Ursula von der Leyen: Verteidigungsministerin in eigener Sache
Noch tut Ursula von der Leyen inhaltlich so wenig, dass nicht erkennbar wird, ob sie ihr Ministerium und ihre Aufgabe im Griff hat. Das muss sich ändern - das ist die beste Verteidigung gegen Kritik. Ein Kommentar.
Wenn das, was Karl-Theodor zu Guttenberg gemacht hat, eine Inszenierung war, dann ist das, was seine Nachnachfolgerin Ursula von der Leyen gerade tut, nicht besser. Sie hat sich damit beim Koalitionspartner, aber auch innerhalb der eigenen Reihen angreifbar gemacht, nur es scheint so, als pralle das an ihr ab, als wolle sie sich gar nicht aus dem Schussfeld bringen. Die Verteidigungsministerin in eigener Sache: Das hat auch etwas Beängstigendes. Einspruch zwecklos? Das wird der Kanzlerin nicht gefallen.
Zumal bisher nicht zur Strategie gerinnt, was sie tut. Will sagen: Noch tut sie so wenig inhaltlich, dass nicht erkennbar wird, ob Leyen ihr Ministerium und ihre Aufgabe – und umgekehrt – im Griff hat. Und was sie mit dem ihr anvertrauten Amt vorhat, ist nicht klar ersichtlich. Angefangen hatte die Ministerin, indem sie ihre Erfahrungen aus dem Familien- und dem Arbeitsressort einbrachte. Das war ein neuer Zungenschlag und durchaus willkommen; auch die Arbeitswelt und das Arbeitsumfeld der Soldaten haben sich verändert. Und doch ist das soldatische Handwerk noch etwas anderes, zumal dann, wenn es die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln garantieren soll. Mehr denn je, geht es nach den Äußerungen der Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt recht rasch nach Amtsantritt, und recht offensiv dazu. Bei Einsätzen kann es tödlich werden. Dessen eingedenk ist das Wehrressort dann eben doch nicht mit irgendeinem ihrer vorhergehenden zu vergleichen. Die Verantwortung gehorcht einem anderen Maßstab.
Anspruchsvolle Fragen warten auf Antwort
Das Ressort ist ein Querschnittsministerium, mit allem, was die Politik zu bieten hat. Das Führen von Menschen, vielen Menschen, Material zuhauf, Investitionen in Milliardenhöhe, Innovationen, dazu internationale Verflechtungen und Verpflichtungen. Was Leyen mindestens mittelfristig im europäischen Maßstab an militärisch-operativen Kooperationen in die Wege leiten will; was sie im Bereich Cimic, also im Bereich ziviler und militärischer Kooperationen möglich machen will; was sie im Bereich der Rüstungskooperationen umsetzen will – das sind offene Fragen, große, international anspruchsvolle. Sie warten auf Antworten. Nicht erst, seitdem Leyen Ministerin ist, aber jetzt umso drängender. Auch deshalb, weil alles an ihr so vorwärtsdrängend wirkt. Doch geht es auch voran?
Das Hin und Her um mehr Geld, mal ja, mal nein, mal auf mittlere Sicht, erweckt nicht den Eindruck. Nebenbei kann es Leyen den Schutz des Finanzministers, des Schatzkanzlers, kosten, der bisher nicht ganz unerheblich dafür war, dass sich keiner so recht mit Kritik an Leyen herangetraut hat. Wolfgang Schäuble wird aber nicht zulassen, dass sein großes, übergeordnetes, von der Kanzlerin übernommenes und ausdrücklich gestütztes Ziel, die schwarze Null im Bundeshaushalt, von der Verteidigungsministerin mit unbilligen Forderungen für ihren Etat gefährdet wird. Niemals. Darum sollte sie sich die Ausgabenstruktur genau anschauen und das Geld gezielt einsetzen. Dass sie kein Geld zurückgeben muss, wenn es nicht für den geplanten Zweck ausgegeben wurde, sondern da, wo Mangel herrscht – darüber lässt sich sicher Einvernehmen herstellen. Es müssen, mal als Beispiel, keine 500 Fußbälle angeschafft werden, nur weil das so vorgesehen war.
Bunkert sich Ursula von der Leyen schon ein?
Und dann das Ministerium. Leyen bunkere sich ein, heißt es schon. Sie vertraue nur wenigen, nur den ihr Vertrauten. Das ist, wenn es denn so ist, richtig und falsch zugleich. Falsch ist, nicht auf Rat zu hören. Richtig ist Skepsis. Wenn die Bundeswehr schlecht dasteht, hat das natürlich auch etwas mit dem Chefplaner, dem Chefberater der Regierung, mit dem Generalinspekteur zu tun. Und mit den Inspekteuren von Heer, Luftwaffe und Marine. Wenn alles wahr ist, was behauptet wird über die Bundeswehr – höchst bedingt einsatzbereit zu sein –: schlecht. Ist es nicht wahr, und das Behauptete dient nur dazu, mehr Geld herauszuholen: auch schlecht.
Leyen kann sich auf ihrem Feld in Szene setzen – indem sie inhaltlich wird. Das ist die beste Verteidigung.