Sanktionen gegen Russland: Ukrainer von Gabriel enttäuscht
Der deutsche Wirtschaftsminister irritiert Kiew mit Zweifeln an Russland-Sanktionen.
Die Forderung von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) nach einer schrittweisen Aufhebung der EU-Sanktionen gegen Russland hat zwischen der Ukraine und Deutschland Irritationen ausgelöst. „Wir haben heute das Auswärtige Amt gebeten mitzuteilen, ob diese Position der Haltung der Bundesregierung entspricht“, sagte der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, dem Tagesspiegel. Die Forderung sei in Kiew „mit Enttäuschung und Bitterkeit“ aufgenommen worden, da sie „nicht zielführend“ sei. „Die Erfahrungen zeigen, dass solche Sanktionen nur dann wirksam und erfolgreich sein können, wenn alle Bedingungen erfüllt sind“, betonte Melnyk. „Auch im Fall Russland braucht die internationale Gemeinschaft strategische Geduld, Geschlossenheit und Härte.“
Auf dem vom Land Mecklenburg-Vorpommern mitorganisierten Russlandtag hatte Gabriel sich am Mittwochabend für einen schrittweisen Abbau der Sanktionen ausgesprochen, die die Europäische Union wegen der Annexion der Krim durch Russland und der russischen Intervention in der Ostukraine verhängt hatte. Isolation bringe auf Dauer gar nichts, sagte Gabriel. „Am Ende hilft nur Dialog.“ Zwar betonte der Bundeswirtschaftsminister, dass die Vereinbarungen von Minsk eingehalten werden müssten, doch zugleich plädierte er für eine Lockerung der Sanktionen bereits nach Umsetzung einzelner Punkte des Abkommens. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat dagegen ein Ende der Sanktionen mit der Erfüllung des Minsker Abkommens verknüpft. Dieser Position hatten sich im vergangenen Jahr auch die Staats- und Regierungschefs der EU angeschlossen. Die Strafmaßnahmen laufen Ende Juli aus, im Juni soll über eine Verlängerung entschieden werden. Bisher gibt es zwar in mehreren EU-Ländern Kritik vor allem an den wirtschaftlichen Sanktionen, doch hat bisher kein Staat ein Veto gegen eine Verlängerung angekündigt. Die ukrainische Regierung hofft nun, dass die Bundesregierung trotz der Äußerung des Vizekanzlers bei ihrer Linie bleibt.
Gabriel spricht von Bürgerkrieg - Kiew nicht
Kritisch sieht der ukrainische Botschafter auch, dass Gabriel den Konflikt in der Ukraine als „Bürgerkrieg“ bezeichnete. „Die Äußerung fanden viele Ukrainer verletzend und unfair“, betonte Melnyk. Er verwies darauf, dass die ukrainische Kampfpilotin Nadija Sawtschenko am Mittwoch gegen zwei russische Offiziere ausgetauscht wurde, die in der Ukraine festgenommen und verurteilt worden waren. „Es liegen unwiderlegbare Beweise dafür vor, dass Russland nicht nur die Marionetten in Donezk und Luhansk komplett steuert, aufrüstet und bezahlt, sondern auch mit Soldaten, Offizieren und Söldnern beliefert.“
Wenn die Sanktionen an die Umsetzung des Minsker Abkommens gekoppelt bleiben sollten, stünde ein Ende der Strafmaßnahmen noch in weiter Ferne. Denn bisher ist kein einziger Punkt der im Februar 2015 getroffenen Vereinbarung umgesetzt. Die Waffenruhe wird immer wieder gebrochen, und auch der Friedensprozess kommt nicht voran. Uneinigkeit gibt es derzeit besonders über die geplanten örtlichen Wahlen in der Ostukraine. So ist noch unklar, wie die Sicherheit der Abstimmung und ein fairer Wahlkampf gewährleistet werden können.
In Minsk haben sich beide Seiten auch verpflichtet, alle „Geiseln und illegal Inhaftierten“ freizulassen und auszutauschen. So sind die Freilassung der Pilotin Sawtschenko und ihr Austausch gegen zwei russische Armeeangehörige auch ein Schritt im Rahmen dieses Abkommens. Allerdings ist damit der entsprechende Punkt der Vereinbarung noch nicht erfüllt, da es weitere Gefangene gibt. Für die Freilassung Sawtschenkos, die im Juni 2014 in der Ostukraine gefangen genommen worden war, hatten sich Deutschland und Frankreich eingesetzt.