Türkei: Türkisches Parlament billigt umstrittene Justizreform
In einer emotionalen Debatte der Abgeordneten ist am Samstag die umstrittene Reform des Justizapparats gebilligt worden. Es kam auch zu Handgreiflichkeiten. Gerade erst wurde die Türkei wegen der geplanten Verschärfung der Internet-Kontrolle kritisiert.
Das türkische Parlament hat nach Angaben aus Parlamentskreisen eine umstrittene Reform der Justiz verabschiedet, mit der die Regierung größeren Einfluss bei der Ernennung von Richtern und Staatsanwälten erhält. Der Gesetzesentwurf wurde den Angaben zufolge am Samstag nach einer kontroverse Debatte von den Abgeordneten angenommen. Er sieht unter anderem vor, den Hohen Richterrat, ein unabhängiges Justizkontrollgremium, stärker politisch zu kontrollieren. Bei der Debatte im Parlament gab es wiederholt Handgreiflichkeiten zwischen Abgeordneten von Regierung und Opposition. Die Opposition hatte das Gesetz, das dem Justizministerium das letzte Wort bei der Ernennung von Staatsanwälten einräumt, als Versuch der Regierung kritisiert, die gegen sie laufenden Justizermittlungen zu ersticken. Vor der Abstimmung hatte Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan angekündigt, die kontroversesten Stellen zu entschärfen. Die Türkei wird seit Dezember von einer Korruptionsaffäre erschüttert. Im Visier der Ermittler stehen dabei Gefolgsleute Erdogans. Der Ministerpräsident sieht in den Vorwürfen den Versuch, seine Regierung zu stürzen. Ankara hat als Reaktion auf die Ermittlungen tausende Polizisten, Richter und Staatsanwälte ihrer Posten enthoben.
UNO kritisierte die Türkei wegen der geplanten Verschärfung der Internet-Kontrolle
Erst am Freitag warnte die UNO die Türkei angesichts der geplanten Verschärfung der Internet-Kontrolle vor einer Verletzung internationalen Rechts. „Das Gesetz in seiner jetzigen Form erscheint unvereinbar mit der Verpflichtung der Türkei zur Einhaltung der Menschenrechte, insbesondere mit Blick auf die freie Meinungsäußerung und den Datenschutz“, sagte der Sprecher des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte, Rupert Colville, am Freitag. „Die gleichen Rechte, die Menschen offline haben, müssen auch online geschützt werden.“ Colville verwies darauf, dass die Rechtsprechung in der Türkei in diesem Bereich bereits 2007 verschärft worden sei: „Seit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes wurden mutmaßlich etwa 37.000 Internetseiten aufgrund von gerichtlichen Verfügungen oder Verwaltungsbeschlüssen blockiert.“
Das umstrittene Gesetz zur Internet-Kontrolle war vergangene Woche vom türkischen Parlament verabschiedet worden und würde der Regierung unter anderem das Recht geben, Internetseiten ohne vorherigen Gerichtsbeschluss zu sperren. Dafür reicht der Verdacht auf beleidigende, diskriminierende oder die Privatsphäre verletzende Inhalte. Journalisten- und Juristenverbände in der Türkei sowie die Europäische Union hatten das Gesetz scharf kritisiert.
Der türkische Präsident Abdullah Gül deutete an, das Gesetz nicht in unveränderter Form zu unterzeichnen. „Es gibt ein oder zwei problematische Passagen“, sagte er vor Journalisten - und schob hinterher: „Wir arbeiten an ihnen“. Der Staatschef muss bis zum 21. Februar entscheiden, ob er das Gesetz passieren lässt oder zur Neuberatung ans Parlament zurückschickt. (AFP)