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Einfluss für Obama: US-Supreme-Court: Auf liberal folgt liberal

John Paul Stevens, der dienstälteste Richter des obersten Gerichtshofs der USA geht in Pension – Obama sucht den Nachfolger und kann damit die Zusammensetzung des Supreme Courts beeinflussen.

Der älteste Verfassungsrichter der USA, John Paul Stevens, hat seinen Rückzug für diesen Sommer angekündigt und Präsident Barack Obama damit die Möglichkeit eröffnet, die Zusammensetzung des Supreme Courts nach nur einem guten Jahr im Amt bereits zum zweiten Mal nach seinen Vorstellungen zu beeinflussen. Im Sommer 2009 war der liberale Richter David Souter zurückgetreten. Obama hatte als Nachfolgerin Sonia Sotomayor vorgeschlagen; sie ist das erste Mitglied des neunköpfigen Obersten Gerichts, das aus der wachsenden Minderheit der Latinos stammt.

Stevens wird am 20. April 90 Jahre alt. Er war 1975 auf Vorschlag des republikanischen Präsidenten Gerald Ford berufen worden. Im Laufe seiner gut 34 Jahre Amtszeit, der drittlängsten in der Geschichte des Gerichts, war er aber immer mehr zum Wortführer des liberalen Flügels geworden und zur prominentesten Gegenfigur des von George W. Bush im Jahr 2005 ernannten konservativen Vorsitzenden John Roberts und dessen Vorgänger William Rehnquist in den Jahren 1986 bis 2005. Als dienstältester Richter bestimmte Stevens zudem, wer eine Urteilsbegründung schreibt, in den Fällen, in denen der Vorsitzende sich bei einem Urteil in der Minderheit befand.

Verfassungsrichter in den USA werden auf Lebenszeit ernannt und prägen die Rechtsprechung meist über mehrere Jahrzehnte. Deshalb gelten Stevens Rückzug und die Nachfolgeentscheidung als ein Vorgang von enormer Tragweite in den USA, auch wenn sich an der ideologischen Zusammensetzung des Obersten Gerichts voraussichtlich wenig ändert. Allgemein wird erwartet, dass Obama abermals eine progressive Person vorschlägt – ebenso, wie er auf den liberalen Souter die liberale Sotomayor folgen ließ. Allerdings muss er gewisse Rücksichten auf die Republikaner nehmen, da der Senat der Berufung eines neuen Richters zustimmen muss.

Derzeit ist der Supreme Court parteipolitisch weitgehend ausbalanciert. Vier Richter gelten als konservativ: neben dem Vorsitzenden John Roberts Antonin Scalia, Clarence Thomas, der einzige schwarze Richter, und Samuel Alito, der wie Roberts 2005 von Bush berufen wurde. Ihnen stehen vier Progressive gegenüber: neben Stevens Ruth Bader Ginsburg, Steven Breyer und neuerdings Sonia Sotomayor. Der neunte Richter, Anthony Kennedy, ist bei strittigen Themen oft das Zünglein an der Waage. Stevens wird nachgesagt, er habe die Gabe bewiesen, Kennedy mithilfe seiner Erfahrung und seines Charmes auffallend oft auf die liberale Seite zu ziehen.

Obama sagt, er wolle rasch einen Vorschlag zur Nachfolge machen. Den Senat bat er, bei den Anhörungen zügig zu verfahren. Amerkanische Medien nennen drei Favoriten. Elena Kagan vertritt derzeit als Solicitor General die Position der Bundesregierung vor Gericht. Sie war Jura-Dekanin an der Universität Harvard, wo Obama studierte. Beide haben in den 90er Jahren Jura an der Universität Chicago gelehrt. Sie gilt als progressiv, ohne eine Provokation für Konservative zu sein. Diane Wood ist Richterin am Bundesobergericht für den siebten Justizbezirk, zu dem Obamas Heimatstaat Illinois gehört. Als Befürworterin der Abtreibungsfreiheit würde sie auf starken Widerstand unter Republikanern stoßen.

Merick Garland gilt als moderate Kompromisslösung. Er ist Richter am Bundesobergericht in Washington und den Republikanern leichter zu vermitteln. Mit seiner Berufung würde Obama aber Anhänger enttäuschen, die den liberalen Flügel am Obersten Gericht stärken wollen.

Stevens hatte seit Monaten angedeutet, dass er vor der Präsidentenwahl 2012 zurücktreten wolle, damit Obama über die Nachfolge entscheiden kann. Ein Wahljahr wie 2010 gilt einerseits als schwieriges Klima für die Debatte im Senat über eine Richterernennung. Andererseits könnte Obamas Kongressmehrheit durch die Wahl im Herbst wackliger werden.

Christoph von Marschall

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