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Vom Kabinett ist das Tabakwerbeverbot bereits beschlossen. Nur die Union zögert noch.
© picture alliance / dpa

Werbeverbot für Tabak: Union blockiert Gesetzesentwurf

Das Tabakwerbeverbot schien beschlossene Sache. Doch plötzlich gibt es in der Union wieder Bedenken. Das ärgert nicht nur die SPD, sondern auch zwei CSU-Politiker: die Drogenbeauftragte und den Ernährungsminister.

Nach der überraschenden Blockade des geplanten Tabakwerbeverbots durch die Unionsfraktion haben Ernährungsminister Christian Schmidt und die Drogenbeauftragte Marlene Mortler (beide CSU) an ihre Parteifreunde appelliert, sich diesem Vorhaben nicht länger zu verweigern.

"Damit muss jetzt wirklich Schluss ein"

„Es spricht nichts dagegen, dass sich der Deutsche Bundestag die Zeit nimmt, den Gesetzentwurf der Bundesregierung in Ruhe zu diskutieren“, sagte Mortler dem Tagesspiegel. Klar sei jedoch: Tabakwerbung über Plakate, Kinospots und kostenlose Produktabgabe richte sich „in allererster Linie“ an Jugendliche und junge Erwachsene. „Damit muss jetzt wirklich Schluss sein. Das sehen alle anderen Staaten in der EU genauso.“

Auch Schmidt verwies auf die Nachbarländer. In einem Außenwerbeverbot für Zigaretten sehe er „nichts Ungewöhnliches, wenn ich mich in den anderen EU- Mitgliedsstaaten und auf meinen Reisen umschaue“, sagte der Minister dieser Zeitung. „Im Gegenteil: Wir sind das einzige Land in Europa, in dem Tabakwerbung im Außenbereich noch erlaubt ist.“ Rauchen sei „das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko“, es verursache „immense gesundheitliche Folgekosten“. Daher halte er an dem Ziel fest, die Außen- und Kinowerbung für Tabakprodukte zu verbieten.

Unionsfunktionäre sehen noch Diskussionbedarf

Nach ursprünglicher Planung hätte sich der Bundestag noch vor der Sommerpause mit dem Gesetzentwurf befassen sollen. Daraus wurde nichts, weil sich in der Union drei Monate nach dem Kabinettsbeschluss plötzlich Bedenkenträger zu Wort meldeten. Es gebe „da noch Diskussionsbedarf“, begründete die Chefin der CSU-Landesgruppe, Gerda Hasselfeldt den Rückzieher. Werbung für legale Produkte zu verbieten, sei schließlich ein „ziemlicher Eingriff“.

Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer lehnt ihn rundweg ab. Die bestehenden Werbeverbote seien „sehr ausreichend", meint der CDU-Politiker. Jeder Bürger könne selber entscheiden, was gut oder schlecht für ihn sei.

Zigarettenindustrie warnt vor beispiellosem Eingriff

Damit haben wichtige CDU-Politiker die Argumentation der Tabaklobby übernommen. Bei dem Gesetzentwurf handle es sich um einen „beispiellosen verfassungswidrigen Eingriff in Grundrechte und in den Wettbewerb der Marktwirtschaft“, heißt es beim Deutschen Zigarettenverband (DZV). Damit würde „erstmals für ein an Erwachsene freiverkäufliches legales Genussmittel die Kommunikation zwischen Herstellern und ihren Kunden gesetzlich gänzlich untersagt“.

Und es werde nicht dabei bleiben, prophezeit DZV-Geschäftsführer Jan Mücke. „Wer einmal ein totales Werbeverbot mit der Begründung erlässt, dass es den Gesundheitsschutz fördere, schafft damit die Regulierungsblaupause für andere Produkte, deren Genuss mit gesundheitlichen Risiken verbunden sein kann.“ Dem „Neopuritanismus der Beamten des Bundeslandwirtschaftsministeriums“ müsse dringend Einhalt geboten werden.

120.000 Tabaktote im Jahr

Puritanismus? Pro Jahr kämen hierzulande 120.000 Menschen durchs Rauchen zu Tode, hält Mortler dagegen. Man wolle erreichen, dass das Rauchen gerade bei jungen Menschen nicht mehr als „Lifestyle“ und „Inbegriff von Freiheit“ verstanden werde, sondern „als das, was es ist: eine der wirksamsten Möglichkeiten, das eigene Leben zu verkürzen“.

Entsprechend harsch ist die Kritik des Koalitionspartners an den Verzögerungen. Es könne „nicht sein, dass Lobbygruppen unsere Politik bestimmen“, sagte SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach dem Tagesspiegel. Mit jeder weiteren Verschiebung erlaube man der Zigarettenindustrie, „noch mehr Kinder und Jugendliche süchtig zu machen“. Das Tabakwerbeverbot müsse sofort nach der Sommerpause auf die Tagesordnung, es komme ohnehin viel zu spät.

Grüne: Rechtlich überhaupt kein Problem

Es gebe „rechtlich überhaupt kein Problem, die Werbung für legale Produkte zu verbieten“, betonte die Vorsitzende des Rechtsausschusses im Bundestag, Renate Künast. gegenüber dieser Zeitung. Allerdings wundere es sie nicht, dass sich die Union „wieder mal dem Lobbydruck hingibt. So sind sie immer.“

Dass das Gesetzesvorhaben komplett kippen könnte, glauben aber nicht mal die Lobbyisten. DZV-Geschäftsführer Mücke erwartet „allenfalls eine Atempause für die deutsche Tabakwirtschaft". Dabei sei die in diesem Jahr von der Politik schon genug „traktiert worden“. Mit der Einführung von Schockbildern „ohne ausreichende Übergangsfristen“. Mit dem Verbot von Zusatzstoffen, das auch rückwirkend gelten solle. Mit höherer Mindeststeuer auf Zigarettenund neuen Mindestpackungsgrößen.

Die Drogenbeauftragte weist solche Vorhaltungen zurück. „Es mag so aussehen, als sei die Tabakwirtschaft im Moment besonders belastet“, sagt sie. „Das stimmt aber nicht: In allen anderen EU-Staaten gelten die gleichen Bedingungen, und unsere Pläne waren auch allen längst bekannt.“ Deswegen sei sie „sehr zuversichtlich, dass sich die große Mehrheit den klaren Blick auf die Dinge von der Lobby nicht vernebeln lässt“.

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