Aufnahme Palästinas: Unesco vor schweren Zeiten
Nach der Aufnahme Palästinas steht die Unesco vor schweren Zeiten, weil die USA ihre Zahlungen stoppen. Auch Israel droht mit Strafmaßnahmen.
Die Aufnahme Palästinas kommt die UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur (Unesco) teuer zu stehen. Die USA sind nun gesetzlich gezwungen, ihre Zahlungen an die Unesco zu beenden. Sie belaufen sich auf rund 70 Millionen Dollar pro Jahr; das entspricht 22 Prozent des Jahresbudgets. Da auch Israel seinen Unesco-Beitrag einbehalten möchte, wird ein Viertel des jährlichen Haushalts fehlen. Die Zahlungen waren für Dezember vorgesehen.
Präsident Barack Obama und seine Außenministerin Hillary Clinton wollten diese Folge vermeiden und hatten die Führung der Unesco erfolglos gebeten, die Abstimmung zu verschieben. Zudem hatten sie die Palästinenser aufgefordert, nur einen Beobachterstatus wie die EU und nicht die Vollmitgliedschaft zu beantragen. Am Montag hatte die Unesco mit 107 Ja- und 14 Neinstimmen sowie 52 Enthaltungen für die Aufnahme Palästinas als Vollmitglied gestimmt.
Damit endet eine Phase der Wiederannäherung der USA an die UN-Organisation nach einer stürmischen Vergangenheit. Von 1984 bis 2003 hatten die USA die Unesco boykottiert mit der Begründung, dass die Organisation korrupt sei, systematisch eine gegen den Westen gerichtete Politik betreibe und Beschlüsse fasse, die in der Praxis auf eine Einschränkung der Pressefreiheit hinausliefen. Im Februar 1990 verabschiedete der US-Kongress ein Gesetz, dass es der Regierung vorschreibt, alle Zahlungen an die UN und an jede Unterorganisation einzustellen, die der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) den vollen Mitgliedsstatus gibt. Damals galt die PLO als terroristische Organisation. Im April 1994 folgte ein weiteres Gesetz, das der US-Regierung vorschreibt, die Finanzierung der UN und jener Unterorganisationen zu beenden, die einer Institution, die nicht international als Staat anerkannt ist, die Vollmitgliedschaft verleiht. Die Aussicht, diese Gesetze im US-Präsidentschaftswahlkampf zu kippen, ist minimal. Die Republikaner machen die unbedingte Unterstützung Israels zum Wahlkampfthema. Sie haben die Mehrheit im Abgeordnetenhaus.
Doch die Aufnahme Palästinas hat auch Israel in ein Dilemma gestürzt. Der Entscheid sei nicht gegen jemanden gerichtet, sondern unterstütze Freiheit und Frieden, betonte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas. Aber die israelische Regierung sieht jeden Punktgewinn für die Palästinenser als eine Delegitimation an. Als Reaktion ordnete der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Dienstagabend eine Beschleunigung des Siedlungsausbaus in Ost-Jerusalem und im Westjordanland an. Außerdem wurde laut einem Regierungssprecher ein vorläufiger Stopp der Steuer- und Zollrückzahlungen in Millionenhöhe an die Palästinenser beschlossen. Nach Angaben der Tageszeitung „Haaretz“ erwägt die israelische Regierung darüber hinaus die Streichung des VIP-Status für ranghohe Palästinenservertreter an den Kontrollpunkten.
Ein Austritt Israels aus einer der wichtigsten UN-Organisationen aber wäre ein klares Eigentor. „Dann lassen sie uns vielleicht nie wieder rein“, sagte ein israelischer Repräsentant am Dienstag angesichts der wachsenden internationalen Isolation Israels. Für das Land, in dem historische Orte für den Tourismus besonders wichtig sind, hat die Unesco-Welterbeliste eine große Bedeutung. In den vergangenen zehn Jahren hat die Organisation mehrere Stätten in dem Land am östlichen Mittelmeer auf ihre Liste des Weltkulturerbes gesetzt.
Der Eintritt der Palästinenser in die Unesco ist vor allem mit Blick auf die Kulturstätten im besetzten Westjordanland brisant. Sowohl Israel als auch die Palästinenser beanspruchen dort mehrere heilige Stätten wie die Patriarchengräber in Hebron und das Grab der Rachel bei Bethlehem als ihr Kulturerbe. Im Oktober 2010 hatte die Unesco bereits betont, die Patriarchengräber und das Grab der Rachel seien integraler Bestandteil der besetzten Palästinensergebiete.
Die Generaldirektorin der Unesco, Irina Bokova, hatte in ihrer Rede nach der Aufnahme Palästinas von einem „historischen Moment“ gesprochen und sich dann – vom Französischen in Englische wechselnd – mit einem emotionalen Appell an die USA gewandt mit der Bitte, die Organisation nicht finanziell zu schwächen. Die Mädchen in Afghanistan, die in Unesco-geförderten Schulen lesen und schreiben lernen, würden nicht verstehen, wenn ihnen dieser Zugang zu einem besseren Leben wieder verwehrt würde, sagte Bokova.
In Deutschland gab es ein geteiltes Echo. Der SPD-Nahostexperte Rolf Mützenich kritisierte das deutsche „Nein“ als „großen Fehler“. Grünen-Chefin Claudia Roth warf Außenminister Guido Westerwelle (FDP) vor, er habe bei der Abstimmung „erneut einen Beitrag dazu geleistet, dass Europa Kakophonie produziert, statt ein eigenständiger, handlungsfähiger Akteur zu sein“. Die Deutsch-Israelische Gesellschaft dankte Deutschland dagegen ausdrücklich für das klare Nein bei der Abstimmung. mit dpa
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