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Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD)
© Kay Nietfeld/dpa

Koalitionsausschuss: Unions-Politiker drängen auf Korrekturen beim Mindestlohn

Aus der Union reißen die Forderungen nicht ab, Änderungen am Mindestlohn-Gesetz vorzunehmen. Arbeitsministerin Andrea Nahles legt dem Koalitionsausschuss am Donnerstag einen ersten Erfahrungsbericht mit der Sozialreform vor.

Knapp vier Monate ist der gesetzliche Mindestlohn in Kraft, da steht er in Teilen der Koalition schon wieder auf dem Prüfstand. Auf Drängen der Union soll Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) am Donnerstag bei einem Treffen des Koalitionsausschusses einen Bericht vorlegen, welche Erfahrungen seit Jahresbeginn mit dem Mindestlohn gemacht wurden. Während die SPD-Politikerin zuletzt immer wieder deutlich machte, dass sie Gesetzesänderungen nicht für nötig hält, dringen Unions-Politiker auf Korrekturen. „Das Mindestlohn-Gesetz muss dringend nachgebessert werden. In der Praxis funktioniert vieles nicht“, sagt Christian von Stetten, Vorsitzender des Parlamentskreises Mittelstand der Unions-Bundestagsfraktion, dem Tagesspiegel. „Die reale Wirtschaft ist eben kein SPD-Programmparteitag.“

CDU-Wirtschaftsflügel verlangt Änderungen am Mindestlohn-Gesetz

Als Beispiel nennt der CDU-Wirtschaftspolitiker den Sportbereich. So müsse beispielsweise ins Gesetz geschrieben werden, dass der Mindestlohn für Amateurfußballer nicht gelte, sagt von Stetten. Die gleiche Ausnahme müsse es für Handwerksgesellen auf der Walz geben. „Die bekamen bisher ein Taschengeld von 30 Euro am Tag, Kost und Logis hatten sie frei.“ Jetzt gelte auch für sie der Mindestlohn, der nicht mit Übernachtungs- und Verpflegungsleistungen verrechnet werden könne. „In der Gesetzgebung sind eine Menge Fehler gemacht worden“, wirft er dem Ministerium vor.

Auch bei der Mindestlohn-Verordnung verlangt die Unions-Fraktion Änderungen. Diese sieht vor, dass Arbeitgeber in den neun Branchen, die besonders für Schwarzarbeit anfällig sind, für einen Teil ihrer Mitarbeiter die Arbeitszeiten aufschreiben müssen. Das ist dann der Fall, wenn diese bis zu 2985 Euro im Monat verdienen. Für Minijobs ist diese Erfassung unabhängig von der Branche vorgeschrieben. „Die Dokumentationspflicht für Minijobs ist überzogen“, kritisiert von Stetten. Die Regelung werde dazu führen, dass ein Teil der Minijobs verschwinden wird. „Seit Januar sind schon 220 000 Minijobs verloren gegangen. Offenbar ist das von der Arbeitsministerin politisch so gewollt“, sagt der CDU-Politiker.

In der Union hält man außerdem die Einkommensgrenze von 2985 Euro im Monat zu hoch. "Um bei einem Mindestlohn von 8,50 Euro auf diese Summe zu kommen, muss man 28 Tage im Monat je zwölf Stunden arbeiten. Das ist absurd", sagt von Stetten. Die Unions-Fraktion fordert deshalb, diese Grenze auf 1900 Euro im Monat zu senken. Das Ministerium hingegen argumentiert, die Summe von maximal 2985 Euro könne bei einem Beschäftigen mit Mindestlohn dann zustande kommen, wenn alle gesetzlichen Möglichkeiten von Mehrarbeit ausgereizt würden.

SPD hält die Arbeitszeitdokumentation für unverzichtbar

In der SPD ist man jedenfalls nicht bereit, die Mindestlohn-Vorschriften an dieser Stelle aufzuweichen. „Die Arbeitszeitdokumentation ist unverzichtbar, um den Mindestlohn kontrollieren zu können“, sagt die zuständige SPD-Vizefraktionschefin Carola Reimann dem Tagesspiegel. Der Aufwand für die Arbeitgeber sei überschaubar. „Viele von ihnen erfassen ja auch jetzt schon die Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiter“, sagte die SPD-Politikerin. So sind Arbeitgeber beispielsweise verpflichtet, Überstunden ihrer Beschäftigten aufzuschreiben – das setzt eine Arbeitszeitdokumentation voraus.

Zollgewerkschaft: "Tägliche Arbeitszeiten müssen nachvollziehbar aufgeschrieben werden"

Ob der gesetzliche Mindestlohn auch tatsächlich eingehalten wird, überprüft in Deutschland der Zoll. Seit Jahren sind die Mitarbeiter der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) damit beschäftigt, nicht nur illegale Beschäftigung in Deutschland aufzuspüren, sondern nebenbei auch Verstöße gegen Mindestlöhne festzustellen. „Damit wir den Mindestlohn kontrollieren können, müssen die täglichen Arbeitszeiten nachvollziehbar aufgeschrieben werden. Wenn dabei keine Uhrzeiten erfasst werden, haben Arbeitgeber viel Spielraum für Manipulationen“, sagt Dieter Dewes, Vorsitzender der Zollgewerkschaft BDZ. Er appelliert an die Koalition, die aktuellen Regelungen nicht zu verwässern. „Je mehr Ausnahmen es bei den Dokumentationspflichten gibt, desto schwieriger wird für uns die Kontrolle“, sagt Dewes dem Tagesspiegel. Die Masse der Betriebe sei ehrlich. "Aber es gibt auch schwarze Schafe. Die zu finden, ist unsere Aufgabe."

Dass Zollbeamte künftig nicht mehr nur Branchenmindestlöhne kontrollieren, wie das bisher etwa auf dem Bau üblich war, sondern sich auch verstärkt andere Wirtschaftszweige vornehmen, stößt im Unions-Wirtschaftsflügel auf Kritik. „Es ist absurd, wenn bewaffnete und uniformierte Zollbeamte künftig in Gaststätten, Sportvereine oder den Imbiss nebenan gehen, um den Mindestlohn zu kontrollieren“, sagt von Stetten. Das Ministerium habe nun vorgeschlagen, die Zollbeamten könnten Handzettel an die umstehenden Leute verteilen, dass es sich hierbei nur um eine Mindestlohnkontrolle handele. "Das zeigt doch, wie hilflos man im Ministerium ist", sagt von Stetten. In den nächsten Jahren soll der Zoll 1600 neue Beamte für die Kontrolle des gesetzlichen Mindestlohns bekommen. „Die wären bei der Terrorbekämpfung besser aufgehoben", findet der CDU-Mann.

An die Mindestlohn-Kontrollen wird man sich gewöhnen

Zollgewerkschafter Dewes hingegen sagt, man werde sich an die Kontrollen gewöhnen müssen. „Dass Zollbeamte in Dienstkleidung in einer Bäckerei oder einem Restaurant auftauchen, ist vielleicht erst einmal ungewohnt“, sagt er. Doch das werde sich ändern. „Wenn die Polizei in Uniform bei einem Fußballspiel auftritt, wundert man sich ja auch nicht“, sagt der BDZ-Vorsitzende. Die Beamten gingen bei den Mindestlohn-Kontrollen „mit Fingerspitzengefühl“ vor, versichert Dewes. „Es ist ein Unding, wenn diese Einsätze als Rollkommando oder als Überfall diffamiert werden.“ Dass ausgerechnet diejenigen, die für das Mindestlohn-Gesetz gestimmt hätten, es jetzt als Bürokratie-Monster bezeichneten, finde er abenteuerlich, sagt der Gewerkschafter zur anhaltenden Kritik aus den Reihen von CDU und CSU. Sein Rat an die Koalition: „Wir sollten die Debatte versachlichen.“

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