Rechtsextreme bei "Pegida"-Demos: Unter fremder Flagge
Rechtsextreme mischen sich zunehmend unter die „Pegida“-Demonstranten. Das zeigte sich zum Beispiel am vergangenen Montag in München, Schwerin und Stralsund.
Bei der machtvollen Demonstration von 20.000 Menschen gegen „Pegida“ am vergangenen Montag in München haben die Teilnehmer den Islam-Gegnern immer wieder lautstark „Nazis raus“ entgegengerufen. Dass sie mit dieser Titulierung zumindest in Teilen recht hatten, zeigt die Aufarbeitung des von der Polizei geschützten anti-islamischen „Pegida“-Umzuges. „Die bayerische Neonazi-Szene hat massiv für diese Demonstration mobilisiert“, sagte Markus Schäfert vom bayerischen Verfassungsschutz dem Tagesspiegel. Und aus deren Sicht äußerst erfolgreich. Nach Schäferts Schätzung gehörten zehn bis 20 Prozent der Pegida-Demonstranten zur bekennenden rechtsextremen Szene. Bei 1500 Teilnehmern sind das 150 bis 300.
Alle bekannten bayerischen Neonazis waren da, meint Schäfert. Die Grünen-Landtagsabgeordnete Katharina Schulze bezeichnet sie als die „NS-High- Society“. So etwa André E., der im NSU-Prozess angeklagt ist. Er gilt als enger Vertrauter des Zwickauer Terror-Trios, ihm wird in München die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Neben ihm kam auch der Neonazi Karl-Heinz Statzberger zur „Pegida“-Demo. Er ist eine Führungsfigur der Münchner Szene und war wegen des geplanten Anschlags auf die Grundsteinlegung des jüdischen Gemeindezentrums im Gefängnis. Auch Neonazi-Kader Philipp Hasselbach, aktiv in der „Bürgerinitiative Ausländerstopp“ sowie der Partei „Die Rechte“, war mit von der Partie. Die bayerische NPD bewirbt „Pegida“ genauso wie die neue Sammlung „Der dritte Weg“ oder der Stadtrat Karl Richter, ein bekennender Rechtsextremist.
Die einzelnen Personen und Organisationen sind untereinander komplett zerstritten. „Aber alle sind gekommen“, sagt Katharina Schulze. „Für jeden Demokraten ist das ein Warnsignal hoch zehn.“ Für sie ist es wichtig, den anderen Teilnehmern der „Pegida“-Kundgebung zu vermitteln: „Sie laufen zusammen mit Nazis.“ „Die Rechtsextremisten bemühen sich nun, anschlussfähig zu werden“, fürchtet der Verfassungsschützer Schäfert. Er rechnet damit, „dass sich das am kommenden Montag wiederholt“.
Die Münchner „Pegida“-Veranstalter allerdings wollen von diesen Umtrieben nichts mitbekommen haben. Er habe „keinen einzigen mir bekannten Rechtsradikalen gesehen“, wird Michael Stürzenberger von der Anti-Islam-Partei „Die Freiheit“ zitiert.
Auch in Mecklenburg-Vorpommern wird die „Pegida“-Bewegung von Rechtsextremen unterwandert. Während sie auf den Demos in Dresden noch Anschluss sucht, hat die NPD in Stralsund und Schwerin am vergangenen Montag gleich den Ton angegeben. „MVgida“ heißt der „Pegida“-Ableger im Nordosten. Wer dahintersteckt, ist unklar. Die Gruppe kommuniziert selbst über Facebook nur sparsam. Trotzdem waren zum ersten Marsch mehrere hundert Menschen auf die Straße gegangen. 350 davon in der Landeshauptstadt. „Die NPD hat getrommelt“, sagt Marc Brandstetter vom Nachrichtenportal „Endstation Rechts“.
Gekommen war die Landesspitze um Stefan Köster und Udo Pastörs, der Hamburger Neonazi Thomas Wulff, den die NPD vor kurzem noch rauswerfen wollte, Kameradschaftsaktivisten aus Wismar, Güstrow, Ludwigslust, Hooligans von Hansa Rostock und Dynamo Schwerin. Es wurden Fackeln entzündet. Auf einem Plakat stand „Asylflut stoppen!“, aus dem Lautsprecher dröhnte: „Das Fronttransparent geht voran.“ Fast alles erinnerte an einen Neonazi-Aufmarsch. Nur ein paar Dutzend überwiegend ältere Männer, wenige Frauen und vereinzelte Familien passten nicht ins Bild.
Der AfD war das zu viel NPD. „Wir gehören mit denen nicht in einen Topf“, hatte der Landessprecher angekündigt und Unterstützung für die Demo verweigert. Das Ergebnis: Die rechtsextreme Partei konnte übernehmen. Während das Schloss als Zeichen gegen Rechtsextremismus verdunkelt worden war, ließ die NPD-Fraktion in ihren Räumen demonstrativ das Licht brennen. Kurzerhand wurde „MVgida“ gekapert. Ein Teil der Ordner und die meisten Demonstranten gehörten zum NPD-Umfeld.
Patrick Guyton