Kalte Progression und Solidaritätszuschlag: Und ewig melkt die CDU
Die CDU hat sich festgelegt: Vorerst kein Abbau der kalten Progression, Fortführung des Solidaritätszuschlags. Die Politik des soliden Haushalts soll die Mitte der Gesellschaft bezahlen. Ein Kommentar.
Es hat mittlerweile schon mehr als einen Anflug von Dreistigkeit, wie in der Führung der CDU zur kalten Progression und zur Zukunft des Solidaritätszuschlags argumentiert wird. Was Kanzlerin, Finanzminister, Fraktionschef und Parteigeneralsekretär in den Parteitag hinein formuliert haben, läuft auf eine Irreführung der Öffentlichkeit hinaus. Angela Merkel, Wolfgang Schäuble, Volker Kauder und Peter Tauber wollen im kommenden Wahlkampf mit einer soliden Haushaltspolitik punkten, mit der schwarzen Null, mit ausgeglichenem Etat. Das ist zweifellos keine falsche Politik mit Blick auf die deutschen Verhältnisse. Freilich wird diese solide Politik bisher weitgehend von denen finanziert, die 2017 dann, so der Wunsch der CDU-Führung, aus großer Dankbarkeit für so viel Solidität das Kreuzchen bei der Union machen sollen. Es ist die Mitte dieser Gesellschaft. Nicht einer soliden Ausgabenpolitik verdanken wir die Schwarze Null, so sie 2015 denn kommt, sondern vor allem den extrem niedrigen Zinsen, welche die Altersvorsorge von Millionen ebenso extrem schmälert, und den über die Wachstumsraten hinaus steigenden Steuereinnahmen. Den Spielraum durch sinkende Zinsausgaben, der sich gegenüber den Erwartungen im Frühjahr im Verlauf der Etatberatungen ergab, wurde von den Koalitionsfraktionen nur dazu genutzt, neue Ausgaben zu beschließen. Das Geld war da, das Geld musste weg. Und die Kanzlerin sagt, es gebe noch keine Spielräume für umgehen de Steuerentlastungen.
Realeinkommen stagnieren oder sinken
Und damit sind wir bei der kalten Progression. In einer Zeit stagnierender und auch sinkender Realeinkommen in weiten Teilen der Bevölkerung ist sie keineswegs ein Problem, das man später lösen kann. Die Reallöhne insgesamt sind heute um 0,7 Prozent niedriger als im Jahr 2000. Alle, die an den Gehaltssteigerungen nicht mehr oder nur noch partiell teilhaben, werden über Gebühr belastet, wenn der Steuertarif nicht stetig an die Inflation angepasst wird. Ihre Kaufkraft sinkt oder wächst nur unterdurchschnittlich, ihre steuerliche Einstufung aber bleibt gleich. Das ist nicht mehr die gebotene Besteuerung nach Leistungskraft. Binnen eines Jahres mag der Effekt für den einzelnen Steuerzahler gering sein, zumal bei niedriger Inflation, über die Jahre hinweg sammelt sich aber etwas zusammen – und beim Staat kumuliert sich das in Milliardenhöhe. Es trifft Millionen in der Schicht der mittleren und kleinen Steuerzahler. Sie tragen zum Wachstum der öffentlichen Haushalte seit Jahren mehr bei als ihren fairen Anteil. Es ist ein Skandal, den Merkel, Kauder, Schäuble und Tauber wegreden wollten. Mit dem Kompromiss vom Montag ist wenig gewonnen, denn er liegt näher an den Interessen der CDU-Führung.
Falsche Fährte
Auch beim Solidaritätszuschlag wird versucht, die Steuerzahler auf eine falsche Fährte zu locken. Kanzlerin Merkel will die Einnahmen daraus auch nach 2017 einsetzen – auch nach dem Ende des Solidarpakts. Die Ausgaben für die deutsche Einheit endeten nicht mit dem Auslaufen des Solidarpakts, sagt sie jetzt. Doch wann enden sie dann? 2025? 2050? Was sind die Kriterien? Bisher war der Soli eine Zusatzsteuer für den Aufbau der Infrastruktur im Osten und die Finanzierung teilungsbedingter Lasten, vor allem Schulden, beim Bund. Das aber reicht nicht mehr als Begründung für eine Fortsetzung. Das Manko der ostdeutschen Länder, die im europäischen Vergleich durchaus konkurrenzfähig sind, ist nicht ein Rückstand bei der Infrastruktur, ist nicht ein zu hoher Schuldenstand, es ist die im innerdeutschen Vergleich relativ geringe Steuerkraft. Die aber wurde und wird über den Finanzausgleich ausgeglichen. Unterdurchschnittliche Steuerkraft als Begründung für die Verewigung des Soli – das taugt nicht. Aber das Geld soll weiter fließen - irgendeine Begründung wird sich schon finden.
Die SPD macht mit
Die SPD springt nun auf den Zug, Parteichef und Vizekanzler Sigmar Gabriel will jetzt auch bald die kalte Progression abbauen. Aber im Verein mit den Ländern. Man kann sich denken, wie das endet. Der Anlauf der schwarz-gelben Koalition, die kalte Progression anzugehen, endete bekanntlich am rot-grünen Widerstand im Bundesrat. Auch die CDU-Ministerpräsidenten haben ihre Bedenken geäußert. So könnte der zweite Anlauf zum Abbau der kalten Progression wieder im undurchsichtigen Geflecht der Bund-Länder-Finanzverhandlungen versanden. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann hat zudem schon angemerkt, dass es ohne "Gegenfinanzierung" nicht gehe. Ausgabenabbau ist damit vermutlich nicht gemeint.
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