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Die Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles umarmt den Parteivorsitzenden Martin Schulz nach seiner Wiederwahl.
© Michael Kappeler/dpa

SPD-Parteitag: Vereint im Schmerz

Die Sozialdemokratie ist aufgewühlt, das beweist dieser für die SPD schmerzhafte Parteitag. Aber sie ist auch lebendig. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Anna Sauerbrey

Wir leben noch! Das ist vielleicht das wichtigste Signal, das von diesem SPD-Parteitag ausgeht. Es war ein intensiver, auch schmerzhafter Tag, das konnte man sogar sehen, wenn man nur von Ferne, über den Livestream, zuschaute. Aber es ist gerade diese Intensität, die in vielen der Redebeiträge zu spüren war, auch in der Rede von Martin Schulz, die das Gefühl vermittelt: Da schlägt noch ein Herz. Die SPD hat sich nicht aufgegeben – trotz der Niederlage, trotz der 20 Prozent, trotz der Personalstreitigkeiten, trotz alledem.

Besonders – und auch das ist letztlich ein positives Signal – die Jungen waren angetreten, um zu kämpfen und es den Alten schwer zu machen. „Immer wieder rennt die SPD gegen die gleiche Wand – wir haben ein Interesse daran, dass hier noch etwas übrigbleibt, verdammt noch mal“, rief der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert (hier ein Youtube-Video der Rede).

Am Ende unterlagen sie mit ihrem Antrag, am Ende stand ein starkes Votum für ergebnisoffene Gespräche mit der Union, das viele Beobachter überraschte, nachdem das Gefühl, es würde schon irgendwie klappen, im Lauf des Tages immer schlechter geworden war. Selbst Martin Schulz, der Unglücksrabe, bekam ein respektables Ergebnis. Aufgewühlt, aber geschlossen, so präsentierte sich die Partei.

Martin Schulz erfand eine neue Erzählung für die SPD: Weniger kämpferisch, aber solidarisch

Martin Schulz setzte einen neuen Ton (hier das Youtube-Video der Rede). Er vermied – anders als viele andere Redner, die sich an Angela Merkel abarbeiteten – Angriffe auf den politischen Gegner. Man kann ihm das als Stärke auslegen. Martin Schulz probierte an diesem Donnerstag eine neue Erzählung der SPD aus. Schulz setzte vor allem auf das Narrativ der gesellschaftlichen Solidarität, er betonte den Wunsch nach Nahbarkeit, Gemeinsamkeit, Zusammenrücken, nach dem Überbrücken von gesellschaftlichen Spaltungen. Das könnte, anders als das Gerechtigkeitsthema des Bundestagswahlkampfes, ein neues, erfolgreicheres Motiv sein.

Und es könnte auch das Vermarktungsmotiv einer neuen großen Koalition werden: ein Bündnis, das zumindest zum Zweck des Regierens und im Sinne der europäischen Einigung für ein paar Jahre die gesellschaftliche Zersplitterung überbrückt, eine Koalition, die sich nicht in die Ecke drängen lässt von den radikalen Enden.

Die SPD-Parteiführung weiß: Die Gespräche über eine große Koalition müssen schmerzhaft werden

Die Gespräche dürften dennoch nicht einfach werden. Zwar hat der Parteitag keine roten Linien gezogen. Zwar war die Zustimmung zum Vorschlag der SPD-Spitze groß. Zwar bleibt am Ende der Eindruck, die gefühlige Debatte sei eine Katharsis gewesen. Doch der SPD-Führung wird auch das (schon durch Delegierte gefilterte) Aufgewühltsein der Basis nicht entgangen sein.

Zugestimmt hat die Partei eben nur „ergebnisoffenen Gespräche“, nicht einer großen Koalition per se. Immer wieder wiederholte sich der Satzschnipsel, es gebe „keinen Automatismus“. Martin Schulz und dem Rest der Parteiführung wird wohl klar sein: Die Koalitionsverhandlungen müssen für die Union mindestens ebenso schmerzhaft werden, wie es dieser Parteitag für die SPD war.

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