahl im kommenden Jahr die Union zumindest wieder zur stärksten Kraft zu machen, was sie bis 1987 immer gewesen war. Klöckner bringt Stimmen, und sie ist eine pragmatische Konservative, das hat bei Kohl immer gezählt. Als Ministerpräsident hievte er die CDU 1971 in Rheinland-Pfalz erstmals auf die 50-Prozent-Marke, 1975 waren es dann sogar 53,9 Prozent – da war Kohl schon CDU-Bundesvorsitzender, was er bis 1998 bleiben sollte.

Unwirsch, grantelnd, selbstgefällig

Seither ist er ein Problem für die CDU. Vor allem die Spendenaffäre und seine sture Weigerung, Geldgeber zu nennen (was er als Ehrensache sah, denn Freunde verrät man nicht, so seine Logik), hat ihm über das Juristische hinaus Unverständnis eingetragen. Kohl, schon zu Amtszeiten ein ruppiger Mensch, wirkte hernach oft unwirsch, grantelnd, rechthaberisch, selbstgefällig. Das zeigten zuletzt die Zitate aus einem Interview mit dem Journalisten Heribert Schwan, das drei Jahre nach Kohls Abwahl als Kanzler entstanden war – Grundlage für eine Autobiographie, die Schwan als Ghostwriter schreiben sollte, das er dann aber – gegen Kohls Willen - 2014 als Protokollbuch veröffentlichte. Im Gedächtnis bleiben dürfte vor allem das abschätzige Wort über die frühe Angela Merkel: „konnte ja nicht richtig mit Messer und Gabel essen“.

Helmut Kohl und Angela Merkel auf dem CDU-Parteitag 1991.
Helmut Kohl und Angela Merkel auf dem CDU-Parteitag 1991.
© dpa

Glückwünsche via "Bild"

Es war Merkel, die das Parteidenkmal im Zusammenhang mit der Spendenaffäre stürzte. Er hat ihr das nicht vergessen, und sie dürfte ihm nachtragen, dass er kein sportlicher Verlierer war. Eine echte Versöhnung hat es bisher nicht gegeben, wird es wohl auch nie geben. Aber man wahrt den Anstand. Merkel hat Kohl zum Geburtstag gratuliert, schon am Tag zuvor, via „Bild“-Zeitung. Sogar „von Herzen“. Direkter Überbringer der Wünsche war der Chefredakteur des Blattes, der „Kohl-Versteher“ Kai Diekmann, der in Kohls Haus in Oggersheim schon immer gern gesehen war. Merkel weist in ihrem Beitrag auf die historische Abfolge des Ereignisses hin, mit dem Kohl auch selbst seinen Namen verbunden hat: die deutsche Einheit von 1990. „Die friedliche Revolution haben mutige Menschen in Leipzig, Ostberlin und anderswo in der DDR gemacht, und dann bedurfte es der Entschlossenheit und der Persönlichkeit Helmut Kohls, um das politische Kunststück einer Wiedervereinigung im Einklang mit all unseren Nachbarn und den ehemaligen Alliierten zu vollbringen.“ Gelungen sei ihm das, weil er überall auf der Welt Vertrauen aufgebaut habe. Aber Merkel attestiert Kohl auch „unnachahmliche Wucht“. Und dann wünscht die Kanzlerin ihm noch, dass er mit Zufriedenheit auf seine politische Lebensleistung zurückblicke.

 Die Junge Union verehrt ihn

Merkwürdigerweise ist es in der Partei vor allem die Jugend, die Kohl verehrt – jene Junge Union, die sich zu Amtszeiten eher an ihm gerieben hat, jedenfalls gelegentlich. Nun will die JU ihm ein Video schenken, mit Geburtstagsständchen von einigen hundert Jungunionisten. Die meisten Beiträger haben den aktiven Politiker Kohl gar nicht erlebt (und können vielleicht deshalb in ihm ganz unverdorben den Einheitskanzler und großen Europäer sehen). In der Unions-Fraktion im Bundestag ist die Schar derer, die vor 1998 schon ein Mandat hatten, überschaubar geworden. Drei Dutzend Abgeordnete sind es etwa, die Kohl noch als Kanzler in den Fraktionssitzungen erlebt haben, oft schnoddrig, manchmal pampig, auch jovial oder sogar witzig, wenn auch nicht gerade feinsinnig. Fraktionschef Volker Kauder ist darunter, Staatsministerin Maria Böhmer, Gesundheitsminister Hermann Gröhe, CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt, der wiederauferstehende Norbert Röttgen, mit dem Merkel in einer Weise verfuhr, die dem Machtmenschen Kohl möglicherweise Respekt abgenötigt hat. Oder sein einstiger Parteiknappe Peter Hintze, sogar noch sein früherer Kabinettsminister Heinz Riesenhuber, fast so alt wie Kohl. Und natürlich Wolfgang Schäuble, in dem er mal seinen Nachfolger sah und dann doch wieder nicht, weil Kohl, wie einem dieser Tage gesendeten Fernsehinterview von 2003 zu entnehmen war, vor der Wahl 1998 doch nicht abtreten wollte, weil er meinte, nur er als Regierungschef sei in der Lage, bei der Euro-Einführung die nötige Mehrheit in der schwarz-gelben Koalition zu sichern.

Der Altkanzler und seine zweite Frau Maike Kohl-Richter.
Der Altkanzler und seine zweite Frau Maike Kohl-Richter.
© AFP

 "Gefesselter Riese"

Seit 2008 sitzt Kohl im Rollstuhl, wie Schäuble, und er kann wegen des damals bei einem Sturz erlittenen Schädeltraumas nicht mehr kontrolliert sprechen. Einen gefesselten Riesen hat ihn der frühere österreichische Kanzler Wolfgang Schlüssel genannt. Nach dem tragischen Tod seiner Frau Hannelore hat sich Kohl mit seinen Söhnen Peter und Walter überworfen. Unversöhnlich auch das Verhältnis zwischen ihm und seinem langjährigen politischen Weggefährten Heiner Geißler, was jedoch beidseitig gilt. Kohls Lebensabend gestaltet seine zweite Frau, die einstige Regierungsbeamtin Maike Kohl-Richter, die nach 1994 einige Jahre im Kanzleramt und später im Wirtschaftsministerium arbeitete. 2009 haben sie geheiratet. Sie wird auch die Gästeliste an diesem Freitag durchgegangen sein. Kohl begeht seinen Festtag eher ruhig, empfängt die ausgewählten Gratulanten. Offiziell wird die CDU zu Kohls Ehren im Sommer ein Symposium in der Adenauer-Stiftung in Berlin veranstalten.

Albert Funk

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