Nigeria: Versuch einer Versöhnung
1995 wurde Umweltaktivist Ken Saro Wiwa in Nigeria hingerichtet – jetzt zahlt Shell 15,5 Millionen Dollar. Der Ölkonzern will die Einigung nicht als Geständnis gewertet sehen.
Fast 14 Jahre nach der Hinrichtung des nigerianischen Schriftstellers Ken Saro Wiwa und acht seiner Mitstreiter durch die damalige Militärjunta in Nigeria hat die Schadensersatzklage der Angehörigen gegen den Ölkonzern Shell am Dienstag einen unerwarteten Ausgang genommen. Eine Woche vor der Aufnahme eines Verfahrens gegen Shell in den USA einigte sich das Unternehmen am Dienstag außergerichtlich mit den Familien der hingerichteten Männer auf eine Entschädigungszahlung in Höhe von 15,5 Millionen Dollar (rund elf Millionen Euro). Allerdings betonte der Konzern, dass dies kein Schuldeingeständnis sei.
Das Unternehmen, das im nigerianischen Nigerdelta Öl fördert, streitet nach wie vor jegliche Beteiligung an den damaligen Menschenrechtsverstößen in Nigeria entschieden ab. Vielmehr sei die Zahlung als „Teil eines Versöhnungsprozesses“ zu verstehen, erklärte der Konzern. In der Anklageschrift war Shell unter anderem bezichtigt worden, dem Militärregime in den 90er Jahren bei der Beschaffung von Waffen geholfen zu haben. Daneben wurde dem Unternehmen vorgeworfen, bei der Festnahme und der Hinrichtung Saro Wiwas geholfen zu haben.
Der Schriftsteller hatte jahrelang mit bemerkenswertem Medienerfolg einen Feldzug gegen seine Regierung und den Ölkonzern angeführt, die er für Umweltzerstörungen im Nigerdelta verantwortlich machte. Zugleich forderte er eine gerechtere Verteilung der Öleinnahmen. Vor allem die im Nigerdelta lebende Ogoni-Bevölkerung sollte einen höheren Anteil und damit eine Art Entschädigung für Umweltbelastungen erhalten.
Paul Hoffman, der die Familien vor Gericht vertrat, zeigte sich mit dem Ergebnis der Einigung zufrieden. „Wir haben Shell 13 Jahre lang verklagt – und nun werden die Kläger tatsächlich für die von ihnen erlittenen Menschenrechtsverstöße kompensiert.“ Ein Teil des von Shell gezahlten Geldes soll den Klägern zugutekommen, ein weiterer dem Ogoni-Volk, mit dem Rest sollen Anwaltskosten beglichen werden. Die Kläger hatten sich auf ein US-Gesetz berufen, nach dem sich Unternehmen mit einer umfangreichen Vertretung in den USA überall auf der Welt auch an US-Gesetze halten müssen.
Am 10. November 1995 waren der Schriftsteller Ken Saro Wiwa und acht seiner Freunde unmittelbar nach einem weltweit als Farce bezeichneten Militärgerichtsverfahren in Nigeria gehängt worden. Ihnen war vorgeworfen worden, vier Führer im Nigerdelta ermordet zu haben.
Shell selbst setzt sich seit Jahren gegen die Vorwürfe einer Mittäterschaft zur Wehr und verweist dabei auf die Verantwortung der nigerianischen Regierung, die es versäumt habe, im Nigerdelta für eine akzeptable Infrastruktur zu sorgen. Seit drei Jahren veröffentlicht Shell, wie viel Geld das Unternehmen an die nigerianische Bundesregierung zahlt. „Allzu oft wird übersehen, dass der Staat in Nigeria den mit Abstand größten Teil der Öleinnahmen erhält – in Form von Steuern, Förderabgaben und einer direkten Beteiligung an der staatlichen Ölgesellschaft NNPC“, sagt Sprecher Rainer Winzenried. Den Gesetzen des westafrikanischen Staates zufolge überweist die Zentralregierung einen gewissen Prozentsatz der Öleinnahmen an die Bundesstaaten. Zuletzt sind angeblich fast 40 Prozent an die vier Staaten im Nigerdelta geflossen.
Seit dem Tod Ken Saro Wiwas ist der Protest der Ogoni zunehmend gewalttätig geworden. Immer wieder werden Pipelines beschädigt und Mitarbeiter von Ölfirmen verschleppt. Shell hat seine Produktion in Nigeria inzwischen reduziert. Auch die US-Ölriesen Chevron und Exxon-Mobil sowie die französische Total und Italiens ENI sind hier aktiv. Ihre Ölquellen befinden sich allerdings größtenteils vor der Küste.
Der Erfolg der Kläger könnte nun weitere Verfahren nach sich ziehen. Shell drohen konkret Klagen von Ogoni in New York und Umweltschützern in den Niederlanden. Die Leiterin des internationalen Programms der Umweltschutzorganisation Friends of the Earth in den USA, Elizabeth Bast, prophezeite dem Shell-Management für die Zukunft ein ständiges Pendeln zwischen Vorstandssitzungen und Gerichtsverhandlungen. (mit AFP)
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