Werteunion fordert Rücktritt von Laschet und Söder: Union ringt nach Bundestagswahl-Debakel um Einheit
Ultrakonservative Unionsmitglieder fordern eine personelle Neuaufstellung. CDU-Spitzenpolitiker stellen sich teilweise hinter Laschet und Söder.
CDU und CSU ringen nach der historischen Wahlniederlage bei der Bundestageswahl um Einheit. Mehrere Spitzenpolitiker stellten sich vor den Gremiensitzungen zwar hinter die Ankündigung von CDU-Chef Armin Laschet und des CSU-Vorsitzenden Markus Söder, nun ein Jamaika-Bündnis mit Grünen und FDP anzustreben.
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"Es gibt die Möglichkeit, eine bürgerliche Regierung zu bilden", sagte etwa CDU-Vize Julia Klöckner in Berlin. Aber es gibt auch Widerspruch: Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer sagte im MDR, die Wahl habe eine Wechselstimmung gezeigt. "Ich sehe einen klaren Wählerwillen, der deutlich gemacht hat, die Union ist dieses Mal nicht die erste Wahl", sagte er. Auch forderte Kretschmer ein "Innehalten" seiner Partei. Sowohl in CDU als auch CSU übten zudem konservativen Gruppierungen scharfe Kritik an den Vorsitzenden und dem Kurs der Union.
CDU und CSU waren am Sonntag auf das historisch schlechteste Ergebnis bei einer Bundestagswahl abgerutscht und landeten mit 24,1 Prozent hinter der SPD nur auf Platz zwei. Laschet will am Montag in CDU-Präsidium und -Bundesvorstand aber die mit Söder abgesprochene Linie durchsetzen, dass die Partei nun geschlossen in Sondierungen mit FDP und Grünen gehen solle. Söder hatte dies am Sonntagabend ebenfalls gefordert. Beide argumentieren damit, dass es auch keine Mehrheit für ein rot-grünes oder ein rot-grün-rotes Bündnis gegeben habe.
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Ralph Brinkhaus stellt sich zur Wiederwahl
Unterstützung kam von Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus, der sich am Dienstag in der konstituierenden Sitzung der neuen und geschrumpften Bundestagsfraktion wiederwählen lassen will. "Ich würde gerne Fraktionsvorsitzender bleiben", sagte Brinkhaus, der ebenfalls auf eine mögliche Regierung mit Grünen und FDP setzt. Unklar war Unionskreisen zufolge, ob am Dienstag Gegenkandidaten in der Fraktion antreten werden.
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CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen sprach im ZDF über eine mögliche Regierungsbildung von einem "offenen Prozess", bei dem es darum gehe, ob SPD oder Union eine parlamentarische Mehrheit organisieren könnten. "Natürlich kann Opposition ein Ergebnis sein, ich würde es aber für falsch halten, jetzt Opposition als Ziel zu formulieren", sagte der bisherige Fraktionsvize Andreas Jung aus Baden-Württemberg im SWR. Bundesgesundheitsminister und CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn forderte im "Spiegel" eine Verjüngung der Parteispitze. Für die Union seien seiner Meinung nach weiter Ergebnisse über 30 Prozent möglich.
Vor allem im Osten ist das Entsetzen in der Union über das Wahlergebnis aber groß. Denn die AfD wurde sowohl in Sachsen als auch Thüringen stärkste Kraft und nahm der Union die meisten Direktmandate ab. Kretschmer und Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff übten deshalb Kritik.
Sachsens Regierungschefs sprach von inhaltlichen und personellen Fehlentscheidungen im CDU-Wahlkampf, die nun aufgearbeitet werden müssten. "Wir haben in Deutschland gestern ein Erdbeben erlebt", sagt Kretschmer dem MDR. Haseloff sagte, das Ergebnis im Osten sei ein "Desaster".
Werteunion wirft Bundesvorstand Mitschuld an „fatalen Linkskurs“ vor
Nach den schweren Verlusten der Union bei der Bundestagswahl fordert die Werteunion zudem eine umfassende personelle Neuaufstellung. „Vorstand und Parteivorsitzende von CDU und CSU“ - also Armin Laschet und Markus Söder - „müssen die Konsequenzen aus dem Wahldebakel bei der Bundestagswahl vom 26. September 2021 ziehen und mit sofortiger Wirkung zurücktreten“, erklärte der Zusammenschluss ultrakonservativer Unionsmitglieder in der Nacht zum Montag.
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Die Vorstände sollten von alle Mitgliedern der Union - und nicht nur Delegierten - neu gewählt werden, heißt es weiter.
In der 16-jährigen Kanzlerschaft Angela Merkels habe die Union „einen fatalen Linkskurs eingeschlagen“ und sei nun erstmals seit langem nicht stärkste Kraft. „Der Bundesvorstand hat diesen Kurs mitgetragen und das jetzige Wahldebakel mit zu verantworten“, hieß es.
Sollte es zu Koalitionsverhandlungen der Union mit anderen Parteien kommen, fordere die Werteunion eine Regierungsbildung ohne Beteiligung der Grünen.
Bei der Bundestagswahl ist die SPD auf Platz eins gelandet. Die Sozialdemokraten erhielten 25,7 Prozent der Stimmen, wie aus dem vorläufigen Endergebnis hervorgeht, das der Bundeswahlleiter am Montagmorgen bekannt gab.
Die Union erreichte demnach 24,1 Prozent und wurde zweitstärkste Kraft. Die Grünen kamen mit 14,8 Prozent auf Platz drei, gefolgt von der FDP mit 11,5 Prozent und der AfD mit 10,3 Prozent. Die Linke erhielt 4,9 Prozent der Stimmen. (dpa, AFP)