Aufrüstung: USA modernisieren Raketenabwehr
Präsident Trump hat seine neue Strategie im Pentagon vorgestellt. Das Programm setzt auf Systeme, die im Weltraum stationiert werden sollen.
Es klingt wie eine Wiederauflage des Sternenkriegs-Programms SDI, das der damalige US-Präsident Ronald Reagan vor gut 35 Jahren gestartet hat. Doch tatsächlich ist die neue US-Strategie zur Raketenabwehr, die Donald Trump am Donnerstag im Pentagon in Washington vorgestellt hat, höchstens SDI-Light. Widersacher und „Schurkenregime“ auf der ganzen Welt bauten ihre Raketenarsenale stetig aus und konzentrierten sich auf die Entwicklung von Langstreckenraketen, die Ziele in den USA erreichen könnten. Darauf müsse Amerika reagieren, sagte Trump im Pentagon.
Er hatte gleich zu Beginn seiner Amtszeit bei den Militärs eine Analyse der Bedrohungslage in Auftrag gegeben. Dieser Teil des Pentagon-Papiers fällt jetzt wenig überraschend aus: Gefahren gehen nach Ansicht der Militärs vor allem von Russland und China, aber auch zunehmend von Nordkorea und Iran aus.
Nordkorea werten die USA als "außerordentliche Bedrohung". Dagegen hatte US-Präsident Donald Trump vor sieben Monaten noch erklärt, die Bedrohung durch die Führung in Pjöngjang sei beseitigt. In der Zusammenfassung der Strategie zur Raketenabwehr heißt es: "Während ein möglicher neuer Weg zum Frieden mit Nordkorea nun besteht, stellt es weiterhin eine außerordentliche Bedrohung dar, und die USA müssen wachsam bleiben."
Sensoren und Drohnen
Kern des neuen Abwehrprogramms sind Sensoren und Drohnen, die in den Weltraum gebracht werden, um feindliche Raketen schneller zu identifizieren. „Im All stationierte Sensoren brauchen wir, weil sie bei der Vorwarnung, der Bahnberechnung und der Beurteilung von Raketen kurz nach dem Start helfen“, sagte ein Pentagon-Mitarbeiter Journalisten vorab. Geplant ist weiterhin der Ausbau der bodengestützten Abfangraketen.
Die Fertigstellung des Pentagon-Reports hatte sich um fast ein Jahr verzögert, weil er nicht nur die Bedrohung durch ballistische Raketen analysieren, sondern auch Szenarien mit neuartigen Waffensystemen einbeziehen sollte. Einige davon hatte der russische Präsident Wladimir Putin im März vergangenen Jahres in einer Rede an die Nation vorgestellt. Mit aufwendigen Computer-Simulationen präsentierte Putin damals die Interkontinentalrakete „RS 28 Sarmat“. Ihre Triebwerke hätten eine so kurze Brenndauer, erklärte der russische Präsident damals, dass sie kaum abzufangen sei. Zum neuen russischen Arsenal sollen auch Nuklearraketen interkontinentaler Reichweite gehören, die mit Hyperschall – rund 20-facher Schallgeschwindigkeit – fliegen. Des Weiteren wurden bereits Marschflugkörper mit atomarem Antrieb getestet.
Erinnerung an den Sternenkrieg
Diese Systeme seien „als Reaktion auf den einseitigen Ausstieg der Vereinigten Staaten aus dem Vertrag über Raketenabwehr entwickelt worden“, sagte Putin damals. Es gehört zum Ritual beider Seiten, die eigene Aufrüstung als Antwort auf neue Waffen der anderen Seite auszugeben. Keine dieser russischen Waffen, sagte Putin vor einem Jahr, könne mit bislang verfügbaren Mitteln abgefangen werden. Einige seien bereits im Dienst.
In den neuen US-Plänen gehe es noch nicht darum, Abfangwaffen im All zu stationieren, zitierte der TV-Sender CNN vorab einen anonymen Pentagon-Mitarbeiter. Das hatte US-Präsident Ronald Reagan 1983 vor, als er die Strategic Defence Initiative (SDI) vorstellte. Sie ging als Sternenkriegsprogramm in die Geschichte ein. Nach diesen Plänen sollte ein gestaffeltes System von Lasern und kinetischen Waffen in allen Sphären, zu Lande, auf See, in der Luft und im All - sowjetische Raketen abfangen. Bis zum Ende des Kalten Krieges wurden viele Milliarden in das Projekt gesteckt, ohne den Zielen des SDI-Programms auch nur nahe zu kommen.
Ohne Kontrolle
Teile davon wurden dann unter den Präsidenten Clinton und Bush jr. weitergeführt. Bis zu den Anschlägen des 11. September 2001 begrenzte jedoch ein Vertrag die Entwicklung neuer Abwehrsysteme. Die USA und die Sowjetunion hatten sich darin unter anderem verpflichtet, sich auf zwei Stellungen mit 100 Abwehrraketen und die dazugehörigen Radaranlagen zu beschränken. Nach den Anschlägen auf das New Yorker World Trade Center traten die USA einseitig von dem Vertrag zurück, mit dem erklärten Ziel, neue Systeme zu entwickeln. Gegenwärtig gibt es also keinen Rüstungskontrollvertrag, der solchen Plänen im Wege steht.
Als der Anti-Raketen-Vertrag (ABM) 1972 geschlossen wurde, gab es nur zwei Mächte, die über Interkontinentalraketen verfügten. Inzwischen hat sie auch China. Peking gab kürzlich bekannt, man verfüge nun auch über Hyperschall-Waffen. Nordkorea hat 2018 Raketen mit großer Reichweite getestet, und der Iran ist kurz davor. Auch auf diese Bedrohungen soll der Pentagon-Report eine Antwort sein.
Die Pläne für die Raketenabwehr sind verbunden mit der Einrichtung einer neuen Waffengattung, die Trump im vergangenen Jahr angekündigt hatte: eine Space Force soll aufgestellt werden, die zu Armee, Marine, Marineinfanterie (Marines) und Luftwaffe hinzutrete. Trump hatte bereits angekündigt, dass auch Geld bereitgestellt wird, um die in Alaska und Kalifornien stationierten Systeme bodengestützter Abwehrraketen auszubauen.