Koalition: Union und SPD einig beim Rentenpaket
Für die umstrittene Rentenreform der großen Koalition ist der Weg frei. Die Fraktionsspitzen der Regierungsparteien vereinbarten am Montag letzte Korrekturen am Gesetzentwurf - und stellten damit auch die Kritiker in der Union zufrieden.
Der koalitionsinterne Streit um die Rente ab 63 und die Anrechnung von Arbeitslosenzeiten ist beigelegt. Die Spitzen der Koalitionsfraktionen verständigten sich am Montag mit dem Kanzleramt auf eine einvernehmliche Lösung, teilten Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU), sein SPD-Amtskollege Thomas Oppermann und die CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt in Berlin mit. Alle drei Koalitionsvertreter werteten die Einigung als Zeichen für die Funktionsfähigkeit des schwarz-roten Bündnisses. Damit ist der Weg für die Verabschiedung des Rentenpakets am Freitag im Bundestag frei.
Wie die Koalitionsspitzen im Anschluss an ein Sondertreffen am Montag in Berlin mitteilten, wird es den zuletzt intensiv diskutierten "rollierenden Stichtag" geben. Er soll verhindern, dass Arbeitgeber ihren Mitarbeitern bereits im Alter von 61 Jahren kündigen und durch den zweijährigen Anspruch auf Arbeitslosengeld damit de facto zwei Jahre früher in den Ruhestand schicken. Durch den flexiblen Stichtag würden diese zwei Jahre Arbeitslosigkeit vor dem Renteneintritt nicht anerkannt.
Keine Begrenzung von Zeiten der Arbeitslosigkeit
Alle anderen Zeiten kurzzeitiger Arbeitslosigkeit würden dagegen durchgängig angerechnet, sagte Oppermann. Die Union hatte sich dafür stark gemacht, Zeiten des Arbeitslosengeldbezugs nur bis zu fünf Jahren anzuerkennen. Diese zeitliche Beschränkung soll es nun aber nicht geben. Anspruch auf die abschlagsfreie Rente mit 63 haben Arbeitnehmer, die bereits seit 45 Jahren arbeiten und Beiträge zahlen. Bis 2029 soll das Alter auf 65 Jahre angehoben werden. Das reguläre Renteneintrittsalter steigt bis dahin auf 67 Jahre.
Dem Wirtschaftsflügel der Union kommt der Kompromiss durch die sogenannte Flexi-Rente entgegen. So soll im Gesetz jetzt auch ergänzt werden, dass Arbeitnehmer nach Erreichen der Regelaltersgrenze die Möglichkeit erhalten, weiterhin auch befristet beim bisherigen Arbeitgeber beschäftigt zu werden. Das ist bislang nicht möglich. Die CSU wiederum erreichte, dass neben Zeiten der Arbeitslosigkeit auch Zeiten der freiwilligen Beitragszahlung angerechnet werden. Die letzten beiden Jahre vor dem Eintritt in die Rente zählen hierbei jedoch ebenfalls nicht. Zudem ist eine Voraussetzung, dass 18 Jahre lang Pflichtbeiträge gezahlt wurden. Dies betreffe vor allem Handwerker, die sich selbstständig gemacht hätten, sagte Hasselfeldt.
Kauder sagte, er sei sehr zufrieden, dass sich die Koalition in relativ kurzer Zeit auf das große Rentenpaket habe einigen können. Dies sei "ein schönes Beispiel dafür, dass die große Koalition ihre Aufgaben abarbeitet und dem Land eine gute Regierung stellt". Und Oppermann zeigte sich zuversichtlich, dass das Rentenpaket am Freitag "in ziemlich großer Geschlossenheit" durch den Bundestag gebracht werde. Zuvor hatten Teile der Union wegen ihrer Kritik an der Rente mit 63 damit gedroht, gegen das Paket von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) zu stimmen.
Lob von zahlreichen Unionspolitikern
Der rentenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Peter Weiß nannte die Einigung einen "tragfähigen und soliden Kompromiss". Die abschlagfreie Rente mit 45 Beitragsjahren dürfe "nicht zu neuen Frühverrentungsmodellen missbraucht werden", betonte der CDU-Politiker. Mit den jetzt gefundenen Regelungen werde dem wirksam ein Riegel vorgeschoben. Dadurch müsse es nun allen in der Unionsfraktion möglich sein, dem Rentenpaket im Bundestag zuzustimmen.
Auch der CDU-Sozialexperte Jens Spahn, einer der Kritiker des Rentenpakets, begrüßte die Einigung. Dank des rollierenden Stichtags werde nicht nur eine Frühverrentungswelle mit 61 ausgeschlossen, man schaffe nun auch den Einstieg in die Flexi-Rente. Damit sende man "das entscheidende Signal, dass wir verstanden haben, worauf es in einer älter werdenden Gesellschaft ankommt", sagte Spahn dem Tagesspiegel. Obwohl die Rente mit 63 "grundsätzlich ein falsches Signal" bleibe, werde er dem Paket mit diesen Änderungen nun zustimmen.
Der Bundesvorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der Union, Carsten Linnemann (CDU) kündigte gegenüber dem Tagesspiegel nun ebenfalls seine Zustimmung an. Die Flexi-Rente sei "ein Paradigmenwechsel in der Rentendebatte", sagte er. Sie bilde "einen wichtigen Gegenpol zur Rente mit 63, die dringend benötigte Facharbeiter vorzeitig in den Ruhestand schickt", und dadurch werde das Rentenpaket um das entscheidende Signal ergänzt, "dass derjenige, der gern länger arbeiten möchte, dies künftig auch darf".
Die Linkspartei dagegen sprach von einer "Mogelpackung". Die Koalition habe sich auf Kosten der Beitragszahler geeinigt, sagte Parteichef Bernd Riexinger dem Berliner "Tagesspiegel" (Dienstagsausgabe). Die Regierenden senkten das Rentenniveau für die Rentner von morgen ab, die Rentenkasse werde "für eine versicherungsfremde Leistung ausgeplündert". Solange eine sozial gerechte Finanzierung fehle, sei das Paket nicht zustimmungsfähig.
(mit dpa)