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Die türkisch-syrische Grenze soll sicherer gemacht werden.
© REUTERS

"Mexikanische Mauer" gegen IS und PKK: Türkei macht die Grenze zu Syrien dicht

Die Türkei will ihre Grenze zu Syrien für IS-Kämpfer unüberwindbar gestalten. Wälle und Zäune sollen so hoch sein wie an der Grenze zwischen Mexiko und den USA.

Die US-Militärs haben erstmals bewaffnete Kampfdrohnen von der Türkei aus nach Syrien geschickt. Nach US-Angaben sollen bald auch amerikanische Kampfjets von der türkischen Luftwaffenbasis Incirlik nach Syrien fliegen. Der Beginn der Einsätze erhöht die Gefahr von Vergeltungsschlägen des "Islamischen States" (IS) in der Türkei selbst. Ankara plant deshalb einen massiven Ausbau der Grenzanlagen – und handelt damit auch unter dem Eindruck westlicher Forderungen, die Türkei solle neuen IS-Rekruten wirksam den Weg nach Syrien verbauen.

Seit dem Anschlag von Suruc, bei dem vor zwei Wochen mehr als 30 Menschen starben und der laut der türkischen Regierung vom IS begangen wurde, widmet sich Ankara mit Hochdruck der Grenzsicherung. Bei einer Sitzung des Kabinetts in Ankara beschrieben Vertreter der Sicherheitskräfte, wie die 911 Kilometer lange Grenze so befestigt werden kann, dass Dschihadisten weder nach Syrien hinein noch aus Syrien heraus kommen können.

„Physische Maßnahmen“ hätten die Experten im Sinn, berichtete der türkische Regierungssprecher Bülent Arinc hinterher. Ziel sei es, die Grenze für die Extremisten zu schließen, für humanitäre Zwecke aber offen zu lassen. Die Armee will das mit einem Plan schaffen, der von einigen Medien mit dem Begriff „mexikanische Mauer“ beschrieben wurde: hohe Wälle und Zäune wie an der Grenze zwischen Mexiko und den USA.

An einigen neuralgischen Punkten der Grenze haben die Bauarbeiten inzwischen begonnen. In der Grenzprovinz Hatay etwa heben Soldaten einen tiefen Graben aus, der es Schmugglern und IS-Leuten unmöglich machen soll, die grüne Grenze mit Fahrzeugen zu überqueren. Außerdem entsteht in Hatay ein hoher Wall, der nicht nur Dschihadisten aufhalten sondern auch gegen Raketenbeschuss schützen soll.

Verstärkte Grenztruppen

In der weiter westlich gelegenen Provinz Kilis wird ebenfalls gebaut. Dort errichtet die Armee einen drei Meter hohen Wall aus vorgefertigten Betonteilen, die an der Grenze zusammengefügt werden. Kilis ist ein direkter Nachbar eines IS-beherrschten Gebiets in Syrien. Für die Dschihadisten ist der Zugang zur türkischen Grenze sehr wichtig: Aus der Türkei erhalten sie neue Kämpfer und Nachschub, gleichzeitig liefern sie Öl in die andere Richtung. In den vergangenen Monaten war die extremistische Miliz jedoch mit dem Versuch gescheitert, die syrische Grenzstadt Kobane von den syrischen Kurden zu erobern. Wenig später verlor sie den Grenzübergang Tal Abyad an die Kurden, die mit Unterstützung durch US-Luftangriffe gegen den IS kämpfen.

In nächster Zeit will Ankara an der Grenze nicht nur neue Wälle und Zäune errichten und Gräben ausheben. Der Grenz-Plan des Kabinetts sieht laut Zeitungsberichten auch neue Patrouillenwege entlang der Grenzlinie, neue Wachtürme und verstärkte Grenztruppen mit Nachtsichtgeräten vor. Mehrere hundert Millionen Euro soll die Grenzsicherung kosten. Gleichzeitig verstärkt Ankara die Bemühungen, potenzielle Terrorkämpfer aus dem Ausland auf dem Weg nach Syrien aufzuspüren. Seit Anfang des vergangenen Jahres haben türkische Grenztruppen rund 1500 Terror-Touristen festgenommen.

Schwarze Liste

Spezialteams der Polizei an den großen Flughäfen der Türkei halten nach verdächtigen Reisenden Ausschau. Wie das Außenministerium mitteilte, schickten die Beamten bisher 1340 mutmaßliche IS-Anhänger nach Hause, ohne sie einreisen zu lassen. Die Namen von 18.000 Personen stehen auf einer Schwarze Liste von Personen, die automatisch bei der Passkontrolle ausgesiebt und wieder zurückgeschickt werden.

Mehr als 130 mutmaßliche IS-Symapthisanten wurden zudem seit dem Anschlag von Suruc bei landesweiten Razzien der Polizei festgenommen. Kritiker werfen der Regierung allerdings vor, bei den Festnahmewellen vor allem gegen Kurden und Linke vorzugehen. Die kurdischen PKK-Rebellen liefert sich seit zwei Wochen wieder heftige Gefechte mit der türkischen Armee. Bei einem neuen Anschlag der PKK in der Nacht zum Dienstag starben zwei Soldaten.

In Ankara fragt sich die Opposition, warum die Regierung erst jetzt gegen den IS vorgeht. Einige Regierungsgegner werfen der türkischen Führung vor, den IS lange ignoriert oder sogar als Stoßtruppe gegen die Armee des syrischen Präsidenten Baschar al Assad unterstützt zu haben.

Ankara weist das zurück, doch der Oppositionsabgeordnete Levent Gök erinnerte die Regierung daran, dass er mehrmals vor IS-Mitgliedern gewarnt habe, die sich ungestört in der Türkei tummeln dürften. Er sei damit auf taube Ohren gestoßen, sagte Gök. Nun plötzlich handele die Regierung. „Warum habt ihr die nicht schon früher festnehmen lassen?“ fragte er. Eine überzeugende Antwort steht noch aus.

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