Verbindungen zu Rechtsextremen: Verfassungsschutz stuft AfD als "Prüffall" ein
Das Bundesamt für Verfassungsschutz schaut auf die „Junge Alternative“ und die Vereinigung „Der Flügel". Die AfD kündigt juristische Gegenwehr an.
Die „Alternative für Deutschland“ gerät stärker in den Blick des Verfassungsschutzes. Wie zuerst der Tagesspiegel erfuhr, stuft das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) die Gesamtpartei in einem rund 450 Seiten umfassenden Gutachten als „Prüffall“ ein.
Es gebe erste Anhaltspunkte dafür, dass sich die Politik der AfD gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung richte, begründete Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang die Entscheidung am Dienstag. Die AfD sieht darin politische "Wettbewerbsverzerrung" und kündigte juristische Gegenwehr an.
Die Behörde wird nun anhand öffentlicher Äußerungen von AfD-Mitgliedern und offen zutage tretender Verbindungen zu den rechtsextremen Identitären untersuchen, in welchem Ausmaß rechtsextremistische Bestrebungen in der Partei festzustellen sind. Eine Beobachtung mit nachrichtendienstlichen Mitteln, wie das Anwerben von V-Leuten, gibt es bei einem Prüffall nicht. Es werden auch keine Daten von Personen gespeichert. Der Thüringer Verfassungsschutz hatte bereits im September 2018 den Landesverband der AfD zum Prüffall erklärt.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft zudem in seinem Gutachten die AfD-Nachwuchsorganisation „Junge Alternative (JA)“ und die Vereinigung „Der Flügel“ als Verdachtsfall ein. Das ist eine höhere Stufe als der Prüffall. Bei einem Verdachtsfall sind auch nachrichtendienstliche Mittel wie eine Observation und die Kooperation mit V-Leuten möglich sowie eine Speicherung der Daten von Personen.
Die JA wird bereits von den Verfassungsschutzbehörden in Bremen, Niedersachsen und Baden-Württemberg beobachtet. Das BfV geht nun auch dem Verdacht nach, die JA stehe in Teilen mit der Identitären Bewegung in Verbindung. Die Identitären werden vom Bundesamt bereits seit 2016 als Verdachtsfall geführt und entsprechend beobachtet. Die Behörde nennt die Identitären auch in ihrem Jahresbericht. Bei der Vereinigung „Der Flügel“ hält das BfV unter anderem die Reden ihres Wortführers Björn Höcke für bedenklich.
Höcke, der den Thüringer AfD-Verband führt, hatte unter anderem im Januar 2017 in einer Rede in Dresden das Berliner Holocaust-Mahnmal als „Denkmal der Schande“ bezeichnet und eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ gefordert. Grundlage des Gutachtens des BfV zur AfD war eine 1069 Seiten umfassende Materialsammlung mit Erkenntnissen der Landesbehörden für Verfassungsschutz und des Bundesamtes selbst. In dem Papier sind unter anderem mehrere Dutzend Reden von AfD-Mitgliedern dokumentiert.
Die Entscheidung, Teile der AfD unter Beobachtung zu stellen, wurde überwiegend begrüßt. Grünen-Politiker Cem Özdemir bewertete den Vorgang als wichtiges Signal für die Demokratie.
Das Internationale Auschwitz Kommitee begrüßt die Entscheidung des Bundesamtes für Verfassungsschutz, die AfD zum Prüffall zu erklären. „Überlebende des Holocaust begrüßen diese Entscheidung des deutschen Verfassungsschutzes, der AfD die gelbe Karte zu zeigen, mit Erleichterung“, sagte der Exekutiv-Vizepräsident des Komitees, Christoph Heubner, am Dienstag in Berlin. Der Partei müsse von jedem Bürger in Deutschland nun die „rote Karte“ bei Wahlen gezeigt werden.
Zustimmung erhält die Entscheidung auch von der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch: In Anbetracht der offenen Verachtung für die freiheitlich-demokratische Grundordnung, mit der AfD-Vertreter in den vergangenen Jahren wieder und wieder aufgefallen seien, stelle dies einen wichtiger Beschluss dar.
Nach den Worten Knoblochs kann niemand erwarten, sich frei politisch betätigen zu können, wenn er die Verbrechen der NS-Zeit relativiert und das demokratischen Zusammenleben in Deutschland gefährdet. „Bei Intoleranz muss die Toleranz enden“, so Knobloch.
Zustimmung kam auch von der Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Katrin Göring-Eckardt. „Die Initiative zeigt, dass der Bundesverfassungsschutz sieht, dass von der Partei und ihren Vernetzungen ein Gefahrenpotenzial ausgehen kann“, erklärte sie in Berlin. „Wir müssen wissen, wer unsere Demokratie infrage stellen will.“
FDP-Chef Christian Lindner hat die deutschen Parteien derweil davor gewarnt, sich über die mögliche Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz zu freuen. „Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass die Parteien sich einer lästigen Konkurrenz über den Umweg über die Sicherheitsbehörden entledigen“, sagte Lindner am Dienstag in Berlin. Die politische Auseinandersetzung mit der AfD müsse inhaltlich stattfinden. So müsse etwa das Rentenkonzept der Partei kritisiert werden oder Bestrebungen, die Europäische Union zu verändern. Er vertraue aber der Einschätzung der Sicherheitsbehörden. „Ich bin gegen jeden Opfer- und Märtyrerkult bei der AfD“, sagte er zum Umgang der AfD mit der Debatte. (mit KNA, dpa)
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