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SPD-Kanzlerkandidat Schulz kennt sich mit Wahlkämpfen aus - dreimal war er SPD-Spitzenmann für Europa.
© Markus Scholz/dpa

Wahlkämpfer Martin Schulz: Verloren, verloren, gewonnen

Wer wissen will, welche Qualitäten SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz als Wahlkämpfer mitbringt, muss sich sein Abschneiden bei den letzten drei Europawahlen anschauen - die Bilanz ist gemischt.

Europa kommt nach der Bundespolitik bestenfalls an zweiter Stelle. Martin Schulz hat selbst einmal vor Jahren, als er lediglich auf der Bühne des EU-Parlaments in Brüssel und Straßburg bekannt war, bei einem Vortrag im Willy-Brandt-Haus auf das Schattendasein der Europapolitiker hingewiesen. Doch das ist vorbei, seit er SPD-Kanzlerkandidat ist: Kaum ein Politiker in Deutschland steht derzeit so im Zentrum der Aufmerksamkeit wie Schulz. Der 61-Jährige steht zwar erst am Anfang eines langen Wahlkampfs. Aber wer eine Antwort auf die Frage nach seinen Qualitäten als Wahlkämpfer sucht, wird in seiner Brüsseler Zeit fündig. Schulz ist dreimal als Spitzenkandidat der SPD bei Europawahlen in Deutschland angetreten: 2004, 2009 und 2014.

2004: Abstrafung der SPD

Als Schulz 2004 das erste Mal SPD-Spitzenmann war, hatte das Ende der rot-grünen Ära in Berlin bereits begonnen. Bei der Europawahl 2004 blieben die SPD-Wähler wegen der Agenda-Politik des damaligen Kanzlers Gerhard Schröder (SPD) massenhaft zu Hause. Der Frust schlug sich für Schulz und seine SPD-Mitstreiter in einem massiven Stimmenverlust von 9,2 Prozentpunkten gegenüber der letzten Europawahl 1999 nieder. Im folgenden Jahr erhielt auch Schröder bei der Bundestagswahl im Duell mit Angela Merkel (CDU) die Quittung für die damaligen hohen Arbeitslosenzahlen – er wurde abgewählt.

2009: Der Tiefpunkt - nur 20,8 Prozent

Der nächste Gegner für Kanzlerin Merkel war im Bundestagswahlkampf 2009 auf Seiten der SPD Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier, der seine Partei lediglich auf einen Stimmenanteil von 23 Prozent brachte. Noch schlechter hatte die SPD im selben Jahr zuvor bei der Europawahl abgeschnitten; sie kam mit ihrem Spitzenmann Schulz nur auf 20,8 Prozent. Es war der Tiefpunkt in Schulz’ Karriere. In jenem Jahr kam der Parteienforscher Gero Neugebauer allerdings auch zu der Einschätzung, dass Personen im Europawahlkampf keine Rolle spielten, sondern eher Parteineigungen.

2014: Über dem Durchschnitt

Der Grundsatz, dass Personen für den Ausgang von Europawahlen nicht entscheidend sind, verlor 2014 seine Gültigkeit. Denn zwei Jahre zuvor war Schulz EU-Parlamentspräsident geworden. Das Amt nutzte er zur politischen Einflussnahme – mit der entsprechenden öffentlichen Aufmerksamkeit. Schulz, der bei der Europawahl vor drei Jahren gegen den Luxemburger Jean-Claude Juncker auch als Spitzenkandidat der gesamten sozialdemokratischen Parteienfamilie in der EU antrat, war also kein Unbekannter mehr. Auch die politische Gesamtwetterlage hatte sich geändert: EU-Themen wie das damals noch geplante Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP), die Griechenland-Krise und die Bankenrettung mobilisierten damals die Wähler. Schulz bescherte der SPD einen Stimmenanteil von 27,3 Prozent – was oberhalb der SPD-Umfragewerte in jenem Jahr lag.

Das gute Abschneiden von Schulz dürfte auch mit der vergleichsweise breiten medialen Berichterstattung über den letzten Europawahlkampf zusammenhängen. Das Spitzenkandidaten-Duell zwischen Schulz und Juncker wurde in Deutschland zur besten Sendezeit ausgestrahlt. Viele Wähler fragten sich allerdings angesichts der zahlreichen inhaltlichen Übereinstimmungen zwischen den beiden Kandidaten, worin denn eigentlich der Unterschied zwischen dem Sozialdemokraten Schulz und dem Christsozialen Juncker bestehe.

Einen Schmusekurs wie 2014 wird es diesmal wohl nicht geben

Bei der politischen Auseinandersetzung zwischen Schulz und Merkel dürften die Fronten hingegen klarer sein, da der SPD-Kandidat das Thema der sozialen Gerechtigkeit in Deutschland in den Mittelpunkt rücken will. Gleichzeitig wäre es keine Überraschung, wenn Schulz ähnlich wie bei der Europawahl 2014 für größere Zugeständnisse an die Krisenländer im Süden der Euro-Zone werben und in dieser Frage den Konflikt mit Merkel suchen würde. In der Vergangenheit war Griechenland allerdings nicht gerade ein Gewinnerthema für den SPD-Mann: In der heißen Phase des Europawahlkampfs 2014 machte er entgegen der ursprünglichen Planung einen Bogen um Hellas, weil er dort ohnehin kaum mit Stimmen rechnen konnte.

In Deutschland hatte sich Schulz zuvor wenig Freunde mit seiner Forderung gemacht, Euro-Bonds einzuführen – also einen Teil der Schulden der Staaten in der Währungsunion zu vergemeinschaften. Nicht nur Kanzlerin Merkel lehnte das Vorhaben ab, sondern auch die eigene Partei. Im März 2014 musste der heutige SPD-Kanzlerkandidat zugeben, dass es für Euro-Bonds „in absehbarer Zeit keine Mehrheiten gibt“.

Damals wie heute besteht Schulz’ Stärke indes darin, Stimmungen aufzunehmen und plakative Botschaften daraus zu machen. So begründete er 2014 die Forderung einer verstärkten Mitsprache der Bevölkerung bei der Bestimmung des EU-Kommissionschefs mit den Worten: „Das Empfinden von Millionen Menschen ist: Die in Brüssel entscheiden über mich, aber ich weiß nicht, wer das ist, und habe darauf keinen Einfluss.“ Auch für den Bundestagswahlkampf hat der Kanzlerkandidat bereits angekündigt, dass er auf Stimmungen in der Bevölkerung setzen will.

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