Kein Kinderkram: Union streitet um geplantes Betreuungsgeld
Die CDU-Spitze hat den Unmut über das geplante Betreuungsgeld in den eigenen Reihen unterschätzt.
Der Streit über das Betreuungsgeld ist in der Koalition neu entbrannt. Einige Aufregung lösten am Wochenende 23 CDU-Bundestagsabgeordnete aus, die in einem Brief an Fraktionschef Volker Kauder (CDU) ankündigten, dass sie ein Betreuungsgeld nach den Vorstellungen der bayerischen Familienministerin Christine Haderthauer (CSU) im Bundestag ablehnen würden. „Es gibt sehr viel Kritik an der Idee, Bargeld auszuzahlen“, sagte der baden-württembergische Abgeordnete Peter Weiß, der zu den Unterzeichnern gehört. Und seine CDU-Kollegin Rita Pawelski, Chefin der Frauengruppe in der Fraktion, wies darauf hin, dass es noch „sehr viel mehr Abgeordnete“ seien, die diese Regelung nicht wollten.
Auf Druck der CSU hatten Union und FDP in ihrem Koalitionsvertrag das Betreuungsgeld verabredet. Im November 2011 schließlich hatten die Spitzen von Union und FDP sich im Koalitionsausschuss verständigt, die neue Leistung ab 2013 einzuführen. Eltern, die ihre Kinder nicht in einer staatlich geförderten Einrichtung betreuen lassen, sollen 150 Euro im Monat für ihre ein- bis dreijährigen Kinder erhalten.
Für viele Abgeordnete kam die damalige Einigung überraschend, hatte es doch seit Regierungsbeginn immer wieder Zank über das Vorhaben gegeben. Die FDP war ohnehin skeptisch, akzeptierte den Kompromiss aber, weil gleichzeitig die für die Liberalen wichtigen Steuersenkungen verabredet wurden. Vor allem die CDU-Spitze unterschätzte aber offenbar den Unmut in den eigenen Reihen. So gehören zu den Unterzeichnern des Briefes nicht nur Hinterbänkler, sondern auch zwei stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Die Kritik entzündet sich dabei an verschiedenen Punkten.
Ein Teil der CDU-Frauen hat ein grundsätzliches Problem damit, die neue familienpolitische Leistung zu akzeptieren, die von Gegnern als „Herdprämie“ bezeichnet wird. Zwar will die bayerische Familienministerin Haderthauer das Bargeld auch an Eltern zahlen, die beide berufstätig sind und ihr Kind von der Oma oder einer privaten Kinderfrau betreuen lassen, statt es in die Krippe zu geben. Doch das Bargeld soll es natürlich auch dann geben, wenn ein Elternteil zu Hause bleibt und sich um das Kind kümmert. Dies sei vor allem ein Anreiz für Mütter, ihren Beruf für eine längere Zeit aufzugeben, monieren die Kritikerinnen.
Es gibt auch Gegenvorschläge.
Der CDU-Politiker Weiß würde das Geld daher lieber anders investieren. „Die Frauen, die keine Krippe in Anspruch nehmen, sollten zusätzliche Rentenansprüche erhalten“, forderte der Vorsitzende des Arbeitnehmerflügels. „Statt Bargeld zu zahlen, sollten wir lieber für eine verbesserte Rentenbiografie sorgen.“ Ein Vorschlag, für den sich auch die Frauen-Union starkmacht.
Der sächsische CDU-Abgeordnete Michael Kretschmer stellt zwar das Betreuungsgeld nicht grundsätzlich infrage. Der Fraktionsvize warnte jedoch vor Fehlanreizen. Für sozial schwächere Familien in Ostdeutschland sei die Betreuung in der Kita oft kostenfrei. „Gerade für diese Personengruppe könnte es einen Anreiz geben, ihre Kinder zu Hause zu betreuen, damit sie die 150 Euro bekommen“, sagte Kretschmer. „Das müssen wir bei der Ausgestaltung bedenken.“
Ein Teil der Kritiker moniert zudem, dass die Finanzierung des Betreuungsgeldes unklar sei. Für die Kosten von 400 Millionen Euro im Jahr 2013 und 1,2 Milliarden Euro ab 2014 ist im Bundesetat bisher lediglich eine globale Minderausgabe eingeplant, die durch Einsparungen in anderen Ressorts erbracht werden soll.
Die stellvertretende CSU-Generalsekretärin Dorothee Bär verteidigte das Betreuungsgeld: „Jede Familie muss sich aussuchen können, wie sie lebt.“ Es gebe in Deutschland viele Eltern, die die Betreuung ihrer Kinder privat organisieren, etwa durch Verwandte, sagte sie. „Es ist ungerecht, wenn der Staat Krippenplätze mit 1000 Euro bezuschusst, aber diese Familien gar keine finanzielle Anerkennung bekommen.“ Sie kritisierte den Widerstand der 23 CDU-Abgeordneten als „sinnloses Aufbäumen“ und prophezeite: „Das Betreuungsgeld wird auf jeden Fall kommen.“ Die Einführung der neuen familienpolitischen Leistung sei auch keine Gewissensentscheidung: „Da müssen sich die Abgeordneten der Mehrheit in der Koalition beugen“. Der Brief der 23 sei nicht nur ein massiver Angriff auf die CSU, sondern auch auf die CDU-Vorsitzende Angela Merkel und Unions-Fraktionschef Kauder. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe versicherte denn auch eilig am Sonntag, die CDU stehe zu den Verabredungen.