Amerikanischer Außenminister in Ankara: USA und die Türkei: Ohrfeige statt Einvernehmen
Außenminister Rex Tillerson befindet sich auf einer fast unmöglichen Mission: Er soll im Streit um die türkische Offensive in Syrien die Wogen glätten.
Am Ende einer schwierigen Nahostreise diese Woche ist Rex Tillerson zum Palast des türkischen Präsidenten in Ankara gefahren, um sich seine „osmanische Ohrfeige“ abzuholen. Mehr als drei Stunden saß der amerikanische Außenminister am Donnerstagabend bei Tayyip Erdogan, dem so schwierig gewordenen Bündnispartner. Keiner der beiden gab danach eine Erklärung ab. Erst für Freitag ist eine Pressekonferenz in der türkischen Hauptstadt geplant. Denn über Tillersons dritten Besuch in Ankara hängt drohend einer dieser Kraftausdrücke, mit denen der türkische Präsident sein Publikum im Land aufzupeitschen pflegt. Den Amerikanern hatte Erdogan eine „osmanische Ohrfeige“ angedroht, sollten sie sich dem Vormarsch der türkischen Armee in Syrien widersetzen.
Erdogan hatte wohl viele Menschen im Internet nach der Herkunft dieser Redewendung suchen lassen. Und die „osmanische Ohrfeige“ gab es tatsächlich. Vor allem eine irreguläre Truppe der osmanischen Armee, die Basibozuk, die „im Kopf Verrückten“, sollen sie angewendet haben, wenn sie keine Waffe mehr in der Hand hatten und dem Gegner dann mit Wucht ins Gesicht schlugen. Trainiert wurde angeblich an eingeölten Marmorplatten. Keine angenehme Aussicht für Rex Tillerson. Er stand bei seinem Besuch in Ankara, der am Freitag noch fortgesetzt wurde, gleichwohl vor einer schwer lösbaren Aufgabe.
Seit bald vier Wochen führt die türkische Armee nun schon Krieg gegen die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) in der syrischen Grenzprovinz Afrin. Die YPG sei nichts anderes als die PKK, die Terroranschläge in der Türkei ausführt, argumentiert Ankara. Deshalb werde der Feldzug auch zur strategisch wichtigen Nachbarstadt Manbidsch ausgedehnt. Dort aber sitzen nicht nur die Kurden, sondern auch die mit ihnen verbündeten Amerikaner.
USA wollen sich keinesfalls zurückziehen
US-Generäle wie der Befehlshaber des Central Command, Joseph Votel, haben in den vergangenen Tagen immer wieder bekräftigt, dass sich die USA keinesfalls aus Manbidsch zurückziehen würden. Die gesamte Strategie der Amerikaner in Syrien im Kampf gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) stützt sich ja auf die Kurden, betonen Sicherheitsexperten. Um die Kurden der YPG gruppiert sind arabische Milizen; gemeinsam bilden sie die von Washington finanzierten und ausgerüsteten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF).
Zugeständnisse, wie sie die Türkei sich vorstellt, seien nicht machbar, erklärt Aaron Stein von der Denkfabrik Atlantic Council. Die USA und die Türkei steckten in dieser Frage schlicht in einer Sackgasse. Möglich jedoch sind vielleicht Vereinbarungen über ein Kontrollregime auf der syrischen Seite der Grenze zur Türkei, um Ankaras Sicherheitsbedenken zu begegnen. Diese Militärkontrolle könnte zumindest für den Teil der Grenze westlich des Euphrats gelten, also unter Einschluss von Manbidsch. Den Euphrat hatte Ankara schon zur roten Linie für die Kurden erklärt, als der IS dort noch herrschte.
Manbidsch liegt knapp 100 Kilometer entfernt von der Provinzhauptstadt Afrin, die türkische Truppen auch nach bald einem Monat Bombardement und Artilleriebeschuss der YPGStellungen in der Region noch lange nicht erreicht haben. Doch die Frontlinie zwischen dem Manbidsch-Militärrat, einem Ableger der YPG, und den US-Soldaten auf der einen Seite und den Türken und deren Milizen auf der anderen Seite verläuft nur wenige Kilometer entfernt von Manbidsch.
Die YPG soll etwa 30 000 Kämpfer in ihren Gebieten in Nordsyrien haben. Die Zahl der noch verbliebenen IS-Milizionäre wird auf weniger als 3000 geschätzt. Die USA wiederum unterhalten drei bekannte Militärbasen in Syrien. Manbidsch soll die kleinste sein. Eine größere Basis liegt in Al Tanf im Länderdreieck zum Irak und zu Jordanien, an der Verbindungsstraße zwischen Bagdad und Damaskus; eine weitere in Al Tabaqah unweit der ehemaligen IS-Hochburg Rakka im Norden Syriens. Das Pentagon gab im Dezember die Zahl der amerikanischen Soldaten in Syrien mit 2000 an.
Markus Bernath