Kampf gegen IS-Milizen: USA erwägt Luftschläge auch in Syrien
Die USA sehen die islamistische Terrormiliz IS als extreme Bedrohung, der Kampf gegen sie soll deshalb verstärkt auch auf Syrien ausgeweitet werden. Unterdessen werden neue Details zu Entführung des US-Journalisten James Foley bekannt.
Die US-Regierung schließt Luftangriffe auf die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) auch in Syrien nicht mehr aus. "Wir denken über alle Optionen nach", sagte US-Verteidigungsminister Chuck Hagel am Donnerstag im Pentagon auf die Frage eines Reporters. US-Generalstabschef Martin Demspey erklärte, die Organisation könne nicht besiegt werden, ohne ihre Teile in Syrien ins Kalkül zu ziehen. Der Kampf müsse auf beiden Seiten der „quasi nicht existierenden Grenze“ zwischen dem Irak und Syrien geführt werden. „Das wird passieren, wenn wir ein Bündnis in der Region haben, das die Aufgabe übernimmt, IS langfristig zu besiegen“, sagte Dempsey mit Blick auf die internationale Gemeinschaft.
Die IS-Extremisten beherrschen sowohl in Syrien als auch im Nachbarland Irak große Gebiete. Kämpfer und Waffen können die Grenze zwischen den beiden Ländern ungehindert passieren. Die USA hatten Anfang August im Nordirak mit Luftangriffen auf die Terrorgruppe begonnen, nachdem die Miliz immer näher an die kurdischen Autonomiegebiete herangerückt war. IS-Extremisten und Soldaten des syrischen Regimes von Präsident Baschar al Assad lieferten sich am Freitag heftige Kämpfe um einen strategisch wichtigen Militärflughafen im Osten des Landes. Dabei seien mindestens 35 IS-Kämpfer umgekommen, berichtete die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte.
IS-Kämpfer versuchen seit Tagen, den Flughafen Al Tabka einzunehmen. Er ist die letzte Bastion des Regimes in der ostsyrischen Provinz Al-Rakka. Sollten die Extremisten den Flughafen erobern, könnten sie die Region unbehelligt beherrschen. Die Terrorgruppe kontrolliert im Norden und Osten Syriens rund ein Drittel der Fläche des Landes. Gemäßigtere Regimegegner befinden sich dagegen auf dem Rückzug, weil sie gegen das Regime und die Extremisten zugleich kämpfen müssen. Seit Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs im März 2011 kamen nach UN-Angaben bereits weit mehr als 190. 000 Menschen ums Leben.
Hagel bezeichnete den IS als extreme Bedrohung für die Vereinigten Staaten. „Es ist weit mehr als eine Terrorgruppe“, sagte er. Sie sei „so hoch entwickelt und gut finanziert wie keine andere“ und "jenseits von allem, was wir gesehen haben", fügte er hinzu. Hagel kündigte ebenfalls eine Fortsetzung der Luftangriffe gegen IS-Stellungen im Irak an. „Wir verfolgen eine langfristige Strategie.“ Er betonte aber, dass der US-Einsatz klar eingegrenzt sei. Um die Extremisten vollständig zu besiegen, müsse der Irak seine innenpolitischen Probleme in den Griff bekommen, mahnte Hagel.
IS forderte hohes Lösegeld für Journalist James Foley
Die Miliz verlangte nach einem Bericht der „New York Times“ 100 Millionen Euro Lösegeld für den später getöteten US-Journalisten James Foley. Das berichtete die Zeitung am Donnerstag unter Berufung auf Vertreter der Familie des Toten sowie auf einen namentlich nicht genannten Mitgefangenen Foleys.
Im Gegensatz zu europäischen Staaten lehnen es die USA kategorisch ab, Lösegelder zur Geiselbefreiung zu zahlen. Foley wurde von den Terroristen enthauptet, zugleich drohen diese mit dem Tod weiterer Amerikaner. Laut „New York Times“ sind Lösegelder aus europäischen Ländern zum Haupteinkommen des Terrornetzwerks Al-Kaida und seiner Ableger geworden. Sie hätten in den vergangenen fünf Jahren mindestens 125 Millionen Dollar an Lösegeldern eingenommen, ergab demnach eine Studie der Zeitung.
Gescheiterte Befreiungsaktion in Syrien
Vor einigen Wochen versuchte die USA-Armee vergeblich, Foley zu befreien. An der nächtlichen Kommandoaktion in Syrien waren laut „New York Times“ zwei Dutzend Soldaten der Spezialeinheit Delta Force beteiligt. Es war die erste von den USA bekanntgegebene Militäraktion in Syrien seit Ausbruch des Bürgerkrieges vor mehr als drei Jahren. Ziel war eine Ölraffinerie im Norden Syriens, wo Foley und andere Geiseln vermutet wurden. Offenbar waren die Gefangenen aber kurz zuvor verlegt worden.
Im Nachbarland Irak setzte die US-Luftwaffe ihre Angriffe gegen Stellungen der Islamisten fort. Kampfjets hätten sechs Ziele in der Nähe des Mossul-Staudamms angegriffen, teilte das US-Zentralkommando in Tampa (Florida) mit. Mehrere Fahrzeuge und Stellungen seien zerstört oder beschädigt worden. Die irakische Nachrichtenseite Al-Sumaria News meldete, mindestens 35 Extremisten seien getötet worden. Seit Beginn der Luftschläge am 8. August flogen die Amerikaner nach eigenen Angaben insgesamt 90 Angriffe.
Obama spricht von Völkermord
Die Enthauptung des 40-jährigen Journalisten hatte weltweit Entsetzen ausgelöst. Die Terroristen hatten ein Video veröffentlicht, das den Tod des seit 2012 in Syrien vermissten Reporters zeigt. US-Präsident Barack Obama verurteilte den Mord scharf. Die Tat „schockiert das Bewusstsein der gesamten Welt“, sagte er an seinem Urlaubsort Marthàs Vineyard in Massachusetts. Die IS-Terrormilizen strebten einen „Völkermord an einem alten Volk an“, sie hätten „keinerlei Wertschätzung für menschliches Leben“. Die Terroristen hätten „keinen Platz im 21. Jahrhundert“, sagte er.
Bei dem Befreiungsversuch kam es laut „New York Times“ zu einem kurzen Feuergefecht, ein US-Soldat habe leichte Verletzungen erlitten. Regierungsbeamte gingen davon aus, dass eine nicht genannte Anzahl von Terroristen getötet wurde.
IS hält 4000 Gefangene in Syrien
Die Militäraktion hätte ursprünglich nicht bekanntgegeben werden sollen, hieß es weiter. Im Pentagon werde befürchtet, dass durch die Veröffentlichungen weitere derartige Aktionen schwieriger würden. Nach Angaben von Menschenrechtlern hat die Terrormiliz mindestens 4000 Gefangene in Syrien in ihrer Gewalt. Darunter seien auch „einige Dutzend Ausländer“, sagte ein Sprecher der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte der dpa. Rund 20 Gefangene seien Amerikaner und Europäer.
Der Islamische Staat will ein länderübergreifendes Kalifat mit Irak und Syrien errichten und hat dabei bereits zahlreiche Gräueltaten gegen Zivilisten verübt. Auch Deutschland und Italien wollen deshalb Kurden im Nordirak sowie die irakische Armee mit Waffen beliefern. Zuvor hatten bereits Großbritannien und Frankreich Rüstungslieferungen für den Kampf gegen die IS in Aussicht gestellt.
Auch Dänemark erklärte sich zum Transport von Hilfsgütern bereit.
Iran dementiert Berichte über Teilnahme am Anti-Terror-Kampf
Das iranische Außenministerium hat derweil Medienberichte zurückgewiesen, wonach die Islamische Republik im Gegenzug für eine Aufhebung der Wirtschaftssanktionen zur Zusammenarbeit beim Anti-Terror-Kampf im Irak bereit sei. Der Minister sei nicht korrekt zitiert worden, teilte Außenamtssprecherin Masieh Afcham am Donnerstag mit. Die Berichte stimmten daher nicht.
Mehrere Medien hatten zuvor unter Berufung auf Außenminister Mohammed Dschawad Sarif berichtet, der Iran sei bereit, sich am Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) im Irak zu beteiligen. Im Gegenzug müssten die UN-Vetomächte sowie Deutschland beim Sicherheitsrat auf eine Aufhebung der im Atomstreit verhängten Strafmaßnahmen drängen, wurde Sarif etwa von der Nachrichtenagentur Tasnim zitiert. Die Sanktionen haben den Gottesstaat in eine Wirtschaftskrise gestürzt.
Als Nachbarland Iraks spielt der Iran eine wichtige Rolle beim Anti-IS-Kampf. Der schiitische Iran gehört zu den Feinden der sunnitischen Extremistengruppe. Es soll bereits eine Zusammenarbeit der Islamischen Republik mit dem Erzfeind USA gegeben haben, bestätigen will das aber keine der beiden Regierungen.
(dpa/AFP)