NSA-Ausschuss ausgespäht: Verhafteter BND-Mann spionierte angeblich für die CIA
Seit Ende 2012 soll der wegen Spionageverdachts festgenommene BND-Mitarbeiter für den US-Geheimdienst CIA spioniert haben. Bundespräsident Joachim Gauck zeigte sich empört: "Jetzt reicht's auch einmal."
Der wegen Spionageverdachts festgenommene Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) hat Medienberichten zufolge den US-Geheimdienst CIA mit Informationen versorgt. Noch am 1. Juli habe der 31-Jährige geheime Dokumente zum NSA-Untersuchungsausschuss geliefert, berichtete die “Bild am Sonntag“. Nach Informationen der “Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ wurde er seit Ende 2012 von der CIA gesteuert.
Bundespräsident Joachim Gauck gab sich besorgt über den Spionagefall und warnte für seine Verhältnisse sehr deutlich vor einer Belastung der deutsch-amerikanischen Beziehungen. Sollte sich tatsächlich herausstellen, dass ein BND-Mitarbeiter für einen US-Geheimdienst spioniert hat, „dann ist das wirklich ein Spiel auch mit Freundschaft, mit enger Verbundenheit“, sagte er im ZDF-Sommerinterview. „Dann ist ja nun wirklich zu sagen: Jetzt reicht's auch einmal.“
Die mutmaßliche Spionagetätigkeit des Festgenommenen lässt die Wellen hochschlagen im politischen Berlin. Und da hilft es wenig, dass ein erster Verdacht sich nun als wohl doch nicht zutreffend erweist. Im NSA-Untersuchungsausschuss - also dort, wo sie sich bereits mit den Aussähungen der Vergangenheit beschäftigen - scheinen die deutschen Parlamentarier von den Amerikanern nicht ausspioniert worden zu sein.
Ausschussprotokolle nicht betroffen
Nach seinem Kenntnisstand seien interne Papiere des NSA-Untersuchungsausschusses, also etwa eigene Recherche- oder Vernehmungsprotokolle, nicht von der Ausspähung betroffen, sagte der Vorsitzende des Ausschusses, Patrick Sensburg, dem Tagesspiegel. Anders verhalte es sich mit „Regierungsdokumenten und Akten anderer Behörden“, die dem Ausschuss zugeleitet werden sollten. „Für uns ist wichtig, dass unsere Papiere nicht nach draußen gedrungen sind“, sagte Sensburg. Man müsse jetzt aber dringend in Erfahrung bringen, was genau geschehen und ausgespäht worden sei. Hier gelte es, die Ermittlungen des Generalbundesanwaltes abzuwarten.
Bereits am Mittwoch hatte die Bundesanwaltschaft BND-Mitarbeiter unter dringendem Spionageverdacht festnehmen lassen. Nach Medienberichten soll er 218 Dokumente an US-Geheimdienste weitergeleitet und dafür 25 000 Euro erhalten haben. Darunter seien auch drei für den NSA-Ausschuss bestimmte Papiere gewesen.
Der Ausschuss müht sich seit drei Monaten, die Spähaktivitäten der National Security Agency (NSA) in Deutschland aufzuklären. Die Affäre hatte im vergangenen Jahr schwere Verstimmungen zwischen Berlin und Washington verursacht. In der US-Regierung scheint man durch den neuerlichen Vorfall beunruhigt zu sein. So zitierte die „New York Times“ einen Regierungsvertreter mit den Worten, die Berichte über die mindestens zweijährige Spionagetätigkeit des BND-Mitarbeiters drohten alle Reparaturarbeiten im deutsch-amerikanischen Verhältnis wieder zu zerstören.
SPD sieht Angriff auf die Demokratie
Manche Äußerungen klingen danach. In der SPD war von einem „Angriff“ die Rede – wahlweise „auf die Freiheit des Parlaments“ (Fraktionschef Thomas Oppermann) oder „auf die parlamentarische Demokratie“ (Ausschuss-Obmann Christian Flisek). Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Stephan Mayer, sieht einen „riesigen Vertrauensbruch im transatlantischen Verhältnis“. Und der frühere BND-Präsident Hans-Georg Wieck meinte sogar betonen zu müssen, dass die Bundesregierung „keine Vasallenregierung der USA oder eines anderen Staates“ sei.
Dagegen mühte sich Ausschusschef Sensburg um ruhigere Töne. Untersuchungsausschüsse, sagte er, seien klassisch mit geheimdienstlicher Tätigkeit beschäftigt. Entsprechend treffe der Bundestag „natürlich Vorkehrungen, dass seine Arbeit geschützt ist“. So würden als geheim eingestufte Dokumente ausschließlich in der Geheimschutzstelle des Bundestages verwahrt. Und telefoniert werde mit besonders geschützten Krypto-Handys. Komplett ausgeschlossen aber, so musste er einräumen, sei eine Ausforschung durch dies alles nicht.
Linke: Das "Ergebnis von Merkels Duckmäusertum"
Der neue Fall zeige, dass die Amerikaner nichts aus der NSA-Affäre gelernt hätten, sagte Linken-Chefin Katja Kipping dem Tagesspiegel. „Das ist das Ergebnis von Merkels transatlantischem Duckmäusertum.“ Die Bundesregierung könne „die Verantwortung nicht über den Atlantik abschieben“. Sie müsse jetzt volle Transparenz darüber herstellen, welche Dokumente und Daten über den NSA-Ausschuss in deutschen Geheimdiensten kursierten. "Alle Finger zeigen jetzt auf das Kanzleramt."
Verschnupft gibt sich auch die SPD-Innenpolitikerin Eva Högl. Ihre Fraktion habe für nächste Woche eine Sondersitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums zu dem Fall beantragt, sagte sie dem Tagesspiegel.„Wir werden bei der Untersuchung dieses Falles nicht locker lassen.“ Sollte sich der Verdacht erhärten, dass der BND-Mitarbeiter gezielt von amerikanischer Seite darauf angesetzt war, Staatsgeheimnisse und Informationen über den Untersuchungsausschuss zu beschaffen, „wäre das ein weiteres erschreckendes Kapitel der ungeheuerlichen Aktivitäten der amerikanischen Nachrichtendienste gegenüber den demokratischen Institutionen in Deutschland“. Es konterkariere die notwendige Aufklärung der NSA-Affäre und setze „die wichtige Verbesserung des transatlantischen Verhältnisses aufs Spiel“.
Aus Högls Sicht sind Konsequenzen unvermeidlich. „Die Spionageabwehr von Bundesnachrichtendienst, Bundesamt für Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt muss effektiv in alle Richtungen verbessert und verstärkt werden“, sagte die SPD-Politikerin. (mit dpa, Reuters)
Rainer Woratschka