Österreich: Van der Bellen gewinnt Stichwahl zum Bundespräsidenten
Erstmals wird ein Grünen-Politiker Bundespräsident in Österreich. Die Entscheidung zwischen Alexander Van der Bellen und dem FPÖ-Politiker Norbert Hofer fiel nach Auszählung der Briefwahlstimmen.
Vor dem imposanten Wiener Palais Schönburg trat der neu gewählte Bundespräsident von Österreich am frühen Montagabend vor die Medien. Das Interesse an der Wahl in dem kleinen Land war so groß, dass er erst mal die Sprache wechselte: „A warm welcome to our guests from abroad“, sagte Alexander Van der Bellen. Nachdem er sich für das internationale Interesse bedankt hatte, setzt er jedoch auf Deutsch fort. Diese Wahl habe niemand kalt gelassen, sagt Van der Bellen. Dann zollt er seinem Gegner, Norbert Hofer, Respekt: "Ich möchte nicht versäumen, Herrn Hofer meinen persönlichen Respekt und meine Anerkennung aussprechen."
Der Ex-Grünen-Chef, der als unabhängiger Kandidat angetreten war, hat die Stichwahl zum Bundespräsidenten in Österreich knapp gewonnen. Innenminister Wolfgang Sobotka teilte am Montag in Wien mit, nach Auszählung der Briefwahlstimmen habe der Ex-Chef der Grünen 50,3 Prozent der Stimmen gewonnen. Auf den Gegenkandidaten Norbert Hofer von der rechtspopulistischen FPÖ entfielen demnach 49,7 Prozent. Norbert Hofer hatte seine Niederlage bereits eingestanden, bevor die der Innenminister die Zahlen offiziell verkündete. Das ist eigentlich nicht üblich. Auf seiner Facebook-Seite schrieb Hofer: "Natürlich bin ich heute traurig. Ich hätte gerne für Euch als Bundespräsident auf unser wunderbares Land aufgepasst."
So knapp war eine Bundespräsidentenwahl in Österreich noch nie
Zwischen beiden lag eine minimale Differenz von nur 31.026 Stimmen - bei rund 4,6 Millionen abgegebenen Stimmen. Damit steht Van der Bellen für die nächsten sechs Jahre an der Spitze der Alpenrepublik. Er löst am 8. Juli den Sozialdemokraten Heinz Fischer ab, der verfassungsgemäß nach zwei Amtszeiten ausscheidet. Es ist die knappste Präsidentschaftswahl, die es je gab in Österreich. Der bisher geringste Vorsprung waren 82.000 Stimmen im Jahre 1965.
„In nationalen und internationalen Medien und Kommentaren wurde viel über aufgerissene Gräben in unserem Land gesprochen. Ich möchte das nicht dramatisieren und möchte auch nicht, dass es dramatisiert wird. Diese Gräben haben schon länger bestanden, wir haben nur nicht so genau hingeschaut“, erklärte Alexander Van der Bellen bei einer Pressekonferenz.
Zudem habe diese Wahl gezeigt, dass die Menschen sich für Politik interessieren, konträr zur oft konstatierten Politikverdrossenheit. „Viele Menschen haben miteinander geredet, haben versucht den jeweils anderen zu überzeugen“, sagte Van der Bellen. Das knappe Ergebnis beurteilte er so: „Wir sind eben gleich. Es sind zwei Hälften die Österreich ausmachen. Die eine Hälfte ist so wichtig wie die andere. Gemeinsam ergeben wir dieses schöne Österreich.“ Er wolle auch die Wähler von Norbert Hofer überzeugen, sagte der Tiroler. Dafür hat er jetzt sechs Jahre zeit.
Der neue österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen will für eine anderen Umgang und eine neue Gesprächskultur in der Politik werben. So wie es jetzt sei, fühlten sich offenbar viele Menschen „nicht ausreichend gesehen oder gehört oder beides“, sagte der 72-jährige Wirtschaftsprofessor
Der Ex-Grünen-Chef kündigte an, seine Parteimitgliedschaft ruhend zu stellen.
„Ich traue Prof. Van der Bellen absolut zu, da nicht nur die richtigen Worte zu finden, sondern auch die richtigen Handlungen zu setzen", so der scheidende Bundespräsident Heinz Fischer in einer Reaktion auf den Wahlausgang.
Briefwahlstimmen entschieden die Wahl
Ausschlaggebend für das Wahlergebnis waren die rund 700.000 Briefwahlstimmen. Den ersten Wahldurchgang hatte Hofer mit gut 35 Prozent der Stimmen gewonnen, Van der Bellen lag 14 Prozentpunkte hinter Hofer.
Vor der Auszählung der Briefwahlstimmen hatte Norbert Hofer knapp vor dem 72-jährigen Ex-Grünen Alexander Van der Bellen gelegen. Auf Hofer entfielen nach Auszählung der Stimmen aus den Urnen fast 52 Prozent, während der langjährige Grünen-Vorsitzende Van der Bellen auf gut 48 Prozent gekommen war. Wegen des knappen Ausgangs hatten die Briefwahlstimmen ein besonderes Gewicht. Traditionell neigten die Briefwähler eher nicht zu Hofers FPÖ. Die Wahl eines Rechtspopulisten als Staatsoberhaupt wäre in Europa eine Premiere gewesen.
Hofer hatte beim Urnengang zur Stichwahl insbesondere bei den männlichen Wählern (54 Prozent) und in ländlichen Gebieten sowie bei Arbeitern (71 Prozent) gut abgeschnitten. Van der Bellen lag bei den jungen Wählern (56 Prozent) und auch bei den Über-50-Jährigen vorn. „Natürlich bin ich heute traurig. Ich hätte gerne für Euch als Bundespräsident auf unser wunderbares Land aufgepasst“, schrieb der 45-Jährige am Montag auf Facebook. Das amtliche Endergebnis lag bis dahin noch nicht vor.
Auch der Vorsitzende der rechtspopulistischen Partei FPÖ, Heinz-Christian Strache, räumte auf Facebook ein, dass Hofers Kontrahent, der von den Grünen unterstützte Alexander Van der Bellen, knapp gewonnen habe. Hofer sei „in einem Fotofinish um Millimeter gerade noch nicht“ zum Bundespräsidenten gewählt geworden. Weiter schrieb Strache, seine Partei habe dennoch bereits eine „Wende eingeleitet“. Dies sei der Anfang eines neuen Zeitalters „in Richtung direkter Demokratie und verbindlicher Volksabstimmungen“.
Der Einzug eines Grünen-Politikers in die Wiener Hofburg ist ein Novum. Van der Bellen war in der ersten Runde am 24. April mit 21,3 Prozent klar hinter Hofer mit 35 Prozent der Stimmen gelandet, doch erhielt er seitdem die Unterstützung der Linken und des Zentrums. Auch der neue Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) stellte sich hinter ihn.
Grundsätzlich hat der auf sechs Jahre gewählte Bundespräsident eine vorwiegend repräsentative Funktion. Zwar kann er den Bundeskanzler entlassen und das Parlament auflösen. Allerdings ist es noch nie vorgekommen, dass ein Bundespräsident die Regierung entließ. Hofer hatte im Wahlkampf Spekulationen über ein rabiates Auftreten im Amt genährt, indem er sagte, es werde noch Verwunderung darüber geben, "was alles gehen wird".
Reaktionen aus Frankreich und Deutschland
Frankreichs Präsident François Hollande beglückwünschte Van der Bellen und äußerte sich erfreut, mit ihm zusammenzuarbeiten. Premierminister Manuel Valls twitterte: „Erleichterung zu sehen, dass die Österreicher Populismus und Extremismus ablehnen.“ Und: „Jeder muss daraus die Lehren in Europa ziehen.“
Auch Frank-Walter Steinmeier begrüßt die Wahl von Alexander Van der Bellen zum Bundespräsidenten: „Ganz Europa fällt ein Stein vom Herzen.“
Bundespräsident Joachim Gauck hat Van der Bellen zu seiner Wahl gratuliert. Gauck hob am Mittwoch vor allem die pro-europäische Haltung seines künftigen Amtskollegen hervor. „Sie übernehmen dieses verantwortungsvolle Amt in einer Zeit großer Herausforderungen für Europa. Ich freue mich, dass Sie sich als überzeugter Europäer auch im Rahmen Ihrer neuen Aufgabe für eine starke, verlässliche und langfristig auch vertiefte Europäische Union einsetzen wollen.“ Gauck betonte die „hervorragenden politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Ländern. „Gemeinsam mit Ihnen möchte ich mich auch in Zukunft für die Vertiefung der Freundschaft zwischen Österreich und Deutschland einsetzen“, schrieb Gauck. „Für Ihre Amtsführung wünsche ich Ihnen Erfolg und stets eine glückliche Hand.“
Die deutschen Grünen in Deutschland gratulierten Van der Bellen. „Wir freuen uns, dass unser Nachbarland mit ihm ein Staatsoberhaupt bekommt, das für ein offenes und pro-europäisches Österreich steht“, sagte Co-Parteichef Cem Özdemir. Eine der dringlichsten Aufgaben des neuen Bundespräsidenten sei nun, das gespaltene Land wieder zusammenzuführen, sagte Özdemir. Die Grünen seien überzeugt, dass der 72-Jährige diese Aufgabe annehmen und „Hoffnung statt Angst zum Prinzip seiner Politik“ machen werden.
SPD-Generalsekretärin Katarina Barley zeigte sich erleichtert: "Es ist ein guter Tag für Österreich und ein guter Tag für Europa, dass sich der Kandidat der rechten FPÖ nicht hat durchsetzen können", sagte Barley. Die Auseinandersetzung mit den Rechten in Österreich und mit Rechtspopulisten und Nationalisten in Europa gehe aber weiter und müsse mit aller Kraft geführt werden. "Wir dürfen nicht zulassen, dass rechtspopulistische, rechte oder nationale Parteien das Europa der Freiheit und Demokratie wieder zerstören, das wir in vielen Jahren zusammen aufgebaut haben", sagte Barley. "Wir werden mit Haltung und Argumenten den Angstmachern und Spaltern entgegentreten."
AfD gratuliert van der Bellen - und lobt Hofer
Der AfD-Co-Vorsitzende Jörg Meuthen hat die große Zustimmung in Österreich für den FPÖ-Kandidaten Hofer hervorgehoben. Meuthen gratulierte am Montag Wahlsieger Alexander van der Bellen von den Grünen, beglückwünschte aber auch den knapp unterlegenen Hofer „zu einem herausragenden Ergebnis“. Der FPÖ-Kandidat sei „mit mutigen und klaren Positionen vor allem auch in der Asylkrise“ angetreten. „Die große Zustimmung für Hofer macht deutlich, dass immer mehr Menschen Vernunft vor Utopie wählen und sich nicht mehr von Allgemeinplätzen und angeblichen Alternativlosigkeiten beirren lassen.“
Bereits vor dem Wahlergebnis hatte Luxemburg die EU-Partner aufgefordert, entschlossener gegen Populisten in Europa vorzugehen. Es bereite seit Jahren "viel Sorge", dass es in einer Reihe von Ländern Ablehnung oder gar den Willen zur Zerstörung Europas gebe, sagte Außenminister Jean Asselborn. Der belgische Außenminister Didier Reynders sprach mit Blick auf den Populismus insgesamt von einer "beunruhigenden" Entwicklung - "ob auf der extremen Rechten oder der extremen Linken".
SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann hatte nach der Stichwahl von einem "Weckruf an alle Demokraten" gesprochen. Unabhängig von der Auszählung der letzten Stimmen in Österreich sei das Ergebnis "schockierend". Schon jetzt sei klar, dass "ein Durchmarsch der Populisten in keinem Land mehr ausgeschlossen" sei.
Der österreichische Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) hatte erklärt, er werde unabhängig vom Ausgang der Wahl "dazu beitragen, dass Österreich ein verantwortungsvoller Partner auf europäischer Ebene bleibt". (Tsp, AFP, dpa, rtr)
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