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27,2 Millionen Euro - und kein Ende? Uli Hoeneß beim Steuerhinterziehungsprozess im Landgericht München.
© dpa

Prozess gegen Bayern-Manager: Uli Hoeneß - der 27-Millionen-Mann

Bayern-Manager Uli Hoeneß prellte den Staat nicht um 3,5 Millionen, auch nicht um 18,5 Millionen, sondern um schwindelerregende 27,2 Millionen Euro. Die Verkündung dieser Zahl war der Höhepunkt an einem bizarren Tag in einem Prozess, der mitunter Züge einer Farce annahm.

Die neue Albtraummarke: 27,2. Das ist der Stand im Prozess gegen den Steuerhinterzieher und Präsidenten des FC Bayern München – um die derzeitig relevante Reihenfolge zu bemühen. Nach dem Auftritt der Steuerfahnderin Gabriele Hamberger hat Hoeneß den Staat nicht um 3,5 Millionen Euro betrogen, auch nicht um jene 18,5 Millionen, die er am ersten Verhandlungstag vor dem Oberlandgericht in München höchstpersönlich einräumte, nein, es sind 27,2 Millionen. Und diese Summe ist schon sehr positiv zu Gunsten des Angeklagten berechnet.
Die Verkündung dieser Zahl war der Höhepunkt an einem bizarren Tag in einem Prozess, der mitunter Züge einer Farce annahm. Kurz nach der Mittagspause hatte Richter Rupert Heindl zu Tisch gebeten. Zum Richtertisch, und zwar die drei Anwälte von Uli Hoeneß, den Staatsanwalt, seine zwei beisitzenden Richter, die zwei Schöffen und die Steuerfahnderin Hamberger. Die hatte zuvor in einer mühsam zu verfolgenden Litanei darzustellen versucht, wie die Unterlagen der im Januar 2013 von Hoeneß erstatteten Selbstanzeige zu ihr auf den Schreibtisch gelangt waren.

Die Einkünfte von Uli Hoeneß, Jahr für Jahr

Sodann hob sie an, ihre Auswertung der Anzeige vorzutragen. Stockend, immer wieder in ihren Akten blätternd, listete sie Zahlen auf. Jahr für Jahr des beanstandeten Zeitraums zwischen 2001 und 2009 zählte sie auf, was Hoeneß laut Steuererklärungen an Jahreseinkommen angegeben hatte (zwischen sechs und elf Millionen), was dazu kam an Kapitalerträgen, Dividenden, an Veräußerungen aus Aktienverkäufen, was verrechnet wurde mit Werbungskosten, mit Verlusten, mit Kapitalertragssteuer und so weiter – nach etwa zehn Minuten stiegen die Zuhörer im Saal aus, nach einer weiteren Minute unterdrückte einer der beisitzenden Richter mühsam, aber vergeblich ein Gähnen, eine halbe Minute später folgte ihm einer der Anwälte von Uli Hoeneß, und Richter Heindl versuchte - ebenfalls vergeblich -, ein wenig Struktur in den Zahlenwust zu bekommen.

Dann gelangte Gabriele Hamberger zum Jahr 2008. „Ich denke, wir machen das noch“, sagte Heindl, „dann machen wir Pause, weil danach wird es komplex.“ 2008 stellt eine Zäsur dar, weil sich in diesem Jahr die Rechtslage über die Versteuerung von Kapitalerträgen änderte. Es war dann in der Folge vor Gericht die Rede von Devisenstrategien, von Unterkonten in den Währungen Euro, Yen, Pfund, Franken, US-Dollar und kanadischen Dollar, und wie Hoeneß die gegeneinander spielen ließ.

Es wurde komplex. Und als die Steuerfahnderin eine Excel-Tabelle hervorholte und zu erklären versuchte, wie sie mit dieser Tabelle in mühsamer Kleinarbeit die verschiedenen Geldströme nachzuvollziehen suchte, wurde es so komplex, dass Richter Heindl zu Tisch bat. Dann standen zehn Menschen um ihn herum, starrten auf irgendwelche Blätter, Hamberger redete, ohne im Saal akustisch verstanden zu werden, und, wenn man die eindeutige Körpersprache der Menschen am Richtertisch betrachtete, wurde sie auch dort inhaltlich nicht verstanden. Das ganze Schauspiel dieser öffentlichen Verhandlung dauerte etwa eine Stunde.

Uli Hoeneß bewegt sich auf einem schmalen Grat

Und Hoeneß? Der saß derweil alleine an seinem Tisch. Er litt sichtlich, verzerrte mitunter das Gesicht, wusste nicht, wohin mit seinen Händen, verschränkte die Arme, war ständig in Bewegung. Hoeneß ist es nicht gewöhnt, hilflos und ohnmächtig am Rande zu sitzen, wenn er plötzlich losgebrüllt hätte, hätte das nicht überrascht. Er tat es nicht.

In der Früh hatte er, augenscheinlich angezählt, den Sitzungssaal betreten. Ob ihn die Taktik seiner Anwälte überzeugt? Das offene Geständnis, die Selbstbezichtigung weit über die Anklage hinaus, soll wohl dazu dienen, die erhöhte Summe mit in diesen Prozess zu ziehen. Die Gefahr, für die bisher angenommenen 3,5 Millionen Euro eine Bewährungsstrafe zu bekommen und dann erneut wegen der höheren Summe vor Gericht zu stehen, ist groß. Zu groß. Und doch bleibt der Grat, den seine Anwälte mit ihm beschreiten, schmal. Er ist nach diesem Tag und den Einlassungen der Steuerfahnderin Hamberger noch ein wenig schmaler geworden.

Bei einem Menschen, der durch dieses komplizierte Gebilde seiner Transaktionen noch durchblickt, kann auch ein hohes Maß an krimineller Energie interpretiert werden. Die Taktik könnte also auch zum Selbsttor geraten. Und wenn die Anwälte gehofft hatten, der Richter würde wegen des Geständnisses und der damit verbundenen Sichtung von 70000 Seiten den Prozess erst einmal aussetzen, so haben sie sich getäuscht. Für diesen Mittwoch ist ein weiterer Zeuge geladen, der Betriebsprüfer der Reuschel-Bank in Deutschland. Also wieder kein guter Tag für Hoeneß. Immerhin hielt sein Anwalt Hanns W. Feigen, der ihn am Vortag coram publico angeblafft hatte – „erzählen sie doch nichts vom Pferd, Herr Hoeneß“ – am Ende doch noch einen Trost bereit. „Es ist doch strafrechtlich völlig unerheblich, ob Hoeneß eine Million oder fünfhundert Millionen hinterzogen hat. Wenn die Selbstanzeige wirksam ist, und davon gehen wir aus, kann man jede Summe einsetzen.“ Wenn.

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