NSU-Prozess in München: Verhandlungstag wegen Übelkeit bei Zschäpe abgebrochen
Wie schon mehrfach zuvor im NSU-Prozess wirkte die Angeklagte Beate Zschäpe am Dienstag vor Gericht gesundheitlich angeschlagen. Richter Manfred Götzl unterbrach die Verhandlung.
Der NSU-Prozess setzt der Hauptangeklagten Beate Zschäpe offenbar stark zu. Am Dienstag, dem ersten Jahrestag der strapaziösen Hauptverhandlung am Oberlandesgericht München, wurde der Frau so schlecht, dass ihre Verteidiger um eine Unterbrechung „aus gesundheitlichen Gründen“ baten. Der 6. Strafsenat gewährte am Vormittag eine Pause. Zschäpe, bleich wie immer, verließ mit ihren Anwälten den Saal - und kam nicht mehr wieder. Am Nachmittag brach der Vorsitzende Richter des 6. Strafsenats, Manfred Götzl, nach längerem Hickhack mit Zschäpes Verteidigern den Verhandlungstag ab. Zuvor hatten die Anwälte einen Befangenheitsantrag gegen einen Arzt gestellt, der sich am Dienstag im Oberlandesgericht mit Zschäpe befassen sollte.
Vor genau einem Jahr, am 6. Mai 2013, hatte der NSU-Prozess begonnen. Der Dienstag war der 110. Verhandlungstag. Die Bundesanwaltschaft wirft Zschäpe vor, bei den zehn Morden und weiteren Verbrechen der Terrorzelle NSU die Mittäterin gewesen zu sein.
Eine "schlechte Nachricht" hat Zschäpes Übelheit ausgelöst
Aus dem Befangenheitsantrag gegen den Arzt geht hervor, dass eine „schlechte Nachricht“ Zschäpes Übelkeit ausgelöst hat. Welche Information den Zustand der Angeklagten beeinträchtigt hat, blieb offen. Naheliegend wäre, dass es Zschäpes Großmutter nicht gut geht. Bei ihr hatte die Angeklagte einen großen Teil der Kindheit verbracht, an der alten, inzwischen gebrechlichen Frau hängt Zschäpe noch immer. Jedenfalls setzte ihr die unangenehme Nachricht so zu, dass sie am Morgen eine Tablette nahm. Das Medikament scheint aber keine Besserung bewirkt zu haben. Anderthalb Stunden nach Beginn der Verhandlung ließ sich Zschäpe in den Haftraum des Oberlandesgerichts bringen. Was dann geschah, wird vom Strafsenat und von Zschäpes Verteidigern unterschiedlich dargestellt.
Richter Götzl verlas am frühen Nachmittag einen Vermerk, wonach Zschäpe eine Untersuchung durch einen vom Gericht bestellten Arzt verweigert haben soll. Die Angeklagte soll den Mediziner gefragt haben, ob er der ärztlichen Schweigepflicht unterliege. Der Arzt habe darauf verwiesen, sich gegenüber dem Gericht äußern zu müssen. Außerdem habe der Mediziner festgestellt, Zschäpes Verhandlungsfähigkeit sei nicht aufgehoben. Die Angeklagte sah sich jedoch nicht in der Lage, zur Verhandlung zurückzukehren.
Anwälte kritisieren den Arzt
Zschäpes Verteidiger sagten hingegen im Befangenheitsantrag, es sei unwahr, dass ihre Mandantin eine Untersuchung abgelehnt habe. Vielmehr habe der Arzt auf eine Untersuchung verzichtet, nachdem Zschäpe ihm mitgeteilt habe, sie habe ein aus der JVA-Stadelheim mitgebrachtes Medikament eingenommen. Die Anwälte kritisierten, der Arzt habe „nicht alle diagnostischen Möglichkeiten“ ausgeschöpft. Folglich lehne Zschäpe ihn wegen der Besorgnis der Befangenheit ab.
Zuvor hatte Richter Götzl erwogen, Zschäpe zwangsweise in den Saal bringen zu lassen. Es kam dann zu einem längeren Disput mit den Verteidigern. Und sie erhielten überraschend Beistand aus den Reihen der Nebenklage. Die Hamburger Anwältin Doris Dierbach bat Götzl, darauf zu verzichten, Zschäpe gewaltsam vorführen zu lassen. Die Angeklagte habe bislang nicht den Eindruck der „Verfahrensverschleppung“ erweckt. Götzl solle ihr den Tag Zeit geben, sich zu erholen, regte Dierbach an. Sie vertritt zusammen mit Kollegen die Nebenklage der Familie des in Kassel am 6. April 2006 erschossenen Halit Yozgat.
Kopfschmerzen, Erschöpfung, Übelkeit: Zschäpe geht es öfter schlecht
Es war nicht das erste Mal im Prozess, dass Zschäpe angeschlagen wirkte. Im Dezember und dann wieder im April forderten die Verteidiger nachmittags den Abbruch eines Verhandlungstages, als die Frau über Kopfschmerzen klagte. Beide Male bescheinigte Landgerichtsarzt Konrad von Hoefele der Frau, sie sei erschöpft. Im Dezember riet der Mediziner den Richtern, nur noch eine halbe Stunde zu verhandeln, im April empfahl er sogar, den Prozesstag zu beenden. Widerwillig stimmte Richter Götzl jedes Mal zu.
Am Dienstag hatte Götzl zunächst einen Polizisten aus Dortmund einvernommen. Der Beamte hatte nach dem Mord des NSU an dem türkischen Kioskbetreiber Mehmet Kubasik in der Stadt eine Zeugin befragt. Sie wollte am Tag der Tat, dem 4. April 2006, zwei Männer mit einem Fahrrad in der Nähe des Kiosks gesehen haben. Zunächst war von „Rechtsradikalen“ die Rede, dann schilderte die Frau jedoch dem Polizisten die zwei Männer als „Junkies“. Die Zeugin habe die beiden auf 25 bis 30 Jahre geschätzt und kurze, dunkelblonde Haare erwähnt, sagte der Kriminalbeamte. Die Männer hätten auf die Frau „wie Deutsche“ gewirkt.
Möglicherweise handelte es sich um die NSU-Mörder Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, die Kubasik und neun weitere Opfer mit gezielten Kopfschüssen töteten. Die Polizei hatte im Fall Kubasik wie auch bei den Morden des NSU an weiteren acht Migranten jahrelang im Umfeld der Opfer ermittelt und vermutet, die Ermordeten seien in dunkle Machenschaften verstrickt gewesen.
Bevor Richter Götzl den Polizisten weiter fragen konnte, wurde Zschäpe übel. Der Beamte muss nun noch einmal wiederkommen – genauso wie zwei weitere Polizisten, die auch am Dienstag als Zeugen gehört werden sollten.