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Alexis Tsipras und Panos Kammenos: Vereinigung der Populisten in Griechenland

Für eine absolute Mehrheit hat es nicht gereicht – nun koalieren zwei scheinbar konträre Partner. Wie geht es weiter in Athen?

Die letzten Stimmen wurden noch ausgezählt, da traf sich der Wahlsieger Alexis Tsipras bereits am Montagmorgen mit Panos Kammenos, dem Chef der Splitterpartei Unabhängige Griechen (Anel). Die beiden Politiker beratschlagten nur kurz, dann stand die Koalition.

Wieso ist diese Koalition so schnell

zustande gekommen?

Tsipras fehlen zwei Mandate für eine absolute Mehrheit im Parlament, er ist daher auf einen Koalitionspartner angewiesen. Schon lange vor den Wahlen liebäugelte er mit den Ultrarechten. Für ihn ist Kammenos ein Wunschpartner, trotz erheblicher Differenzen in vielen gesellschaftspolitischen Fragen. Denn einig sind sich beide Parteien in der Totalopposition gegen die Spar- und Reformauflagen und in der Forderung nach einem massiven Schuldenschnitt.

Manche Beobachter in Athen spekulierten vor der Wahl über eine Regierungsbeteiligung der Mitte-links-Partei To Potami. Aber in einer Koalition mit Potami-Chef Stavros Theodorakis hätte Tsipras wohl zu viele Abstriche machen müssen und den mächtigen linken Flügel seiner Syriza gegen sich aufgebracht. Theodorakis’ Bedingung für eine Koalition war ein klares Bekenntnis zum Euro.

Wofür stehen die Rechtspopulisten?

Der politische Schulterschluss des radikal-linken Bündnisses Syriza mit den Rechten mutet auf den ersten Blick merkwürdig an, ergibt aber aus Tsipras‘ Sicht durchaus Sinn.

Es gibt große politische Schnittmengen zwischen beiden Parteien, wie die Forderung nach einem massiven Schuldenschnitt, die Totalopposition gegen den Spar- und Reformkurs, eine tief sitzende Europa-Skepsis und nicht zuletzt die Fixierung auf das Feindbild Angela Merkel – Kammenos und Tsipras sehen in der deutschen Kanzlerin die treibende Kraft dessen, was viele Griechen als Spardiktat empfinden.

Kammenos, der Chef der Splitterpartei Unabhängige Griechen, gehörte früher der konservativen Nea Dimokratia (ND) an, sagte sich aber vor drei Jahren von ihr los und gründete die Unabhängigen Griechen – nicht zufällig in der Ortschaft Distomon, die 1944 durch ein Massaker der Waffen-SS verwüstet wurde. Kammenos appelliert an antideutsche Ressentiments, sie gehören gewissermaßen zur DNA seiner Partei.

In manchen Punkten gibt er sich weitaus radikaler als Tsipras. So will er den Schuldendienst einstellen. Der Syriza- Chef lehnt dagegen einseitige Schritte ab und setzt auf Verhandlungen mit den Gläubigern. Es gibt andere gravierende Differenzen zwischen beiden Parteien: Kammenos will illegale Einwanderer massenhaft deportieren. Tsipras hat sich dagegen für mehr Zuwanderung und eine Legalisierung von Migranten ausgesprochen. Für Kopfschütteln sorgte Kammenos, als er kurz vor der Wahl forderte, man sollte die Opas und Omas am Wahltag einsperren, damit sie nicht die Nea Dimokratia wählen könnten. Kammenos gibt sich tiefreligiös, Tsipras hält dagegen große Distanz zur Kirche: Er lebt in einer kirchlich nicht anerkannten Lebenspartnerschaft und hat seine beiden Kinder nicht taufen lassen.

Wie stehen die Wähler zu diesem

Regierungsbündnis?

In den Cafés und auf den Straßen, beim Einkaufen oder beim Frisör wird das Bündnis zwischen den Linken und den Rechten breit diskutiert und um die richtige Deutung gestritten. Die Entscheidung für die Rechtspopulisten trifft insbesondere diejenigen Griechen, die in Syriza bisher vor allem eine linke und progressive Bewegung gesehen haben. Sie sind enttäuscht, dass Tsipras mit einer Partei koaliert, deren Ansichten sie als rückwärtsgewandt empfinden. Viele von ihnen sehen in den „Unabhängigen Griechen“ kirchenhörige rechte Spinner. Doch die ganz große Empörung ist zumindest in Athen bisher nicht zu spüren – auch weil die beiden Parteien schon vor der Wahl offen mit einer Koalition sympathisiert haben.

Die Befürworter der Koalition betonen meist, dass das gemeinsame Ziel der Anti-Austerität doch am Ende der Grund sei, dass Syriza die Wahl gewonnen habe. Sehr viele Syriza-Wähler – das zeigen auch Umfragen – sind in diesem Jahr keine überzeugten Linken, sondern wollten eine Regierung loswerden, die ihnen die Renten und Gehälter gekürzt hat. Sie sind mit Tsipras’ Partnerwahl deshalb einverstanden. Sie hätten ihm jede Abweichung vom Konfrontationskurs mit den EU-Partnern und den reichen griechischen Geschäftsleuten deutlich übler genommen als die Kooperation mit den Rechtspopulisten. Und die Rache der anderen europäischen Staaten für so viel Provokation, die werde sicher nicht lange auf sich warten lassen. „Glauben wir wirklich, dass die anderen EU-Staaten mit uns verhandeln werden?“, fragt ein Mann, der am zentralen Syntagmaplatz auf den Bus wartet. „Das ist doch ein schlechter Witz. Sie werden uns fertigmachen.“

Wie reagiert die deutsche Linke?

Der Vorsitzende der Linkspartei in Deutschland, Bernd Riexinger, findet es „ein wenig bedauerlich, dass Syriza nicht die absolute Mehrheit erreicht hat“. Die von dem Linksbündnis geplante Koalition mit den Rechtspopulisten will Riexinger nicht direkt kritisieren. „Wir mischen uns in die Koalitionsbildung nicht ein“, sagte er. „Die haben dort andere Maßstäbe, die haben aber auch andere Probleme.“ Riexinger stellt aber auch fest, dass es in Deutschland und auch im Europaparlament keine Zusammenarbeit von Linken und Rechtspopulisten geben werde. Und erklärt, er sei überzeugt davon, dass Syriza die Koalition nur bilden werde, „wenn sie ihr Programm zu 100 Prozent durchsetzen kann“. Neuwahlen in Griechenland lehnt der Linken-Chef strikt ab.

Wie geht es in Griechenland weiter?

Das am Sonntag neu gewählte griechische Parlament wird voraussichtlich am 6. Februar erstmals zusammenkommen. Es muss dann als Erstes da weitermachen, wo das alte aufgehört hat: mit der Wahl eines Staatspräsidenten. Die gescheiterte Präsidentenkür Ende Dezember war ja der Grund für die vorgezogene Parlamentswahl. Wer diesmal für das höchste Staatsamt kandidiert, ist noch nicht klar. Um gewählt zu werden, braucht ein Kandidat im ersten Wahlgang, der am 7. Februar stattfinden soll, eine Dreifünftelmehrheit. Kommt sie nicht zustande, ist im zweiten Wahlgang, der schon tags darauf stattfinden könnte, eine absolute Mehrheit erforderlich. Wird auch sie verfehlt, reicht im dritten Durchgang, der fünf Tage später stattfindet, die einfache Mehrheit. Damit wird die Präsidentenwahl spätestens am 14. Februar abgeschlossen sein.

Schon zuvor, bis zum 10. Februar, muss sich der designierte Premier Alexis Tsipras der Vertrauensabstimmung im neuen Parlament stellen. Dafür schreibt die Verfassung eine Frist von 15 Tagen vor, nachdem der neue Regierungschef vereidigt worden ist.

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