Willy-Brandt-Flughafen: Verspäteter Start in Schönefeld
Der Willy-Brandt-Flughafen wird später als geplant in Betrieb gehen. Das kostet Nerven und Geld. Wie groß ist der Schaden?
Die Nachricht überraschte am Dienstag alle. Probleme beim Brandschutz verzögern die Eröffnung des Flughafens Berlin Brandenburg um unbestimmte Zeit. Knapp vier Wochen vor der geplanten Inbetriebnahme sind Planer und Verantwortliche in Erklärungsnot.
Was ist das Problem?
Offiziell sagt die Flughafengesellschaft, die Zeit reiche nicht mehr aus, um die Entrauchungsanlage zu testen und abzunehmen. Sie sei wegen ihrer Größe in dem 300 000-Quadratmeter-Bau äußerst komplex. Einzelne Tests hätten auch schon stattgefunden und seien erfolgreich gewesen, hatte der für den Bau zuständige Flughafengeschäftsführer Manfred Körtgen noch vor wenigen Tagen erklärt. Alle Anlagen seien eingebaut; Probleme gebe es jetzt beim Zusammenführen der einzelnen Komponenten. Da man nicht garantieren könne, dass derzeit bei einem Brand die Evakuierung des Terminals gesichert wäre, könne der Betrieb nicht aufgenommen werden.
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Gibt es auch andere Ursachen?
Die Flughafengeschäftsführer Rainer Schwarz und Manfred Körtgen sagen: Nein. Experten, die die Baustelle kennen, hatten allerdings schon seit Wochen erhebliche Zweifel, ob der Termin gehalten werden kann. Auch der Aufsichtsrat hatte zuletzt weiteres Geld lockergemacht, um die Arbeiten zu beschleunigen, wie der Regierende Bürgermeister und Aufsichtsratsvorsitzende Klaus Wowereit (SPD) am Dienstag nochmals bestätigte. Die Begründung mit dem fehlenden Brandschutz führt jetzt aber dazu, dass fast alle Verständnis für das Verschieben des Eröffnungstermins haben, denn Sicherheit gehe nun mal vor, heißt es nun übereinstimmend.
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Warum wusste man das nicht früher?
Wer was seit wann genau gewusst hat, ist eine unbeantwortete Frage. Die Flughafengesellschaft erklärt selbst, die geplante Inbetriebnahme zum 3. Juni habe sich zuletzt „zu einem regelrechten Wettlauf gegen die Zeit“ entwickelt. Zumindest den Flughafenplanern war also schon länger klar, dass es bei der Terminplanung eng werden kann. Trotzdem hatten sie stets Optimismus verbreitet und unisono verkündet, der 3. Juni stehe als Termin felsenfest. Wowereit als Aufsichtsratschef betonte am Dienstag, er habe bis zum Wochenende diesen Angaben geglaubt und den 3. Juni immer „mit reinem Gewissen“ als Termin bestätigt. Warum der Aufsichtsrat nicht früher von den Problemen erfuhr, solle jetzt geklärt werden, kündigte Wowereit an. Vorher werde es auch keine Konsequenzen geben. Dass der Termin an einer Entrauchungsanlage scheitere, dass große Firmen und erfahrene Experten „so ein Ding nicht hinkriegen, dafür hat mir bislang die Fantasie nicht ausgereicht“, sagte er.
Wer hat Schuld und wer haftet?
Diese Fragen dürfte am Ende Gerichte beschäftigen, wenn es um zivilrechtliche Schadenersatzforderungen geht, die Airlines, Hoteliers und Gastronomen an die Berliner Flughäfen richten könnten. Die Flughafen-Chefs dürften versuchen, die Verantwortung an die Unternehmen weiterzureichen, die am Bau und Einbau der Entrauchungsanlage beteiligt sind: Das seien unter anderem Siemens und Bosch, teilten die Flughäfen mit. Diese wiesen die Verantwortung prompt zurück: Von Siemens sei noch ein einzelnes Objekt in Fertigstellung. „Dieses kann erst fertiggestellt und abschließend geprüft werden, wenn vorgelagerte Projektschritte abgeschlossen sind.“ Auch bei Bosch teilte man mit, man sei nicht verantwortlich und liege voll im Zeitplan. Gut möglich, dass Bund und Länder also am Ende die Kosten tragen müssen. Wie man hört, liegen die Baukosten schon mehr als zehn Prozent über den veranschlagten 2,5 Milliarden Euro. Was an Haftungskosten dazukommt, ist noch offen.
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Wann soll der Flughafen in Betrieb gehen?
Einen genauen Termin gibt es noch nicht. Fest steht: nicht vor dem Ende der Sommerferien Anfang August. Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) hofft auf die „zweite Augusthälfte“. Wowereit sagte, der Zeitraum der Verschiebung solle „so gering wie möglich“ gehalten werden, denn „das kostet ja alles Geld“. Genannt werden unter der Hand Zusatzkosten von 15 Millionen Euro monatlich. Ob das veranschlagte Budget in Höhe von 2,5 Milliarden Euro ausreichen wird, ließ Wowereit am Dienstag offen. Der finanzielle Spielraum sei aber eng geworden. Wowereit erwartet, dass die Flughafengesellschaft mögliche Mehrkosten selbst finanzieren wird. Die Gesellschafter Berlin, Brandenburg und der Bund haben bisher 440 Millionen Euro beigesteuert.
Enttäuschung bei den Airlines
Wie reagieren die Airlines?
Air Berlin, die größte Gesellschaft am Ort, reagierte „mit großer Enttäuschung“ auf die Verschiebung. Alle Infrastrukturmaßnahmen und alle Flugpläne des Unternehmens seien auf den 3. Juni dieses Jahres am neuen Flughafen Berlin Brandenburg ausgerichtet, den die Gesellschaft zu einem ihrer Drehkreuze ausbauen will. Air-Berlin-Chef Hartmut Mehdorn sagte, alle Beteiligten würden vor „gewaltige logistische Probleme“ gestellt, „die außerdem erhebliche noch nicht kalkulierbare Mehrkosten verursachen werden“. Das neue Air-Berlin-Drehkreuz sei so konzeptioniert, dass Flugzeuge täglich in sechs Wellen sternförmig nach Berlin fliegen. Fluggäste könnten somit in kurzer Zeit umsteigen und weiterfliegen. Dieses System sei in Tegel nicht ohne Weiteres möglich.
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Enttäuschung und Kritik kam auch vom Konkurrenten Lufthansa. „ Insbesondere bedauern wir, dass wir dadurch unseren Fluggästen nicht wie geplant den Komfort des neuen Hauptstadtflughafens anbieten können“, sagte ein Sprecher. An der geplanten Ausweitung des Flugplans aus Berlin wolle man aber festhalten. Die geplanten zusätzlichen Flüge sollten in jedem Falle starten.
Bei der Billigfluggesellschaft Easyjet, die bisher nur in Schönefeld stationiert ist, dort aber die größte Airline ist, zeigte man Verständnis. „Easyjets absolute Priorität ist die Sicherheit seiner Passagiere und Crew. Deshalb befürworten wir die Entscheidung des Flughafens“, sagte Thomas Haagensen, Geschäftsführer von Easyjet Deutschland. Bis zur Eröffnung werde das Unternehmen seine Flüge weiterhin von Berlin Schönefeld abwickeln.
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Können die Flieger tatsächlich weiter von Tegel und Schönefeld aus fliegen?
Ja – heißt es heute. Der Umzug war zwar vorbereitet, ist aber jetzt sofort gestoppt worden. Die beiden Flughäfen könnten auch den für den neuen Flughafen geplanten Mehrverkehr aufnehmen, sagte Flughafenchef Schwarz. So seien die meisten der zusätzlichen Lufthansa-Flüge zeitlich so geplant, dass sie in Tegel in verkehrsschwächere Stunden fielen. Keiner der für den BER-Flughafen vorgesehenen Flüge müsse ausfallen, versprach Schwarz. Insider verweisen allerdings darauf, dass es in Tegel schon jetzt extrem eng sei; für Flugzeuge fehlten bereits heute Abstellmöglichkeiten.
Was sollen Passagiere tun?
Ob ein Flug ausfällt oder verschoben wird, weiß letztlich nur der Reiseveranstalter oder die Fluggesellschaft – und auch das erst in einigen Tagen, da diese erst am Dienstag mit der Überarbeitung der Flugpläne begonnen haben. Alle Fluggesellschaften haben Info-Hotlines (siehe Kasten). Wer seinen Flug direkt bei Air Berlin, Lufthansa oder Easyjet gebucht hat, könnte theoretisch ein Problem bekommen. „Wenn die Fluggesellschaft mindestens zwei Wochen vor dem Abflug den Flug annulliert, muss sie nur das Geld für den Flug erstatten“, sagt Sabine Fischer-Volk von der Verbraucherzentrale Brandenburg. Schadensersatzansprüche bestünden nicht, da nicht die Fluggesellschaft schuld sei. Auch eine Reiserücktrittsversicherung hilft nicht. Im schlechtesten Fall müsste man einen neuen Flug buchen, der kurzfristig meist teurer ist. Bessere Karten hat, wer über einen Reiseveranstalter gebucht hat – meist sind das Pauschalreisen. „Der Reiseveranstalter ist in der Pflicht, dass der Reisevertrag erfüllt wird“, sagt Verbraucherschützerin Fischer-Volk. Die Reiseveranstalter sorgen dann für neue Flüge, geben Karten für die Bahn aus, organisieren Busse und Übernachtungen.