zum Hauptinhalt
Erdogan verlangt von der EU auch mehr Geld für die rund 3,6 Millionen Flüchtlinge in der Türkei (Archivbild).
© REUTERS

Die Rolle der Türkei in der Flüchtlingsfrage: Und Erdogan droht und droht und droht...

Der türkische Präsident benutzt das Flüchtlingselend als Druckmittel. Er will die EU im Mittelmeerstreit um Gebietsansprüche zum Einlenken bewegen.

Die Türkei droht für den Fall von Sanktionen im Mittelmeerstreit zwar damit, das Flüchtlingsabkommen mit Europa aufzukündigen. Derzeit hält sich Ankara aber an die Vereinbarung mit Brüssel. Laut UN-Zahlen kamen seit Jahresbeginn knapp 4300 Bootsflüchtlinge aus der Türkei auf Lesbos an, die meisten von ihnen im Frühjahr.

Von Anfang Mai bis Ende August verzeichnete die Uno nur etwa 440 Ankömmlinge auf der Insel. Die Zahlen belegen, dass die türkischen Behörden im Sommer, der wegen des günstigen Wetters bei den Menschenschmugglern für die Überfahrten besonders beliebt ist, die Küsten weiter scharf kontrolliert haben – trotz aller politischen Warnungen an die EU.

[Mit dem Newsletter „Twenty/Twenty“ begleiten unsere US-Experten Sie jeden Donnerstag auf dem Weg zur Präsidentschaftswahl. Hier geht es zur kostenlosen Anmeldung: tagesspiegel.de/twentytwenty. ]

Zuletzt hatte die türkische Führung vor wenigen Tagen erklärt, sie werde die Zusammenarbeit mit der EU in der Flüchtlingsfrage aufkündigen, falls Europa in den kommenden Wochen Strafmaßnahmen beschließen sollte. Besonders Griechenland, Zypern und Frankreich fordern Sanktionen gegen Ankara, um die Türkei im Streit um Gebietsansprüche und Gasvorkommen im östlichen Mittelmeer zum Einlenken zu bewegen.

Das Thema dürfte bei einem Treffen der EU-Mittelmeerländer an diesem Donnerstag zur Sprache kommen. Eine Entscheidung soll bei einem EU-Gipfel am 24. und 25. September fallen. Der Sprecher der türkischen Regierungspartei AKP, Ömer Celik, warnte Europa davor, mit Sanktionen die Mitarbeit der Türkei in der Flüchtlingsfrage aufs Spiel zu setzen.

Erdogan wirft der EU den Bruch des Flüchtlingsdeals vor

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte Anfang März die Landgrenze mit Griechenland für Flüchtlinge geöffnet, um die EU unter Druck zu setzen. Zehntausende Menschen strömten an die Grenze, wo die meisten von ihnen von den griechischen Grenztruppen aufgehalten wurden. Menschenrechtler werfen den griechischen Truppen vor, dabei äußerst brutal vorgegangen zu sein. Zwei Menschen wurden getötet.

Nach Gesprächen mit der EU schloss die Türkei die Grenze wieder. Erdogan verlangt von Europa mehr Unterstützung im Syrienkonflikt und bei der Versorgung von 3,6 Millionen syrischen Flüchtlingen in der Türkei.

[Die Coronavirus-Krise ist auch für die Politik eine historische Herausforderung. Jeden Morgen informieren wir Sie, liebe Leserinnen und Leser, in unserer Morgenlage über die politischen Entscheidungen, Nachrichten und Hintergründe. Zur kostenlosen Anmeldung geht es hier.]

Der türkische Präsident wirft der EU vor, sich nicht an die Absprachen des Flüchtlingsdeals zu halten, der 2016 die Massenflucht von Hunderttausenden Syrern, Irakern und Afghanen über die Türkei nach Westeuropa stoppte und der Türkei sechs Milliarden Euro an Unterstützung für Flüchtlinge zusagte.

Die Zahl der in Griechenland ankommenden Flüchtlinge ist von 866.000 im Jahr 2015 auf rund 60.000 im vergangenen Jahr gesunken. In den ersten acht Monaten dieses Jahres zählte die Uno in Griechenland knapp 12.000 aus der Türkei kommende Flüchtlinge. Die EU erwägt nun, die Türkei mit zusätzlichem Geld zu unterstützen.

Zur Startseite