Blog zur Griechenland-Krise: Und schon fehlen Alexis Tsipras wieder 1,7 Milliarden
Der Ton zwischen Griechenland, der Eurogruppe und der EZB verschärft sich weiter, dazu brechen die griechischen Steuereinnahmen ein. Die nächste Deadline kommt - und Juncker bezichtigt die Griechen der Lüge. Lesen Sie die Entwicklungen des Tages in unserem Blog nach.
Zwischenstand und Aussicht: Es sieht nicht gut aus
Im Schuldenstreit zwischen Griechenland und seinen Gläubigern ist knapp zwei Wochen vor Ablauf der letzten Frist keine Bewegung in Sicht. Für das Treffen der Euro-Finanzminister am Donnerstag in Luxemburg zeichnete sich auch am Mittwoch kein Kompromiss über die Reformauflagen im Gegenzug für neue Hilfen ab. Stattdessen überzogen sich beide Seiten erneut mit Vorwürfen, für die verfahrene Lage verantwortlich zu sein. Die US-Regierung mahnte alle Beteiligten, die Folgen für die Weltwirtschaft im Blick zu behalten. Die griechische Notenbank zeichnete ein düsteres Bild, falls die Verhandlungen scheitern und das Land aus der Euro-Zone und womöglich auch der EU kippen sollte.
Steuern?!
Müssen reiche Griechen Steuern zahlen? Österreichs Kanzler Faymann meint: ja. Mit Blick auf die Steuern sagte er, reiche Griechen müssten ihre Abgaben zahlen und dürften ihr Geld nicht ins Ausland schaffen. Das dürfte nicht jedem gefallen...
Schäuble erwartet keinen Beschluss der Eurogruppe
Die Euro-Finanzminister werden nach Angaben des Bundesfinanzministeriums bei ihrem Treffen am Donnerstag wohl nicht über Unterlagen oder Papiere entscheiden können. Ziel der Bundesregierung sei, bei dem Treffen in Luxemburg einen Schritt weiterzukommen.
London plant den "Grexit"
Die britische Regierung verstärkt ihre Vorbereitungen für ein etwaiges Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone. "Angesichts des Gesprächsverlaufs können Sie erwarten, dass wir sicherstellen, dass die richtigen Pläne bereitliegen und dass wir die Vorbreitungen beschleunigen", sagte eine Sprecherin von Premierminister David Cameron am Mittwoch. Eine Zahlungsunfähigkeit würde vermutlich ein ernstes wirtschaftliches Risiko für Großbritannien mit sich bringen. Die Verhandlungen zwischen der Regierung in Athen und ihren Gläubigern sind festgefahren. Die griechische Notenbank hat gewarnt, ein Scheitern der Gespräche könnte das das Land womöglich aus der Euro-Zone führen.
Athen will mit Amnestie für Steuersünder Geld einnehmen
Mit einer Amnestie für Steuersünder erhofft sich Griechenland Einnahmen aus im Ausland deponiertem Schwarzgeld. Es solle eine „einmalige“ Chance geben, diese Gelder gegen Zahlung einer „einmaligen Abgabe“ in Höhe von 21 Prozent zu legalisieren, sagte der griechische Minister für Korruptionsbekämpfung, Panagiotis Nikoloudis, am Mittwoch in Athen. Nach Expertenschätzungen liegen auf griechischen Konten in der Schweiz rund 80 Milliarden Euro. Zwei Drittel davon sollen unversteuertes Schwarzgeld sein.
Hilft vielleicht der "Geuro"?
Den Begriff hat Ex-Deutsche-Bank-Chefvolkswirt Thomas Mayer erfunden, im Mai erläuterte er sein Konzept Griechenlands Finanzminister Giannis Varoufakis. "Geuro"-Schuldscheine würden Athen finanziellen Spielraum verschaffen und durch die Abwertung die Wettbewerbsfähigkeit des Landes stärken, so seine Theorie. Die Rechnung ginge aber nur auf, wenn die internationalen Gläubiger ihre Forderungen zurückstellen und das griechische Bankensystem weiter durch den Euro-Rettungsschirm gestützt würde, was unter Experten als ausgeschlossen gilt. Ein Rückweg vom Geuro zur Euro-Vollmitgliedschaft gelänge nur, wenn Athen durch Wirtschaftsreformen ein Haushaltsplus erwirtschaftet und die Schuldscheine allmählich auslösen kann.
Ganz oder gar nicht
Bei der Gründung der europäischen Währungsunion wollte oder konnte sich niemand vorstellen, dass ein Mitglied eines Tages wieder austreten würde. In den Verträgen ist diese Möglichkeit nicht vorgesehen. Geregelt ist lediglich der Austritt aus der EU insgesamt: "Jeder Mitgliedstaat kann im Einklang mit seinen verfassungsrechtlichen Vorschriften beschließen, aus der Union auszutreten", heißt es in Artikel 50, Absatz 1 des EU-Vertrags.
Dieser Weg wurde im Falle Griechenlands schon vor drei Jahren diskutiert, um ein Ausscheiden aus der Eurozone zu ermöglichen: Wer aus der EU austritt, könne auch nicht mehr Euro-Mitglied sein, lautet die Argumentation.
Doch was, wenn Griechenland aus der Eurozone austreten, aber EU-Mitglied bleiben will? Dann müsste Athen dies nach Artikel 49 des EU-Vertrags neu beantragen. Dem müssten die verbleibenden Mitglieder einstimmig sowie die Mehrheit der Abgeordneten des Europaparlaments zustimmen.
Jetzt warnt auch die griechische Zentralbank
Die griechische Zentralbank hat angesichts der stockenden Verhandlungen mit den internationalen Geldgebern vor einem Ausscheiden Athens aus der Eurozone gewarnt. Sollte keine Einigung erzielt werden, stehe Athen vor einem "schmerzhaften Weg, der zu einem Bankrott und schließlich zum Ausscheiden des Landes aus der Eurozone und höchstwahrscheinlich auch aus der EU führen würde", erklärte die Notenbank am Mittwoch. Ohne weitere Finanzhilfen der Euro-Partner und des Internationalen Währungsfonds (IWF) droht Athen schon Ende des Monats seine Schulden bei IWF nicht mehr begleichen zu können.
Wo ist nur das Geld?
Sehr unerfreulich haben sich vor dem Hintergrund er Dauerkrise die Steuereinnahmen Griechenlands entwickelt. Sie sollen nach übereinstimmenden Berichten der Finanzpresse in den ersten fünf Monaten des Jahres rund 1,7 Milliarden Euro hinter den Erwartungen zurückliegen. Grund dafür ist nach Angaben des Staatsradios vom Mittwoch, dass sich die gesamte Wirtschaft praktisch nicht mehr bewege. Außerdem ließen viele Bürger die Fristen für die Zahlung von Steuern verstreichen. Stattdessen versuchten sie, Steuern später in Raten zu zahlen. Zudem seien die Mehrwertsteuereinnahmen dramatisch gesunken, weil viele Bürger ihre Ausgaben so weit wie möglich einschränkten.
Das Gesicht von Syriza
Lesen Sie hier das große Tagesspiegel-Interview mit dem griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis.
Die Zeichen stehen auf Grexit
Im Schuldenstreit mit Griechenland wächst in der EU die Sorge vor einem Grexit. Vor seinem Besuch am Mittwoch in Athen sagte der österreichische Kanzler Werner Faymann, er fürchte eine schleichende Gewöhnung an die Vorstellung, dass Griechenland die Eurozone verlässt.
Am Mittwoch will Faymann bei seinem Besuch bei dem griechischen Regierungschef Alexis Tsipras einen neuen Anlauf für eine Einigung unternehmen. Er werde Tsipras raten, schwierige Maßnahmen zu ergreifen und sie seinem Volk und seiner Partei zu erklären, sagte Faymann am Dienstag. Dies werde von einem Politiker erwartet, wenn er ein "Staatsmann" geworden sei.
Nach Angaben der österreichischen Nachrichtenagentur APA sagte Faymann, er habe sich vor seinem Besuch in Athen mit Juncker "ausführlich" abgestimmt, auch mit einigen "europäischen Regierungschefs" habe er seinen Standpunkt abgeglichen. Der österreichische Regierungschef will demnach von Athen die Einhaltung seiner Zusagen verlangen. Zugleich fahre er nach Athen, "um zu zeigen: Wir sind nicht an einem Grexit interessiert", sagte Faymann laut APA.
Juncker: Die Griechen verdrehen meine Worte
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker beschuldigte die griechische Regierung derweil, seine Worte in den Verhandlungen verdreht zu haben. "Ich werfe ihnen vor, der griechischen Bevölkerung Dinge gesagt zu haben, die nicht mit dem übereinstimmen, was ich dem griechischen Ministerpräsidenten gesagt habe", sagte er am Dienstag. Die Debatte sowohl in als auch außerhalb Griechenlands wäre einfacher, wenn die griechische Regierung genau das wiedergeben würde, was die Kommission wirklich vorschlage. Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis wies die Vorwürfe zurück und entgegnete: "Juncker hat die Dokumente, die er Tsipras gegeben hat entweder nicht gelesen oder er hat sie gelesen und wieder vergessen."
Auch die USA sind nervös
Die USA warnten vor einem Scheitern der Verhandlungen. Finanzminister Jacob Lew forderte Tsipras in einem Telefonat zu "ernsthaften" Anstrengungen auf. Wenn Athen keine Einigung mit seinen internationalen Gläubigern erziele, würde dies auch eine "generelle Unsicherheit für Europa und die Weltwirtschaft" bedeuten, warnte Lew nach Angaben seines Ministeriums.
"Keine Anzeichen für Kompromiss"
Die Leiterin des Athener Büros der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung, Susanna Vogt, sagte der Nachrichtenagentur AFP mit Blick auf Tsipras, es gebe "keine echten Anzeichen der Regierung für einen Kompromiss". Der Regierungschef gehe weiterhin "fest davon aus, dass Europa sein Land nicht fallen lässt". Dies sei aber womöglich eine "Fehleinschätzung" der sich wandelnden Stimmung in den Euro-Ländern.
Griechenland und die internationalen Geldgeber verhandeln seit Monaten über die Bedingungen für die Auszahlung ausstehender Finanzhilfen von 7,2 Milliarden Euro. Eine Einigung ist nicht in Sicht, allerdings drängt die Zeit, da das laufende Hilfsprogramm am Monatsende endet. Ohne neue Kredite droht Griechenland der Bankrott und womöglich der Austritt aus der Eurozone.
Fratzscher warnt vor Grexit
Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, warnte vor diesem Szenario. "Würden wir jetzt sagen 'Schluss', dann wären für Deutschland auf einen Schlag etwa 70 Milliarden Euro verloren", sagte Fratzscher der "Saarbrücker Zeitung" (Mittwochsausgabe). Außerdem könne es zu "Ansteckungseffekten" etwa bei Italien kommen. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer warnte Griechenland unterdessen davor, auf die Angst der Euro-Partner vor einem Grexit zu setzen. Es werde "keine leichtfertigen Kompromisse geben, nur um Griechenland im Euro zu halten", sagte Scheuer der "Rheinischen Post" (Mittwochsausgabe). dpa/AFP/Reuters