Vorerst keine Starts von Kampfjets: Verletzter Eurofighter-Pilot nicht in Lebensgefahr
Der folgenschwere Zusammenstoß zweier Kampfjets über Mecklenburg hat eine Debatte ausgelöst über die Notwendigkeit von Luftkampfmanövern über Urlaubsgebieten.
Nach der Kollision zweier Kampfjets über Mecklenburg-Vorpommern hat der CDU-Politiker Henning Otte die Luftkampfübungen verteidigt. „Die Bundeswehr muss dort üben, wo sie im Bedarfsfall auch verteidigt“, sagte der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsbundestagsfraktion am Dienstag im Deutschlandfunk. Er äußerte sein Unverständnis zur Forderung der Linken im Schweriner Landtag, die Luftkampfübungen zu beenden.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der dortigen Oppositionsfraktion, Peter Ritter, hatte die Übungen für unnötig erklärt. Auch der Bürgermeister von Waren an der Müritz, Norbert Möller (SPD), äußerte sich ähnlich. Linken-Verteidigungsexperte Alexander Neu erinnerte daran, dass das Unglück für die Hinterbliebenen des Flugzeugs eine Tragödie sei - "diese Tragödie zu missbrauchen, um die Erhöhung der Militärausgaben zu rechtfertigen, wie es mein Kollege Otte von der CDU im Deutschlandfunk tut, ist skandalös und zeugt von mangelndem Respekt vor dem Toten".
Ganz anders ließ sich der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels (SPD) ein: "Für die Besatzungen das Gefährlichste wäre es, nicht zu üben", sagte Bartels dem Tagesspiegel. Das Problem seien, vom gestrigen Unglück ganz unabhängig, "viel zu wenig Flugstunden - über alle Flugzeuggattungen hinweg." Die Piloten müssten üben, üben, üben.
Bei dem Absturz beider Eurofighter-Maschinen über der Mecklenburgischen Seenplatte war am Montagnachmittag ein 27-jähriger Pilot ums Leben gekommen. Der zweite wurde verletzt geborgen. Die Verletzungen des Überlebenden wurden am Dienstag als nicht lebensgefährlich beschrieben: Er befindet sich in gesundheitlich stabiler Lage in einem Rostocker Krankenhaus. Es gehe ihm den Umständen entsprechend gut, sagte ein Presseoffizier des Geschwaders 73 „Steinhoff“. Er war Fluglehrer und hatte mehr als 3.700 Flugstunden absolviert. Nach dem Unglück war er von Rettungsmannschaften lebend aus einem Baum geborgen worden. Beide Piloten hatten sich per Schleudersitz aus ihren Maschinen katapultieren können.
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur handelt es sich bei dem Überlebenden um einen der erfahrensten Fluglehrer der Luftwaffe. Der ums Leben gekommene zweite Pilot sei ein jüngerer Offizier, hieß es. Schlüsse zum Hergang der Unglücks könnten daraus aber nicht gezogen werden. Beide Maschinen gehörten zum Luftwaffengeschwader 73 „Steinhoff“, das in Laage bei Rostock stationiert ist. Seine Hauptaufgabe ist die Ausbildung der deutschen Eurofighter-Piloten.
Die Flugschreiber seien noch nicht gefunden worden, sagte der Presseoffizier des Geschwaders, das auf dem Luftwaffenstützpunkt Laage bei Rostock stationiert ist. In dieser Woche würden von dort voraussichtlich keine Jets mehr starten. Da die Unglücksursache noch unklar sei, werde der Flugbetrieb ausgesetzt. Auch die Crews müssten den Vorfall erst verarbeiten.
Normalerweise starten die Eurofighter aus Laage etwa 20 Mal pro Tag, hieß es. Das Gebiet, in dem sie fliegen, könne dabei jeden Tag wechseln, da es von der Deutschen Flugsicherung zugewiesen werde. Manchmal werde wie am Montag über der Seenplatte geflogen, manchmal auch über Niedersachsen, Schleswig-Holstein oder Brandenburg, sagte der Sprecher. Der Geschwader-Kommodore Oberst Gero von Fritschen will den Angaben zufolge einen Auslandseinsatz vorzeitig beenden und auf den Stützpunkt zurückkehren. Die Flagge weht dort auf Halbmast.
Touristen haben kein Verständnis
Der Bürgermeister von Waren an der Müritz, Norbert Möller (SPD), hat sich prinzipiell für einen Verzicht auf militärische Übungstiefflüge in Urlauberregionen ausgesprochen. „Viele Touristen haben kein Verständnis dafür, dass ausgerechnet rings um die Müritz solche Tiefflüge geübt werden“, sagte Möller der Deutschen Presse-Agentur.
Die Region um das Heilbad, zu der auch die vom Absturz betroffenen Dörfer gehören, gilt mit Hunderttausenden Gästen als touristisches Schwergewicht im Nordosten. Sein Mitgefühl gelte den Familien der betroffenen Piloten, sagte der Bürgermeister. Man solle aber prüfen, ob gerade Tiefflüge über dem größten deutschen Binnensee und den umliegenden Gewässern abgehalten werden müssten. Auch die Bürgermeisterin von Silz und Nossentin, Almuth Köhler (CDU), wo eines der verunglückten Flugzeuge abstürzte, stellte ähnliche Forderungen.
Am Morgen war ein Wrackteil in unmittelbarer Nähe eines Kindergartens gefunden worden. Ein Mitarbeiter der Gemeinde Nossentiner Hütte entdeckte das etwa einen halben Meter lange Bauteil auf einem benachbarten Sportplatz, nach Angaben der Kindergartenleiterin etwa 40 Meter entfernt von den Spielgeräten. „Wir können von Glück reden, dass wir so davon gekommen sind“, sagte sie. Einige der Kinder hätten den Absturz eines der beiden Kampfjets am Montag vom Fenster aus beobachtet. Bundeswehrangehörige bargen das zerbeulte Wrackteil, äußerten sich aber nicht zu dessen Funktion.