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Undurchsichtige Großprojekte. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen bemängelte Intransparenz bei jedem der 15 größten Vorhaben ihres Hauses – das ganze Rüstungswesen sei ein Skandal.
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Rüstungsgeschäfte unter der Lupe: Verteidigungsministerin von der Leyen räumt auf

Nichtwissen ist nicht, findet die Ministerin und kniet sich ins Thema Rüstung rein. Gleich zwei hohe Beamte verlieren nach dem ersten „Rüstungsboard“ ihren Job.

Der Herr Staatssekretär Beemelmans, sagt ein Abgeordneter, der ihn am Mittwoch noch einmal im Verteidigungsausschuss erlebt hat – „der Beemelmans war schon auf Abschiedstournee“. Und weil das ziemlich viele unter den Verteidigungsexperten zumindest ahnten, hat sein letzter Auftritt womöglich noch mehr Kopfschütteln ausgelöst als unter normalen Umständen. Quasi in einem Nebensatz, sagt der Zeuge, habe Beemelmans die Verteidigungsexperten wissen lassen, dass die letzte Tranche des Eurofighters nicht gekauft wird. Für Experten ist das eine wichtige Nachricht. Sie fühlten sich nicht ernst genommen, wieder mal. Das Murren sei lautstark gewesen.

Dass die Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen sich von Beemelmans ebenfalls nicht ernst genug genommen fühlte, war etlichen dieser Abgeordneten aber schon klar, weil Leyen ihnen das selbst in diesen Tagen gesagt hat. Und so wunderten sich die Obleute der Fraktionen auch nicht, als ihnen die Ministerin am Donnerstagfrüh mitteilte, dass sie Beemelmans rauswirft und Rüstungsdirektor Detlef Selhausen auf einen Posten versetzt, wo er mit Eurofightern, Euro Hawks und Tiger-Hubschraubern garantiert nichts mehr zu tun hat.

Einen „personellen Neustart“ nennt Leyen später vor Kameras diese Enthauptung der Rüstungsabteilung. Und dass er notwendig geworden sei, um einen Prozess in die Gänge zu bekommen, den ihr Vorgänger Thomas de Maizière schon angeschoben habe: Transparenz und Planungssicherheit in das Beschaffungswesen der Bundeswehr zu bekommen. Ein gutes Projekt von Maizière, wie gesagt, nur müssten die beiden Herren gehen, damit dieser Prozess „von allen im Haus gelebt werden kann“.

Beemelmans wird mit 48 Jahren in den einstweiligen Ruhestand versetzt.
Beemelmans wird mit 48 Jahren in den einstweiligen Ruhestand versetzt.
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Nun muss man wissen, dass Beemelmans seit eineinhalb Jahrzehnten der engste Weggefährte Maizières war, der ihn der Nachfolgerin bei seinem Abschied aus dem Bendlerblock auch noch wärmstens ans Herz legte. Schon damals vermuteten aber Leute, die den Staatssekretär und seine neue Chefin kannten, dass er den ersten Rüstungsskandal nicht überleben werde. Aber es brauchte gar kein konkretes Vorkommnis. Leyen fand, dass das Rüstungswesen in ihrem Haus insgesamt ein Skandal sei.

Zu Tage gekommen, sagen Beteiligte im Ministerium, sei das bei den Vorbereitungen ausgerechnet zu einem Treffen, das Maizière und sein Beemelmans als Konsequenz aus der „Euro-Hawk“-Affäre eingerichtet hatten. Dieses „Rüstungsboard“ soll zwei Mal jährlich tagen und etwas gewährleisten, was es bisher im Ministerium nie gab: dass sich nämlich von der politischen Spitze bis zu den Abteilungsleitern alle an einen Tisch setzen und den Stand der 15 größten und wichtigsten Rüstungsprojekte festhalten. Diese Statusberichte inklusive aller Probleme und Risiken soll, sorgsam in ein Formular gefasst, auch das Parlament erhalten.

Das „Rüstungsboard“ wurde wenig überraschend zum Tribunal

Das „Rüstungsboard“ traf sich am Mittwochabend zum ersten Mal. Dass sie beide das nicht überleben würden, müssen Beemelmans und Selhausen eigentlich vorher gewusst haben. Seit Wochen hatte Leyens Kerntruppe um ihren Vertrauten seit niedersächsischen Zeiten, Staatssekretär Gerd Hoofe, und Generalinspekteur Volker Wieker immer wieder die eingereichten Berichtsentwürfe zurückgehen lassen. Bei keinem einzigen der 15 Großprojekte, vom Transportflieger A400M bis zur neuen Digitalfunk-Plattform, sei ein klares Bild entstanden, erzählen Insider.

Dabei hatte Leyens Mannschaft durchaus den Eindruck, dass es dieses klare Bild gibt. Es wurde nur auf dem Weg von unten aus den Fachabteilungen nach oben oft schwammiger – um das Mindeste zu sagen. Denn was soll ein Parlamentarier denken, wenn ihm auf eine Frage hin ein aktuelles Großvorhaben als „vielversprechend“ verkauft wird, während die Fachabteilung vermerkt hatte, man könne über dessen Nützlichkeit belastbar noch nichts sagen? Zumal es ja Parlamentarier gibt, die die Telefonnummern der Fachabteilungen kennen.

So wurde das „Rüstungsboard“ wenig überraschend zum Tribunal. Leyen fand die Auskünfte ihrer Spitzenleute nicht überzeugend und weigerte sich, auch nur einen einzigen der Statusberichte zu billigen. Anderntags informierte sie die Obleute der Fraktionen über die Personalien – und darüber, was sie sich ausgedacht hat, um dem Schönreden, Vermauscheln und Vertuschen von Problemen im Rüstungswesen ein Ende zu machen. Eine externe Unternehmensberatung soll den Sektor gemeinsam mit den Fachabteilungen durchleuchten und Vorschläge machen, wie eine offene Fehlerkultur von unten nach oben entstehen kann. Auch ein Vertragscontrolling soll her, um das oft in Jahrzehnten gewachsene Dickicht der Vertragswerke zu lichten. In etwa drei Monaten sollen die Statusberichte, die eigentlich am Mittwoch vorliegen sollten, auf einem Stand sein, der für die Neue im Ministeramt nachvollziehbar ist und ihr Entscheidungen erlaubt.

Leyen, sagt ein Abgeordneter, der dabei war, habe klar gesagt, dass sie sich in das Thema reinknieen werde. Die Methode müsse ein Ende haben, dass Minister sich auf Nichtwissen herauszureden versuchten. Wer da gemeint war, hat Leyen nicht gesagt. Aber die Abgeordneten haben, jeder für sich, an diesen Vorgänger gedacht und an jenen – und insgesamt an ziemlich viele.

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