Syriza triumphiert in Griechenland: Tsipras - jetzt wartet Europa
Die übrigen Europäer werden dem griechischen Wahlsieger Alexis Tsipras Zugeständnisse machen müssen. Aber eine Abkehr vom Reformkurs, wie ihn die Syriza propagiert, darf nicht zur Debatte stehen. Ein Kommentar.
In der griechischen Mythologie war es der Titan Atlas, der das Himmelsgewölbe trug. Die allgemeine Aufregung, die die Wahl in Griechenland begleitet, könnte darauf schließen lassen, es stünde eine Zeitenwende bevor. Doch der Himmel wird nicht einstürzen, auch wenn das Linksbündnis Syriza nach einem klaren Sieg die Macht in Griechenland übernimmt. Zunächst einmal kann der große Zulauf, den die Syriza in Griechenland, der Wiege der Demokratie, erhalten hat, niemanden verwundern. Wer wollte es den Griechen verdenken, dass sie nach sechs schweren Jahren der Rezession jetzt etwas Neues ausprobieren wollen? Auch wenn die radikale Rhetorik des Syriza-Chefs Alexis Tsipras etwas anderes vermuten lässt, will die Masse der Wähler des Linksbündnisses keinen Umsturz. Sie sucht nach der jahrelangen Herrschaft der sozialdemokratischen Pasok und der konservativen Nea Dimokratia einfach nur einen politischen Neuanfang. Gleichzeitig ahnen viele Wähler auch, dass sich ihre wirtschaftliche Lage auch mit der Syriza kaum schlagartig ändern dürfte. Das Programm, mit dem Tsipras die Ärmsten unter den Rentnern besserstellen oder die Zahlungen aus der Arbeitslosenversicherung erhöhen will, würde insgesamt zwölf Milliarden Euro kosten. Eigenmächtig könnte eine Syriza-Regierung diese Summe nicht im Haushalt lockermachen, ohne die Kreditfinanzierung durch die internationalen Gläubiger aufs Spiel zu setzen - und auf die ist Hellas nach wie vor angewiesen.
Die Märkte könnten noch ihr eigenes Scherbengericht über Tsipras abhalten
Falls Griechenland den haushaltspolitischen Konsolidierungspfad in den nächsten Monaten verlassen sollte, werden auch die Kreditmärkte ganz schnell ihr eigenes Scherbengericht über Hellas abhalten. Um es drastisch zu formulieren: Die Demokratie trifft auf den Markt, und mit dem hat Tsipras noch keine Bekanntschaft gemacht.
Es ist schon so, dass die Wahl in Griechenland auch die Grundsatzfrage souveräner nationalstaatlicher Entscheidungsfreiheit in Zeiten der Euro-Krise aufwirft. Zu Recht hat das Diktum von Kanzlerin Angela Merkel von der marktkonformen Demokratie lautstarken Protest all jener hervorgerufen, die ein mögliches Primat des Marktes nicht hinnehmen wollen.
Und zur Wahrheit in der Causa Griechenland gehört ja auch, dass die Vertreter der reinen Lehre, der zufolge ein möglichst harter Sparkurs den Griechen schon irgendwie den Weg aus der Krise weisen werde, ziemlich falsch lagen. Oder ist das Eingeständnis des Internationalen Währungsfonds vergessen, dem zufolge die Geldgeber die Folgen der Kürzungen für die griechische Wirtschaft völlig unterschätzt haben? Aus diesem Eingeständnis spricht Empathie. Und von ihr sollten sich alle leiten lassen, die demnächst – wieder einmal – nach einer tragfähigen Lösung für Hellas suchen.
Reformen sind kein Selbstzweck - Hollande und Renzi haben das erkannt
Im Detail werden die Euro-Partner der neuen Regierung in Athen also Zugeständnisse machen müssen, etwa in der Form eines verdeckten Schuldenschnitts mit noch längeren Laufzeiten für die Milliardenkredite. Aber eine Abkehr vom Reformkurs, wie ihn die Syriza propagiert, darf für die übrigen Europäer nicht zur Debatte stehen. Die Reformen, mit denen sich auch große Länder wie Frankreich und Italien abmühen, sind kein Selbstzweck. Sie sichern vielmehr, François Hollande und Matteo Renzi haben das inzwischen erkannt, die weitere Mitgliedschaft ihrer Länder in der Euro-Zone. Auch Alexis Tsipras wird diese Lektion noch lernen müssen – auch wenn ihm die Rolle des Himmelsstürmers gegenwärtig in Athen mehr Beifall einbringt.