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Integration: „Unser deutscher Pass ist kein Ramschartikel“

Die CSU wettert gegen die offensive Einbürgerungspolitik in Hamburg und Baden-Württemberg. Die deutsche Staatsbürgerschaft könne nur am Ende eines gelungenen Integrationsprozesses stehen, sagt Generalsekretär Dobrindt.

Berlin - Zwischen SPD und Union entwickelt sich ein heftiger Grundsatzstreit um die Berechtigung einer offensiven Einbürgerungspolitik. Die CSU kritisiert vor allem die Einbürgerungsinitiative des Hamburger Ersten Bürgermeisters Olaf Scholz (SPD). „Unser deutscher Pass ist kein Ramschartikel, und Einbürgerungsquoten sind kein Maßstab für Weltoffenheit“, sagte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt dem Tagesspiegel. In seine Kritik bezieht Dobrindt auch die Politik der baden-württembergischen Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) ein.

Die Stadt Hamburg hat im Dezember damit begonnen, persönliche Einladungsbriefe des Regierungschefs an alle 137.000 Bürgerinnen und Bürger zu schicken, die die Voraussetzungen zur Verleihung der deutschen Staatsbürgerschaft erfüllen. Dazu müssen sie seit mindestens acht Jahren in Deutschland leben, Arbeit haben, deutsch sprechen und dürfen nicht vorbestraft sein. Seine persönliche Einladung zeigt große Wirkung, wie Scholz in einer Zwischenbilanz der Initiative Anfang April betonte. Die Zahl der Einbürgerungsanträge in Hamburg stieg zwischen Dezember und März um 34 Prozent, die Zahl der Beratungsgespräche sogar um 91 Prozent.

Scholz nennt die Einbürgerung von Ausländern ein Staatsziel. Seine Hamburger Initiative preist der Vize-Parteichef der Bundes-SPD als ein Modell, um Integrationsprobleme in der ganzen Republik zu lösen. Deutschland habe einen schweren Fehler gemacht, als es den Elan und den Optimismus der Migranten nicht erwiderte, die hier für sich und ihre Familien ein besseres Leben schaffen wollten. „Dass man diesen positiven Schwung gebrochen hat, ist Ursache für einen Teil der Integrationsprobleme“, glaubt der Regierungschef. In diesem Zusammenhang will Scholz das Staatsangehörigkeitsrecht so ändern, dass junge Leute, die einen allgemeinen Schulabschluss in Deutschland machen, damit auch einen Anspruch auf die Staatsbürgerschaft erwerben.

Dobrindt klagt über "wirre Einbürgerungsthesen"

Auch die baden-württembergische Integrationsministerin Öney erleichterte Einbürgerungen, unter anderem für ältere Migranten. Die CDU warf ihr deshalb vor, den deutschen Pass zu verramschen. Öney sagte dem Tagesspiegel, sie werbe für Einbürgerung, weil sich Integration und Teilhabe nur über die deutsche Staatsbürgerschaft erreichen ließen: „Der Pass gibt den Migranten eine zusätzliche Integrationsmotivation.“

CSU-Generalsekretär Dobrindt sieht sowohl in der Hamburger wie in der Stuttgarter Politik eine verhängnisvolle Fehlentwicklung. „Solche wirren Einbürgerungsthesen setzen ein völlig falsches Signal“, warnt er. Der deutsche Pass könne nur am Ende eines gelungenen Integrationsprozesses stehen, nicht am Anfang. „Statt über Fantasiequoten für Einbürgerungen zu schwadronieren, sollten wir gemeinsam die immer noch bestehenden Integrationsdefizite in Deutschland lösen“, fordert der CSU-Mann. Wer die Staatsbürgerschaft als Lockmittel benutze, der entwerte sie und erschwere „alle ehrlichen Integrationsbemühungen“.

Solche Kritik von CDU und CSU hält Ministerin Öney für doppelzüngig. „Entweder die Union will Integration, dann gehört die Einbürgerung dazu“, meint sie. Falls sie dies nicht wolle, solle sie „die Migranten in Ruhe lassen und nicht mit diesem populistisch vorwurfsvollen Integrationsgeschwätz nerven“.

In anderen SPD-regierten Ländern stößt die Hamburger Praxis der persönlichen Einladung auf großes Interesse, etwa in Berlin. Die Hauptstadt hat seit 2007 mehrere Initiativen zur Einbürgerung gestartet und will ihre entsprechende Kampagne im Herbst intensivieren. Berlin sei in engem Kontakt mit Hamburg, sagt Peter Ziegler, Sprecher von Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD): „Wir überprüfen derzeit, ob wir die Aktivitäten der Hansestadt teilweise auf Berlin übertragen können.“

CSU-Generalsekretär Dobrindt hat seine heftige Attacke offenbar nicht mit wichtigen Innenexperten seiner Partei abgesprochen. So wendet sich der Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Uhl zwar gegen den Vorschlag, den Schulabschluss zum Einbürgerungskriterium zu machen. Auf Straffreiheit und eigenen Verdienst als Voraussetzung zu verzichten, sei „Unfug“, sagt er. Die Einladungsschreiben von Scholz aber begrüßt der frühere Kreisverwaltungsreferent von München: „Die Aktion ist vernünftig, das habe ich vor 15 Jahren schon gemacht.“

Hans Monath

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