Wegen Bedingungen aus Brüssel: Türkei droht EU erneut vor Verzögerungen bei Visafreiheit
Die EU stellt der Türkei Bedingungen für die Visafreiheit. Die Reaktion kommt prompt: Ankara stellt wieder den Flüchtlingsdeal infrage.
Mit einer neuen Warnung an die Adresse der EU hat die Türkei auf die Bedingungen Brüssels für den Wegfall der Visaschranken für türkische Reisende in Europa reagiert. Die Türkei halte sich an ihre Zusagen, sagte Außenminister Mevlüt Cavusoglu. "Auch die EU muss zu ihrem Wort stehen." Ankara droht seit Monaten, die Rücknahme von Flüchtlingen aus Griechenland zu stoppen und den gesamten Flüchtlingsdeals mit Europa aufzukündigen, falls die Visaschranken nicht wie zugesagt im Juni fallen.
Cavusoglu betonte, sein Land habe die allermeisten der insgesamt 72 Kriterien der EU für die Abschaffung der Reisebeschränkungen inzwischen erfüllt. Es gebe nur noch "kleinere Mängel", die in nächster Seit beseitigt werden sollten. EU-Kommissionsvize Frans Timmermans hatte die Türkei zuvor aufgefordert, bis Juni noch einige Bedingungen zu erfüllen. Dazu zählen Maßnahmen bei der Korruptionsbekämpfung, eine Reform der Antiterror-Gesetze und technische Verbesserung bei den biometrischen Pässen. Das türkische Außenamt erklärte am Donnerstag, die mit einem Chip ausgestatteten Pässe mit gespeicherten Fingerabdrücken würden ab Juni ausgegeben.
Das türkische Parlament hatte in den vergangenen Woche im Schnellverfahren eine ganze Reihe von Bedingungen der EU erfüllt. Zudem billigte das türkische Kabinett per Dekret den Wegfall der Visa-Regeln für Bürger aus EU-Staaten und erkannte damit indirekt auch erstmals das EU-Mitglied Zypern an. Die Reisefreiheit war der Türkei als Gegenleistung für ihre Kooperation in der Flüchtlingsfrage in Aussicht gestellt worden. Dennoch gibt es in einigen EU-Ländern und im EU-Parlament Widerstand gegen die geplante Visafreiheit für 78 Millionen Türken. In Anspielung auf den Gegenwind sagte EU-Minister Volkan Bozkir, die türkische Regierung werde in diversen Ländern und im Parlament mit Lobby-Arbeit beginnen. Es gebe inzwischen gegenseitiges Vertrauen zwischen der Türkei und der EU.
Die bisherigen EU-Visaverfahren sorgen bei der türkischen Bevölkerung seit Jahren für Ärger, weil sie als teuer, langwierig, unberechenbar und demütigend gelten. Viele hoffen, dass die Visa-Freiheit insbesondere Verwandtenbesuche in Deutschland und anderen Schengen-Staaten erleichtern wird. Für einen plötzlichen Massenansturm türkischer Besucher, die nach Ablauf der Besuchsfrist von 90 Tagen nicht mehr nach Hause heimkehren, sondern auf Dauer in Europa bleiben wollen, gibt es bisher keine Anzeichen. Derzeit hat nur etwa jeder zehnte Bürger der Türkei einen Reisepass.
Insbesondere türkische Kurdenpolitiker hatten in den vergangenen Monaten jedoch vor einer Massenflucht von Kurden nach Europa gewarnt. Schwere Gefechte zwischen Sicherheitskräften und kurdischen Rebellen in Südostanatolien haben seit dem vergangenen Sommer mehrere hunderttausend Menschen zu Flüchtlingen im eigenen Land gemacht.