Schweden nach den Ikea-Morden: Vertrauen in etablierte Medien sinkt
Nach den Ikea-Morden müssen sich Schwedens Zeitungen gegen den „Lügenpresse“-Vorwurf beim Thema Migration wehren. Im Internet blüht hingegen die Gerüchteküche.
„Frisieren“ Schwedens Medien die Wahrheit, vor allem beim sensiblen Thema Migration? Die Diskussion dieser Frage war bislang einschlägigen Foren im Internet vorbehalten. Jetzt ist sie zum Leitartikel-Thema der größten Zeitungen aufgestiegen. Anlass ist der Mord an zwei – offenbar willkürlich ausgewählten – Einheimischen in einer Ikea-Filiale im mittelschwedischen Västerås.
Die Tat gestanden hat ein Mann aus Eritrea, dessen Asylantrag kurz zuvor abgelehnt worden war. Entgegen der üblichen Praxis bei Kriminalfällen hatten die etablierten Medien zwar rasch über die Herkunft des mutmaßlichen Mörders berichtet, nachdem die Polizei diese unter dem Druck der Öffentlichkeit ungewöhnlich früh bekannt gegeben hatte. Informationen zu Einzelheiten und Hintergründen der Tat suchten viele aber an anderer Stelle. Die Gerüchteküche in Internetforen wie Flashback und auf Hetz-Plattformen wie Avpixlat und Fria Tider brodelte; in sozialen Medien erzielten die Websites Berechnungen des Medienmagazins „Resumé“ zufolge insgesamt größere Reichweiten als das Zweiergespann der Internetseiten von öffentlich-rechtlichem Rundfunk und Fernsehen.
"Aftonbladet" beteuert, im Ikea-Fall keine Fakten unterschlagen zu haben
Die Überzeugung, Schwedens traditionelle Medien unterschlügen „als Handlanger des Etablissements“ missliebige Fakten, sei inzwischen so weit verbreitet, dass man sie nicht mehr als Hirngespinst eines Häufleins Verwirrter abtun könne, konstatiert der Kommunikationsexperte Anders Mildner in der liberal-konservativen Zeitung „Svenska Dagbladet“. Erschüttert zeigt sich Oisín Cantwell, Kolumnist beim Boulevardblatt „Aftonbladet“. Nie zuvor in seiner langjährigen Tätigkeit habe er dergleichen erlebt, schrieb Cantwell über einen Nachrichtenartikel, in dem „Aftonbladet“ beteuert, im Zusammenhang mit dem Ikea-Fall keine Fakten vertuscht und nichts als die Wahrheit berichtet zu haben: „Das ist, als würde man melden: Das Wasser ist nass.“ Und die liberale Zeitung „Dagens Nyheter“ schickte ihren Chefredakteur ins Rennen – er könne bezeugen, dass seine Redaktion stets um wahrheitsgemäßes Berichten bemüht sei, heißt es in dem von Peter Wolodarski signierten Leitartikel.
Angesichts des wachsenden Zuspruchs für Medien, die sich um Presseethik nicht scherten, sei eine Einschränkung der Pressefreiheit künftig nicht auszuschließen, so Wolodarski. Auch Presse-Ombudsmann Ola Sigvardsson warnt: „Der verantwortungsbewusste Umgang mit Informationen ist Voraussetzung für die Meinungs- und die Pressefreiheit. Werden diese Freiheiten missbraucht, können sie beschnitten werden.“ Als Nutznießer der „Lügenpresse“-Vorwürfe erweisen sich wieder einmal die einwanderungskritischen rechtspopulitischen Schwedendemokraten. Mit 17,8 Prozent der Wählersympathien erzielte die Partei unter Jimmie Åkesson am Freitag die bisher höchsten Werte in einer Untersuchung des Meinungsforschungsinstituts Ipsos. Kurz zuvor hatte bereits Novus mit 19,4 Prozent neue Rekordwerte für die Schwedendemokraten vermeldet.