Krawalle und Zusammenstöße in Bagdad: US-Botschaft stellt konsularische Dienste ein
Die Demonstranten ziehen sich von der US-Botschaft in Bagdad zurück. Bürger der USA werden aufgefordert, sich der Botschaft nicht zu nähern.
US-Botschaft Bagdad hat infolge der jüngsten gewaltsamen Proteste bis auf Weiteres alle konsularischen Dienstleistungen eingestellt. Alle bereits vereinbarten Termine seien hinfällig. US-Bürger seien aufgefordert, sich der diplomatischen Vertretung nicht zu nähern, teilte die Botschaft am Mittwoch mit. Das Generalkonsulat in Erbil – der Hauptstadt der kurdischen Autonomiegebiete im Nordirak – bleibe für das Beantragen von Visums- und Passangelegenheiten geöffnet.
Das Auswärtige Amt hat die gewaltsamen Angriffe auf die US-Botschaft in Bagdad verurteilt. Die Sicherheit und Unverletzlichkeit diplomatischer Vertretungen und ihres Personals gehörten zum Kern der internationalen Ordnung, hieß es am Mittwoch in einer Mitteilung des deutschen Außenministeriums. Übergriffe seien durch nichts zu rechtfertigen. Die Ereignisse von Bagdad erfüllten aber auch mit Blick auf die Lage in der Region mit Sorge, hieß es weiter. Jetzt seien Besonnenheit und Augenmaß besonders wichtig.
US-Außenminister Mike Pompeo verschob eine Reise in die Ukraine und andere Länder wie Zypern, um die Lage im Irak zu beobachten und die "Sicherheit von Amerikanern im Nahen Osten" sicherzustellen.
Demonstranten zogen sich von US-Botschaft zurück
Nach schweren Ausschreitungen am Dienstag zogen sich Demonstranten am Mittwoch von der US-Botschaft in Bagdad zurück, wie Augenzeugen der Deutschen Presse-Agentur berichteten. Später berichtete dies auch die Nachrichtenagentur Reuters unter Verweis auf irakische Militärs. Demnach hätten irakische Sicherheitskräfte die Botschaft abgesichert.
Am Morgen war es zunächst erneut zu Zusammenstößen zwischen Protestierern und Sicherheitskräften gekommen, die dabei auch Tränengas einsetzten.
Auf Fotos im Internet war zu sehen, wie Demonstranten Zelte abbauten und auf Jeeps das Gelände vor der Botschaft verließen. Die überwiegend schiitischen Volksmobilisierungseinheiten hatten zuvor in einer Mitteilung dazu aufgerufen, sich aus Respekt vor der irakischen Regierung von der US-Botschaft zurückzuziehen. Zahlreiche Demonstranten hatten die Nacht vor der Botschaft in Bagdad verbracht.
Wachhäuschen und Empfang in Brand gesetzt
Am Dienstag war es zu schweren Ausschreitungen gekommen. Nach Beerdigungen von schiitischen Kämpfern, die am Wochenende bei US-Luftangriffen getötet worden waren, hatten sich Demonstranten auf den Weg in die besonders geschützte „Grüne Zone“ in der irakischen Hauptstadt Bagdad gemacht. Dort befinden sich zahlreiche irakische Ministerien und internationale Botschaften.
Wie Augenzeugen berichteten, wurden die zum Teil in Militäruniform marschierenden Demonstranten von den irakischen Sicherheitskräften an einem Kontrollpunkt vor der US-Botschaft nicht aufgehalten.
Anschließend setzten die Demonstranten mehrere Wachhäuschen und den Empfangsbereich der Botschaft in Brand. Auf TV-Bildern war zu sehen, wie einige Demonstranten auf die Mauern des riesigen Botschaftsgeländes kletterten und dort Flaggen schiitischer Milizen im Irak hissten.
Die Sicherheitskräfte setzten Tränengas ein. Kampfhubschrauber des Typs „Apache“ flogen am Abend über die Menge und feuerten Signalraketen zur Abschreckung ab. Einen kompletten Sturm der diplomatischen Vertretung hat es nach US-Angaben nicht gegeben. Es sei auch keine Evakuierung geplant.
Wegen der jüngsten Spannungen im Irak verlegen die USA mit sofortiger Wirkung 750 zusätzliche Soldaten in die Region. Darüber hinaus stünden weitere Truppen bereit, um in den nächsten Tagen auszurücken, erklärte Verteidigungsminister Mark Esper am Dienstagabend (Ortszeit). Die USA haben derzeit rund 5000 Soldaten im Irak stationiert.
Zuvor hatte das US-Militär bereits die Verlegung von rund 100 Marineinfanteristen aus Kuwait eingeleitet. „Die Vereinigten Staaten werden unsere Bürger und Interessen überall auf der Welt schützen“, versicherte der Minister. Die USA machen den Iran für die jüngsten Ausschreitungen verantwortlich.
Auslöser der Proteste waren mehrere Luftangriffe der USA auf Einrichtungen der schiitischen Miliz Kataib Hisbollah (Hisbollah-Brigaden) am vergangenen Wochenende. Dabei starben 25 Menschen, 50 weitere wurden verletzt. Die vom Iran unterstützte Gruppe wird seit 2009 von den USA als Terrororganisation eingestuft und soll für mehrere Angriffe auf US-Einheiten im Irak verantwortlich sein.
Am vergangenen Freitag waren bei Raketenangriffen auf eine irakische Militärbasis in Kirkuk ein dort stationierter US-Angestellter und vier amerikanische Soldaten verletzt worden.
Der Angriff rief aber auch scharfe Kritik der irakischen Regierung hervor. Die Kataib Hisbollah ist Teil der sogenannten Volksmobilisierungseinheiten, einer Dachorganisation überwiegend schiitischer Milizen, die im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) an vorderster Front gekämpft hatte.
Nach dem offiziellen Sieg über den IS im Irak hatte die Regierung angekündigt, die Milizen in die regulären irakischen Truppen einzugliedern. Die Gruppe hatte bereits im Oktober 2017 angekündigt, für ein Ende der amerikanischen Präsenz im Irak zu kämpfen.
Die USA machen den Iran verantwortlich
US-Präsident Donald Trump drohte dem Iran wegen der Ausschreitungen in Bagdad mit Vergeltung. Jegliche Schäden oder Opfer würden den Iran teuer zu stehen kommen, schrieb Trump am Dienstagabend (Ortszeit) auf Twitter. „Das ist keine Warnung, das ist eine Drohung. Frohes Neues Jahr!“, schrieb Trump. Die Botschaft sei inzwischen wieder sicher, nachdem viele Soldaten und „die tödlichste Militärausrüstung der Welt“ rasch dorthin verlegt worden seien, schrieb Trump weiter.
Außenminister Mike Pompeo erklärte, die USA hätten „schnell, vorsichtig und entschlossen gehandelt“, um die Botschaft zu schützen. Er machte „vom Iran unterstützte Terroristen“ für die Proteste verantwortlich.
Irans oberster Führer Ajatollah Ali Chamenei wies die Anschuldigungen als „absurd“ zurück: „Seien Sie (Trump) doch mal logisch, was Sie ja nicht sind, ... Fakt ist, dass die Völker in dieser Region die USA wegen ihrer Verbrechen hassen“, sagte der Ajatollah am Mittwoch nach Angaben des Staatssenders Irib. Chamenei hat nach der Verfassung das letzte Wort in allen strategischen Belangen des Landes.
Die Zusammenstöße setzen US-Präsident Trump weiter unter Druck. Er wirbt eigentlich damit, die US-Truppen im Nahen Osten nach Hause bringen zu wollen. Angesichts der Spannungen mit dem Iran sind zuletzt allerdings 14 000 Soldaten zusätzlich in die Region verlegt worden, unter anderem nach Saudi-Arabien, einem Erzfeind des Irans.
Auch im Irak verfügt der Iran über großen politischen Einfluss und steht damit in Rivalität zu den USA. Die US-Regierung geht davon aus, dass der Iran seinen Einfluss auf schiitische Milizen zuletzt gezielt für Angriffe gegen das US-Militär genutzt hat.
Auch das Auswärtige Amt in Berlin hatte den Iran zuletzt aufgefordert, seine Politik der „Destabilisierung“ zu beenden, da „die steigende Zahl von Angriffen durch nicht-staatliche Milizen“ die Stabilität des Iraks gefährde. Der Iran warf Deutschland daraufhin „grundlose Unterstellungen“ vor. Deutschland verschließe zugleich die Augen vor den Einmischungen der USA in die inneren Angelegenheiten des Iraks, twitterte Außenamtssprecher Mussawi in Teheran.
Die 2009 eröffnete US-Botschaft in Bagdad ist nach US-Angaben die größte Botschaft der Vereinigten Staaten weltweit. Der hochgesicherte Botschaftskomplex ist mit 42 Hektar in etwa so groß wie der Vatikan. (dpa)